Marsbeben – Der Stein kommt ins Rollen

Fünfzig Jahre nachdem die Apollo-11-Astronauten das erste Seismometer auf der Mondoberfläche platzierten, liefert die NASA InSight-Mission seismische Daten, die es Forschern ermöglichen, Marsbeben mit Mond- und Erdbeben zu vergleichen.

Der Stein kam im wahrsten Sinne des Wortes ins Rollen, als die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Marsbebendienstes im Erdbebensimulator der ETH Zürich zum ersten Mal Marsbeben erlebbar machten. Die Forschenden hatten Echtdaten von Marsbeben hochgeladen, die am Marstag bzw. Sol 128 und 173 der Mars-Mission InSight aufgezeichnet worden waren. Die Marsbeben hatte das Seismometer SEIS registriert, dessen hochempfindliche Elektronik am Labor für Raumfahrtelektronik und -instrumente der ETH entwickelt worden war.

Mit dem Abspielen des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.Mehr erfahren OK
John Clinton, Simon Stähler, Martin Van Driel und Maren Böse zeigen im Simulator, wie sich Marsbeben von Erd- und Mondbeben unterscheiden.

Zwei Arten von Marsbeben

SEIS ist das wohl empfindlichste je verwendete Seismometer. Es ist in der Lage, selbst schwächste Erschütterungen auf dem Mars zu erkennen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mussten die Signale der Marsbeben 10-millionenfach verstärken, damit die Forschenden die schwachen und entfernten Beben im Erdbebensimulator überhaupt wahrnehmen und sie mit entsprechend verstärkten Mond- und Erdbeben vergleichen zu können.

«Wir beobachten momentan zwei Arten von Marsbeben», sagt Simon Stähler. «Das erste Beben war eines mit hoher Frequenz, das einem Mondbeben ähnlicher ist als erwartet. Das zweite Beben hatte eine viel niedrigere Frequenz, was unserer Ansicht nach mit der Entfernung zum Epizentrum zusammenhängen könnte. Verglichen mit Erdbeben dauern beide Arten von Marsbeben länger.»

Erd-, Mond- und Marsbeben

Während Erdbeben normalerweise zwischen mehreren Sekunden bis zu einigen Minuten andauern, können Mondbeben bis zu einer Stunde oder länger dauern. Die Stärke des seismischen Signals hängt von der Entfernung und von Unterschieden in den geologischen Strukturen ab. Vergleicht man die Oberflächen von Erde und Mond, stellt man überrascht fest, dass die Erdkruste homogener ist als jene des Mondes. Als Folge der Meteoriteneinschläge über Milliarden von Jahren hinweg ist die Mondkruste gebrochen. Zudem gibt es auf dem Mond keinen Prozess, der das Gestein «zusammenschweisst». Auf der Erde hingegen verschmelzen Gesteinsspalten durch Vulkanismus, Erwärmung im Inneren, Plattentektonik sowie Erosion und Ablagerung durch Wasser und Wind. Dadurch entsteht eine relativ unversehrte und geschichtete Kruste, die Spuren von Meteoriteneinschlägen schnell verschwinden lässt.

«Die heterogene Mondkruste führt zu einer Streuung der seismischen Wellen, ähnlich einem nachhallenden Echo, das lautes Rufen in einer felsigen Berglandschaft erzeugen kann», erklärt John Clinton, der den Marsbebendienst an der ETH Zürich leitet. Im Vergleich dazu sind Erdkruste und -mantel für seismische Wellen transparent – etwa so wie eine weite, offene Landschaft für Schallwellen. Während seismische Sensoren auf der Erde Erdbebensignale deutlich «hören», registrieren seismische Sensoren auf dem Mond eine Unmenge von Echos, was zu einer Verzerrung des Signals führt. Dies macht es sehr schwierig, nur schon den Beginn des Signals zu ermitteln.

Auch wenn die Erdbebenforschung auf dem Mars noch in den Kinderschuhen steckt, scheint es, als seien Marsbeben irgendwo zwischen Mond- und Erdbeben angesiedelt: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erkennen zwar die ersten seismischen Signale des Marsbebens, aber die Signale, die folgen, zeigen stärkere Echos als von den Forschenden erwartet. Die Dauer des Signals eines Marsbebens kann circa 10 bis  20 Minuten betragen. Noch rätseln die Forscherinnen und Forscher, ob die Bruchstellen der Marskruste nur wenige Kilometer tief sind – wie auf dem Mond – oder ob sie oberflächlicher sind.

Marsbebendienst in Betrieb

Für die Schweizer Beteiligung an der Insight-Mission verantwortlich ist Domenico Giardini, Professor für Seismologie- und Geodynamik. Er hat auch den Marsbebendienst an der ETH gegründet. Rund zweimal täglich analysieren zehn Seismologinnen und Seismologen die von SEIS aufgezeichneten Daten mit dem Ziel, Marsbeben zu entdecken und zu charakterisieren.

Da es auf dem Mars nur ein Seismometer gibt, kombinieren Giardini und sein Team Methoden aus den Anfängen der Seismologie mit modernen Analyseverfahren. Letztlich dienen die seismischen Daten den Forschenden nicht nur zur Beantwortung von Fragen zur geologischen Struktur des Mars, sondern auch zur Entstehung der Planeten im inneren Sonnensystem vor mehr als vier Milliarden Jahren.

Internationale Kooperation

Der Marsbebendienst unter der Leitung der ETH Zürich ist eine Kooperation von Seismologinnen und Seismologen des Instituts für Geophysik und des Schweizerischen Erdbebendienstes an der ETH Zürich, des Instituts für Geophysik Paris (IPGP), der französischen Ingenieurhochschule ISAE Toulouse, der Universität Bristol, des Imperial College London, des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung Göttingen (MPS) und des Jet Propulsion Laboratory Pasadena (JPL).

Ähnliche Themen

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert