Ventile für winzige Teilchen

Mit neuentwickelten Nanoventilen lässt sich in winzigen Kanälen der Fluss von einzelnen Nanopartikeln in Flüssigkeiten steuern. Das ist Interessant für sogenannte Lab-on-a-Chip-Anwendungen in der Materialwissenschaft oder der Biomedizin.

Nanoventile
Grafische Darstellung eines Mikroleitungssystems mit einer Verzweigung und drei Ventilen, zwischen denen einzelne Nanopartikel festgehalten werden können. (Grafik: ETH Zürich / Giacomo Sebastiano Palamara)

Forschende der ETH Zürich haben winzige Ventile entwickelt, mit denen sich einzelne Nanoteilchen aus Flüssigkeiten separieren und sortieren lassen. Die Ventile eignen sich für eine riesige Palette winziger Teilchen, darunter einzelne Metall- oder Halbleiter-Nanoteilchen, Viruspartikel, Liposomen oder grössere Biomoleküle wie Antikörper.

Die Nanoventile funktionieren anders als klassische Ventile, mit denen eine Leitung wie bei einem Wasserhahn mechanisch verschlossen und geöffnet werden. «Solche mechanischen Ventile lassen sich zwar miniaturisieren, aber nicht beliebig weit», erklärt ETH-Professor Poulikakos. «Sind Leitungen dünner als einige Dutzendzehn Mikrometer, lassen sie sich mechanisch nicht verschliesen und öffnen.»

Engstelle mit Elektroden

Um auch rund hundertmal feinere Leitungen beliebig oft öffnen und schliessen zu können, setzten die ETH-Wissenschaftler elektrische Kräfte ein. Die Forschenden arbeiteten mit in einen Siliziumchip geätzten Leitungen, die einen Durchmesser von nur 300 bis 500 Nanometern aufwiesen. Das ist weniger als ein Hundertstel des Durchmessers eines menschlichen Haars. In diesen Leitungen konstruierten sie Nanoventile, in dem sie die Leitung mittels Nanolithografie leicht verengten und auf beiden Seiten der Engstelle eine Elektrode anbrachten.

Schema
Schematischer Querschnitt eines flüssigkeitsgefüllten Nanoventils, durch welches ein Viruspartikel passiert. In der Mitte ist die Engstelle grau dargestellt, gelb die Elektroden. (Quelle: Eberle et al. Nature Nanotechnology 2018, bearbeitet)

Nanopartikel in reinem Wasser können die Engstelle nicht einfach so passieren. Für sie ist das Ventil im Grundzustand geschlossen. Indem die Elektroden in bestimmter Weise aktiviert werden, ändert sich das elektrische Feld an der Engstelle. Dies führt dazu, dass eine Kraft auf anwesende Nanopartikel wirkt, welche die Teilchen durch die Engstelle stossen – das Ventil lässt sich so öffnen.

Nanopartikel in einer salzhaltigen Lösung verhalten sich hingegen anders: Sie können die Engstelle im Grundzustand passieren – das Ventil ist für sie geöffnet. Wie die Wissenschaftler zeigen konnten, lassen sich diese Partikel jedoch durch geschicktes Anlegen von Wechselstromfeldern an den Elektroden zurückhalten. Auf diese Weise lassen sich zum Beispiel biologische Partikel wie Viren, Liposome oder Antikörper handhaben, die sowohl natürlicherweise als auch in Labors normalerweise in salzhaltigen Flüssigkeiten vorliegen.

Zitternde Nanopartikel bändigen

«Einzelne Nanopartikel in einer Flüssigkeit zu untersuchen, ist grundsätzlich schwierig, weil auf der Nanoskala die Brownsche Molekularbewegung wirkt», erklärt Hadi Eghlidi, Senior Scientist in Poulikakos’ Gruppe. Die kleinen Teilchen halten nicht still, sondern zittern ständig, mit einem Bewegungsradius, der ein Vielfaches ihres Durchmessers beträgt. «Zwischen zwei oder mehreren Ventilen können wir die Moleküle jedoch auf engem Raum festhalten, und sie so zum Beispiel unter einem Mikroskop untersuchen.»

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Ein einzelnes Adenovirus-Partikel wird zwischen zwei Nanoventilen festgehalten. (Quelle: Eberle et al. Nature Nanotechnology 2018)

Im Rahmen eines Machbarkeitsnachweises erstellten die Wissenschaftler auf einem Siliziumchip eine Vereinzelungs- und Sortierungsschleuse mit einer Verzweigung und drei Ventilen (siehe Bild oben). An der Verzweigungsstelle kann ein einzelnes Nanopartikel festgehalten und untersucht werden. Anschliessend kann man die Ventile so steuern, dass das Teilchen das System durch eine von zwei Ausgangsleitungen verlässt. Nanopartikel in Flüssigkeit können so in zwei Klassen sortiert werden. Den ETH-Forschenden gelang es gemeinsam mit Kollegen der Universität Zürich, mit diesem System sogar winzige Halbleiter-Nanopartikel (sogenannte Quantenpunkte) sowie Antikörper – beides mit nur 10 Nanometern Durchmesser – zu handhaben.

Lab-on-a-Chip-Anwendungen

Wie die Wissenschaftler betonen, lässt sich auf einem Siliziumchip im Prinzip ein beliebig komplexes Nanoleitungssystem mit beliebig vielen steuerbaren Ventilen anordnen. «Mittels Feineinstellung des elektrischen Feldes an den Elektroden könnte es in Zukunft sogar möglich sein, die Ventile als Filter zu benutzten, die Partikel mit bestimmten physikalischen Eigenschaften durchlassen, andere jedoch nicht», sagt Christian Höller, Doktorand in Poulikakos’ Gruppe.

Die Wissenschaftler möchten die Technik nun gemeinsam mit Partnern weiterentwickeln, um sie reif zu machen für Anwendungen in der Forschung. Es liessen sich damit auf einem kleinen Chip beispielsweise Teilchen sortieren, was für die Materialwissenschaft oder die Biomedizin interessant wäre. Denkbar wären auch Anwendungen, um synthetische Teilchen oder biologische Partikel zu vereinzeln, um sie zum Beispiel mikroskopisch zu untersuchen oder um den Einfluss von pharmazeutischen Wirkstoffen auf sie zu analysieren.

Literaturhinweis

Eberle P, Höller C, Müller P, Suomalainen M, Greber UF, Eghlidi H, Poulikakos D: Single entity resolution valving of nanoscopic species in liquids. Nature Nanotechnology, 21. Mai 2018, doi: externe Seite 10.1038/s41565-018-0150-y

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