Wie Bakterien Antibiotika austricksen

Bei einer Bakterieninfektion können einzelne Erreger in Nischen ihr Verhalten ändern, so dass Antibiotika gegen sie wirkungslos sind. ETH-Forschende zeigten auf, wie es dazu kommt.

Darmlymphknoten
Salmonellen können sich in Dendritischen Zellen der Wirksamkeit von Antibiotika entziehen. Im Bild ein Darmlymphknoten einer mit Salmonellen infizierten Maus. Grün sichtbar sind die Dendritischen Zellen darin. (Bild: Patrick Kaiser / ETH Zürich)

Krankmachende Bakterien können im Körper trotz Antibiotikabehandlung überleben. Das kann auf zwei Arten geschehen: Einerseits überleben Erreger, die genetisch gegen den Wirkstoff resistent sind. Andererseits können Bakterien ihr Verhalten ändern und damit auf eine nicht-genetische Art Antibiotika austricksen. Wissenschaftler sprechen in diesem Fall von Persistenz. Während die genetische Antibiotikaresistenz breit untersucht wurde, weiss man bislang nur wenig über die Persistenz.

Langsam wachsende Bakterien

Wissenschaftler der ETH Zürich haben diese Überlebensstrategie der Bakterien nun unter die Lupe genommen. In Versuchen mit Mäusen, die sie mit Salmonellen infizierten, sowie mit Modellrechnungen haben sie herausgefunden, wie Persistenz entsteht: Im Verlauf einer Bakterieninfektion nehmen Wächterzellen des Immunsystems (Dendritische Zellen) einen kleinen Teil der Erreger in sich auf. Diese Wächterzellen setzen anschliessend eine Abwehrreaktion in Gang. Was grundsätzlich dem Kampf des Körpers gegen den Erreger dient, hat allerdings aus medizinischer Sicht auch einen Nachteil: Im besonderen Milieu im Innern der Wächterzellen hört ein Teil der eingeschlossenen Bakterien auf, sich rasant zu vermehren. «Stattdessen lungern sie etwas herum», sagt Wolf-Dietrich Hardt, Professor für Mikrobiologie und Leiter der Forschungsarbeit, schmunzelnd. Gegen solche sich nur langsam vermehrende Bakterien sind Antibiotika praktisch unwirksam.

Die Forschenden infizierten Mäuse mit Salmonellen und behandelten sie mit Ciprofloxacin, einem häufig eingesetzten Breitbandantibiotikum. Aus Lymphknoten des Darms isolierten sie Wächterzellen und fanden darin überlebende Salmonellen. In Tests bestimmten sie deren Vermehrungsfähigkeit sowie deren Anfälligkeit für das Antibiotikum und verglichen sie mit Salmonellen aus dem Darm der Mäuse.

Dabei zeigte sich: Unter den Salmonellen aus den Wächterzellen und jenen aus dem Darm gab es sowohl schnell wachsende, die vom Antibiotikum abgetötet wurden, als auch langsam wachsende, denen Ciprofloxacin nichts anhaben konnte. In den Wächterzellen des Lymphknotens war der Anteil langsam wachsender, Antibiotikum-unempfindlicher Bakterien jedoch um ein Vielfaches erhöht.

Reaktion auf nährstoffarme Bedingungen

Der Grund dafür liegt nicht etwa darin, dass Wächterzellen eine Vorliebe zur Aufnahme von langsam wachsenden Bakterien hätten, wie die Experimente gezeigt haben. Vielmehr dürften die Salmonellen im Innern der Wächterzellen – mutmasslich als Reaktion auf die dort vorherrschenden, nährstoffarmen Bedingungen – ihr Vermehrungsverhalten geändert haben.

Roland Regoes, Wissenschaftler am Institut für theoretische Biologie, konnte in einer Analyse der experimentellen Daten ausserdem veranschaulichen, dass sich die Vermehrungsrate der Bakterien im Lymphknoten während der Behandlung mit Antibiotika dramatisch verringert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die sich schnell teilenden Bakterien durch das Antibiotikum abgetötet werden, was zu einer Anreicherung der langsam wachsenden Bakterien im Lymphknoten führt.

Infektion kann wiederaufflammen

Persistente Bakterien können sich im Verlauf eines Befalls wieder in schnell wachsende Erreger wandeln. So kann eine Infektion nach Absetzen des Antibiotikums wieder aufflammen. Dies sei auch der Grund, warum Ciprofloxacin – wie andere Antibiotika – in der Regel während mehreren Tagen eingenommen werden müsse, obschon es eigentlich innert Minuten bis Stunden wirke, sagt Hardt.

Die ETH-Wissenschaftler können sich mehrere Ansätze vorstellen, wie man die Persistenz angehen und so die Wirkung bestehender Antibiotika erhöhen könnte. In ihrer Studie haben die Forschenden gezeigt, dass man die Wächterzellen mit bestimmten Wirkstoffen dazu bringen kann, persistente Bakterien zu eliminieren. Hardt spricht aber auch noch von weiteren Ansätzen: «Wenn man einen Wirkstoff hätte, der die persistenten Bakterien aus ihrem Schlaf weckt und in das schnelle Wachstum überführt – während dem sie auf Antibiotika ansprechen – könnte man diesen mit einem Antibiotikum kombinieren.» Oder man könne nach einem Wirkstoff suchen, der spezifisch persistierende Bakterien abtötet. Für letztere zwei Ansätze gibt es derzeit keine Substanzen. Sollten Pharmazeuten dereinst welche entdecken, dann könnte man sie mit ihren Experimenten auf ihre Wirksamkeit testen, wie die ETH-Wissenschaftler betonen.

Literaturhinweis

Kaiser P, Regoes RR, Dolowschiak T, Wotzka SY, Lengefeld J, Slack E, Grant AJ, Ackermann M, Hardt WD: Cecum Lymph Node Dendritic Cells Harbor Slow-Growing Bacteria Phenotypically Tolerant of Antibiotic Treatment. PLOS Biology, 2014, e10011793, doi: externe Seite10.1371/journal.pbio.1001793

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