Was am 30. November auf dem Spiel steht
Das Bestreben, sich mit der weltweiten Spitzenforschung zu vernetzen und die besten Talente unabhängig ihrer Herkunft auszubilden, macht den Erfolg der ETH Zürich aus. Restriktive Einwanderungsgesetze gefährden diesen Erfolg.
Die ETH Zürich ist heute viel internationaler als zur Jahrtausendwende. Sie ist ein Magnet für Studierende und Forschende aus aller Welt: Rund zwei Drittel der Professorinnen und Professoren, rund die Hälfte des Personals und rund ein Drittel der Studierenden und Doktorierenden stammen aus dem Ausland (vgl. Download ETH-Perspektiven. 13 (PDF, 2.9 MB)).
Für nicht wenige von ihnen war es ein Einschnitt, als die Schweizer Stimmbevölkerung im Februar entschied, die Zahl der Aufenthaltsbewilligungen sei ab 2017 durch Höchstzahlen und Kontingente zu begrenzen. Zur weiteren Ungewissheit trug bei, dass die EU postwendend die Studierenden und Forschenden der ETH Zürich aus ihren Programmen Erasmus+ und Horizon 2020 ausschloss.
Zwar können sich Forschende in der Schweiz seit September gestützt auf eine vom Bundesrat genehmigte externe Seite Teilassoziierung wieder beteiligen. Die Unterzeichnung des Abkommens erfolgt jedoch voraussichtlich Ende 2014 und setzt voraus, dass das Freizügigkeitsabkommen nicht gekündigt wird. Auch die externe Seite Aussenpolitische Kommission des Nationalrats hat sich dieser Tage dafür stark gemacht, dass der Bundesrat die Anliegen des Forschungs- und Innovationsplatzes Schweiz in den geplanten Gesprächen mit der EU ausdrücklich berücksichtigt.
Gute Rahmenbedingungen in Gefahr
Mit der Ecopop-Initiative steht am 30. November 2014 erneut eine Initiative zur Abstimmung, welche die Zuwanderung begrenzen will – und zwar so, dass die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz im dreijährigen Durchschnitt nicht mehr als 0,2 Prozent wachsen darf. Zudem müsste die Schweiz alle völkerrechtlichen Verträge kündigen, die dem Ziel, die Einwohnerzahl in der Schweiz zu nivellieren, entgegenstehen.
Unter diesen Umständen dürfte die angestrebte Vollbeteiligung an Erasmus+ und Horizon 2020 mit grösster Wahrscheinlichkeit zur Illusion werden. Der Ausschluss aus internationalen Bildungs- und Forschungsprogrammen wäre nicht auszuschliessen, oder aber Forschende und Hochschulen in der Schweiz müssten ihre Beteiligung fallweise und mit mehr Aufwand aushandeln.
Das hätte langfristig Rückwirkungen: Die Vernetzung mit der weltweiten Spitzenforschung eröffnet den Forschenden der ETH Zürich nämlich den steten Zugang zu neustem Wissen, namentlich in den Forschungsgebieten, die mit gesellschaftlichen Herausforderungen verbunden sind (z.B. Gesundheit, Ernährung, Klima, Finanzmärkte, Big Data u.a.), und für die kein Land und keine Hochschule allein die Lösungen finden kann, sondern für die sie auf den internationalen Austausch angewiesen sind.
Zusammenarbeit über Grenzen hinweg
Wie weitreichend und selbstverständlich die internationale Vernetzung für ETH-Forschende heute ist, zeigt sich bis ins Detail: Rund drei von fünf Publikationen, die ETH-Forschende verfassen, veröffentlichen sie mit internationalen Ko-Autoren (57 Prozent zwischen 2003 und 2012; Tendenz steigend). Im Vergleich aller ETH-Publikationen sind diese internationalen Publikationen besonders wirkungsvoll. Sie werden besonders häufig stark beachtet und viel zitiert.
Ihre Forschungskontakte pflegen ETH-Forschende rund um die Welt, am meisten mit Universitäten in Europa (4272), Nordamerika (1241) und Asien (572). Die häufigsten Partner sind die TU München, das Massachusetts Institute of Technology und die Universität Oxford (vgl. «Download Internationale Forschungskontakte der ETH Zürich 2013»).
Zum Erfolg der ETH gehört gleichwertig zur Forschung die Ausbildung und Förderung der fähigsten Studierenden und Nachwuchsforschenden unabhängig ihrer Herkunft. Eine im internationalen Vergleich erstklassige Lehre anzubieten und die Spitzenposition in der internationalen Forschung auszubauen, entspricht der Strategie der ETH und dem externe Seite Auftrag des Gesetzgebers.
Der Ausschluss aus dem internationalen Wettbewerb und Aufenthaltsbestimmungen, die es ausländischen Spitzen- und Nachwuchsforschenden erschweren an die ETH zu kommen, gefährden diesen Auftrag. Deshalb haben sich der Präsident der ETH Zürich (z.B. externe Seite duz Deutsche Universitätszeitung), der Rektor (z.B. externe Seite Deutschlandfunk) und der Vizepräsident Forschung und Wirtschaftsbeziehungen (z.B. externe Seite Horizon 2020 Projects: Portal) seit Februar verschiedentlich zu den Auswirkungen der Schweizer Einwanderungspolitik geäussert und erstmals öffentlich zu einer Abstimmung Stellung bezogen (z.B. externe Seite Sonntagsblick).
Mehr Handlungsspielraum angestrebt
Die Internationalisierung der Lehre nimmt mit der zunehmenden Spezialisierung der Ausbildung zu, das heisst ab der Masterstufe und Doktorat. Während an der ETH vor allem Studierende mit Schweizer Matura ins Bachelor-Grundstudium eintreten (vgl. Grafik), ist die Masterstufe infolge der Bologna-Reform in den letzten Jahren internationaler geworden. Die Doktoratsstufe war immer schon sehr international ausgerichtet, hier ist zwischen 2003 und 2013 der Anteil der Bildungsausländerinnen und -ausländer von 50 Prozent auf 67 Prozent gestiegen.
Vor dem Hintergrund einer international erstklassigen Lehre hat der ETH-Rat kürzlich beschlossen, die rechtliche Grundlage zu schaffen, damit die EPFL und die ETH Zürich in Zukunft den Zugang zum Bachelorstudium für ausländische Studierende einschränken können, wenn die Qualität der Lehre aus Kapazitätsgründen gefährdet ist.
Diese Pläne haben in der Öffentlichkeit und in den Medien kontroverse Reaktionen ausgelöst. Während eine Initiative wie Ecopop den Handlungsspielraum der Hochschulen im internationalen Wettbewerb massiv einschränken würde, hätte die angestrebte Anpassung des ETH-Gesetzes den gegenteiligen Effekt: Beiden ETH stünde so ein zusätzliches Steuerungs- und Auswahlinstrument zur Verfügung, wie es mehrere Universitäten in der Schweiz auch schon kennen.