Bachelor-Studiengang Humanmedizin
Auslöser und Ziele
Die rasanten Entwicklungen in der Bioinformatik, den molekularen Biowissenschaften und den bildgebenden Verfahren revolutionieren die Medizin. Diese Entwicklungen sowie die «Personalisierte Medizin» eröffnen völlig neue Perspektiven für medizinische Diagnose, Prognostik und Therapie. Damit das enorme Potential in der Medizin zugunsten einer verbesserten Gesundheitsversorgung auch in Zukunft voll ausgeschöpft werden kann, braucht es Ärztinnen und Ärzte mit fundiertem Wissen in mehreren Disziplinen, insbesondere in medizinischen und technischen Wissenschaften sowie in Naturwissenschaften.
Die ETH Zürich bietet seit Herbstsemester 2017 einen neuartigen Bachelor-Studiengang in Humanmedizin an, um den Entwicklungen in der Medizintechnologie gerecht zu werden - und gleichzeitig einen wirkungsvollen Beitrag zur Behebung des akuten Ärztemangels zu leisten. Es bestehen Kooperationen mit der Universität Basel, der Università della Svizzera italiana und der Universität Zürich. Die Studierenden absolvieren ihren Master an einer dieser Partneruniversitäten.
Prozess und Ergebnisse
Für die Entwicklung des Studiengangs stehen der Projektleitung zur Verfügung:
- ein kleines Projektteam mit Spezialistinnen und Spezialisten für Curriculumsentwicklung, Faculty Development und Assessment und medizinischen Beratern
- ein Planungsteam mit dem Studiendirektor und dem Studienkoordinator des zuständigen Departements D-HEST sowie der Projektverantwortlichen aus dem Stab des ETH-Präsidenten
Unterstützt wird das Projekt durch den Prorektor Curriculumsentwicklung, das LET, Rechtssetzung Lehre und weitere interne Abteilungen (z. B. Zulassungsstelle, Beratung & Coaching). Rückmeldungen zum Curriculum erhält die Projektleitung von einem internationalen Academic Advisory Board und von einem studentischen Advisory Board mit ETH-Abgängerinnen und -Abgängern, die nach ihrem ETH-Studium ein Medizinstudium aufgenommen haben.
Die Projektleitung sieht sich mit hohen Erwartungen konfrontiert. Das Medizinstudium ist stark reguliert, trotzdem soll das Curriculum die spezifischen Zielsetzungen des Studiengangs erfüllen, welche die ETH mit dem Studiengang verfolgt. Zudem müssen Lösungen für spezielle logistische Bedürfnisse gefunden werden, z. B. für das Sezierpraktikum.
Für die Curriculumsentwicklung wird das Mapping-Tool externe Seite LOOOP (Learning Opportunities, Objectives and Outcomes Platform) eingesetzt, das an der Charité in Berlin entwickelt wurde. Es ermöglicht die Abbildung der externe Seite PROFILES (Principal Relevant Objectives and Framework for Integrated Learning and Education in Switzerland; schweizerischer Lernzielkatalog Humanmedizin, gültig seit 1.1.2018) und hat sich als Instrument für die Gestaltung eines kohärenten Studiengangs bewährt. Es ist für Studiengänge unterschiedlicher Fachrichtungen einsetzbar.
Bei der Wahl der Unterrichtsformen stehen aktivierende Lernformate im Vordergrund. Formate wie Flipped Classroom (Beispiel Molekulare Genetik und Zellbiologie) und die selbstständige Erarbeitung von Lerninhalten in Gruppen kommen zum Einsatz. Und: Die Studierenden werden von Beginn an in den klinischen Alltag einbezogen, z. B. im Rahmen der Einstiegswoche auf der Notfallstation eines Spitals (Contextual Learning, Productive Failure).
Evaluation
Die Studierenden geben seit dem Start des Studiengangs regelmässig Feedback zu Inhalt und Struktur des Studiengangs: am Ende des Moduls, in den Unterrichtsbeurteilungen, in monatlichen Treffen mit der Projektleitung. Erste Anpassungen beruhen denn auch auf dem Feedback von Studierenden. Mit den Dozierenden werden Workshops durchgeführt, die der Koordination und dem Austausch über die Lehre dienen (Community of Practice). Die im April 2018 eingerichtete studiengangsspezifische Unterrichtskommission bietet einen weiteren Rahmen für die Weiterentwicklung des Studiengangs.
Erfahrungen
Für die Curriculumsentwicklung waren eine klar strukturierte (schlanke) Projektorganisation und die gute Zusammenarbeit mit ETH-internen Stellen sehr wertvoll. Zum Beispiel wurden einige Servicevorlesungen in den Naturwissenschaften für den Studiengang neu konzipiert. Und ein Teil der Prüfungen wird mit Unterstützung des LET online durchgeführt.
Die mit dem Status als Pilotprojekt verbundene hohe Autonomie ermöglicht die rasche Reaktion auf neue Bedürfnisse. Kooperationen mit verschiedenen Spitälern stellen ein praxisnahes Curriculum sicher.
Die Einstiegswoche auf der Notfall-Station eines Spitals hat sich sehr bewährt, sie führte bei den Studierenden zu hohen Lerneffekten und wirkte motivierend.
Bewährt haben sich auch die Workshops mit den Dozierenden. Sie erlauben die Information und den Erfahrungsaustausch über technologiegestütztes Lernen und die Entwicklung einer Feedback-Kultur unter den Lehrenden.