Prostatakrebsbehandlung schützt möglicherweise vor Covid-19
Eine hormonelle Prostatakrebsbehandlung könnte vor einer Infektion mit Sars-CoV-2 und vor schweren Krankheitsverläufen schützen. Dies legt eine Studie unter der Leitung eines Professors der Universität der italienischen Schweiz und der ETH Zürich nahe.
Männliche Krebspatienten erkranken im Vergleich mit der gesamten männlichen Bevölkerung 1,8-mal häufiger an Covid-19, und sie haben schwerere Krankheitsverläufe. Dies zeigt eine Studie, welche Wissenschaftler unter der Leitung von Andrea Alimonti, Professor an der Universität der italienischen Schweiz (USI) und an der ETH Zürich, mit über 4500 Männern im Veneto, Italien, durchführten.
Interessanterweise fanden die Studienautoren jedoch eine Ausnahme: Männer mit Prostatakrebs, deren Testosteronspiegel im Rahmen einer Therapie medikamentös abgesenkt wird, sind möglicherweise von einer Infektion mit Sars-CoV-2 geschützt, und sie zeigen, wenn sie doch infiziert werden, mildere Krankheitsverläufe.
Warum Männer schwerer erkranken
Unter gut 5200 Männern mit Prostatakrebs und Hormontherapie (Androgen-Deprivationstherapie) im Veneto erkrankten nur sehr wenige an Covid-19, und keiner dieser Patienten verstarb daran. Unter den Patienten mit Prostatakrebs war das Risiko für eine Sars-CoV-2-Infektion viermal geringer, wenn diese eine Hormontherapie erhielten.
Untersuchungen anderer Wissenschaftler haben früher gezeigt, dass ein Protein namens TMPRSS2 dem Pandemieerreger hilft, menschliche Zellen zu befallen. Bei Prostatakrebspatienten ist die TMPRSS2-Konzentration erhöht, die Hormontherapie zielt unter anderem auf eine Senkung dieser Konzentration. «Diese Zusammenhänge könnten erklären, warum Männer häufiger eine aggressivere Form von Covid-19 entwickeln als Frauen», sagt Alimonti.
Hormontherapie in Studien untersuchen
Für Alimonti und seine Kollegen ist es denkbar, dass testosteronsenkende Medikamente – über einen begrenzten Zeitraum eingenommen – selbst Männer ohne Prostatakrebs vor Covid-19 beziehungsweise einem schweren Krankheitsverlauf schützen. «Ich hoffe, dass unsere Ergebnisse andere Kliniker dazu inspirieren, zusätzlich zu anderen experimentellen Therapien auch Studien mit diesen Medikamenten durchzuführen», sagt Alimonti.
Allerdings müssen auch gewisse Einschränkungen der Studie bedacht werden. Möglicherweise liessen sich Krebspatienten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung häufiger auf Covid-19 testen, da sie sich häufiger in Spitalpflege befinden. Dies könnte die höhere Prävalenz des Coronavirus bei Krebspatienten erklären. Ebenfalls möglich ist, dass Prostatakrebspatienten mit Hormontherapie die Social-Distancing-Massnahmen besser einhalten können als solche mit anderen Therapieformen sowie als Patienten mit anderen Krebsarten, zumal die Hormontherapie zuhause durchgeführt werden kann.
Die Wissenschaftler haben die Studie in der Fachzeitschrift externe Seite Annals of Oncology veröffentlicht. In einer Medienmitteilung der Zeitschrift weist deren Chefredaktor einschränkend darauf hin, dass die Studie die Rolle der Androgen-Deprivationstherapie bei Covid-19 nicht definitiv klärt, und dass entsprechende Medikamente zur Covid-19-Prophylaxe erst dann eingesetzt werden sollen, wenn prospektive Studien ihre Wirksamkeit bestätigt haben.
Dieser Text basiert auf einer externe Seite Medienmitteilung der Europäischen Gesellschaft für medizinische Onkologie.
Literaturhinweis
Montopoli M, Zumerle S, Vettor R, Rugge M, Zorzi M, Catapano CV, Carbone GM, Cavalli A, Pagano F, Ragazzi E, Prayer-Galetti T, Alimonti A: Androgen-deprivation therapies for prostate cancer and risk of infection by SARS-CoV-2: a population-based study (n=4532). Annals of Oncology 2020, doi: externe Seite 10.1016/j.annonc.2020.04.479