Solares Kerosin zum Fliegen bringen

Klimaneutrale Solartreibstoffe sind heute technisch möglich und versprechen nachhaltiges Fliegen. Mit den richtigen Politikinstrumenten kann das Realität werden, schreibt Anthony Patt.

Anthony Patt

Die Technologie für klimaneutrales Fliegen ist vorhanden. Der wichtigste Ansatz nutzt erneuerbare Energie zur Synthese von CO2-neutralem Treibstoff aus Wasser (H2O) und CO2 aus der Umgebungsluft. ETH-Forschende haben kürzlich eine Mini-Raffinerie präsentiert, die solche Treibstoffe effizient aus Luft und Sonnenlicht erzeugen kann (siehe Medienmitteilung).

Illustration der neuen Mini-Raffinerie auf dem Dach des ETH-Maschinenlabors in Zürich.
Eine neue Mini-Raffinerie auf dem Dach des ETH-Maschinenlabors in Zürich produziert mit Sonnenlicht klimaneutralen Treibstoff – und hat das Potenzial für eine nachhaltige Luftfahrt der Zukunft. (Animation: Tricklabor / ETH Zürich)

Derweil kursiert in Politik und Medien die Idee einer Besteuerung der CO2-Emissionen des Flugverkehrs. Aber würde eine solche CO2-Steuer die Einführung von synthetischem Treibstoff oder anderen erneuerbaren Technologien effektiv fördern? Kurz: Das hängt davon ab, wie die Steuereinnahmen verwendet werden.

Lediglich Kerosin besteuern bringt wenig

Anhand der Kostenstrukturen von Fluggesellschaften und des Verbraucherverhaltens lässt sich abschätzen, wie beispielsweise eine Lenkungsabgabe1 das Passagieraufkommen beeinflussen und ob ein höherer Kerosinpreis einen Wechsel auf klimaneutrale Treibstoffe begünstigen würde.

Betrachten wir eine Steuer von 100 Franken pro Tonne CO2, ähnlich der aktuellen Schweizer CO2-Abgabe auf Heizöl und wahrscheinlich die Obergrenze des politisch Machbaren. Dies würde die Flugpreise um etwa 15 Prozent erhöhen und das Passagieraufkommen um etwa 10 Prozent senken. Da jedoch die Nachfrage im Luftverkehr mit rund 5 Prozent pro Jahr wächst, würden die Passagierzahlen schon nach zwei Jahren wieder das Vorniveau erreichen.

«Ohne Nachfrage nach klimaneutralem Kerosin werden die Kosten nicht sinken, und die CO2-freie Luftfahrt bleibt in weiter Ferne.»Anthony Patt

Und die Wahl des Flugbenzins? Synthetischer Treibstoff kostet heute rund zwei Franken pro Liter. Kerosin aus künftigen Produktionsanlagen auf Basis der neuen ETH-Solarraffinerie wird wahrscheinlich mindestens so teuer beginnen, dann aber günstiger werden wenn die Technologie skaliert. Fossiler Flugtreibstoff kostet 0.50 Franken pro Liter, also 1.50 Franken weniger als synthetischer Treibstoff.

Meinen Berechnungen zufolge müsste eine CO2-Steuer mindestens 300 Franken pro Tonne betragen, um diesen Unterschied auszugleichen. Mit 100 Franken schafft die Steuer keinen Anreiz für Fluggesellschaften, auf synthetische Treibstoffe umzustellen. Ohne Nachfrage werden die Kosten aber nicht sinken, und die CO2-freie Luftfahrt bleibt in weiter Ferne. Doch es gibt einen Weg aus dieser Sackgasse.

Es braucht gezielte Fördermassnahmen

Es wird Jahrzehnte dauern, die Produktionskapazität aufzubauen, um den weltweiten Bedarf der Luftfahrt mit synthetischem Treibstoff zu decken – für die solarthermischen Kollektoren bräuchte das neue ETH-Verfahren eine Fläche grösser als die Schweiz. Ein ambitioniertes Szenario wäre, in den nächsten Jahren ein Prozent des Treibstoffbedarfs synthetisch herzustellen und danach ein jährliches Wachstum der Produktionskapazität um etwa 20 Prozent anzustreben, ähnlich der exponentiellen Entwicklung der Photovoltaik (PV). So könnte die Luftfahrt kurz nach 2030 etwa fünf Prozent synthetischen Treibstoff verbrauchen und im Idealfall bis 2050 hundert Prozent erreichen.

Ohne die richtigen Förderinstrumente wird dies jedoch kaum gelingen. Denn um den CO2-freien synthetischen Treibstoff zum Fliegen zu bringen ist es entscheidend, eine initiale Nachfrage zu schaffen, Investitionen in die Technologie zu stimulieren und die Kosten in verträglichem Mass an die Verbraucher weiterzugeben.

Ein Beispiel: Man könnte Kerosinlieferanten dazu verpflichten, eine jährlich ansteigende Menge an synthetischem Treibstoff einzumischen, beginnend mit einem Anteil von unter einem Prozent am Gesamtbedarf. Die zusätzlichen Kosten würden die Einnahmen aus einer CO2-Steuer oder einem Zuschlag decken. Gemäss meiner Überschlagsrechnung würde eine Anfangssteuer auf fossiles Flugbenzin von 0.05 Franken pro Liter dafür ausreichen. Die Ticketpreise würden lediglich rund drei Prozent teurer.

Wenn der Anteil an synthetischem Treibstoff wächst, muss auch die Steuer steigen, aber nicht übertrieben, weil die Produktionskosten mit der Zeit sinken: Auf lange Sicht halte ich ein Franken pro Liter für realistisch. In dreissig Jahren würde so ein Flug mit synthetischem Treibstoff etwa 25 Prozent mehr kosten als fossiles Fliegen heute. Die Luftfahrt wäre dekarbonisiert, und die Ticketpreise wären so langsam gestiegen, dass man es kaum spürt.

Eine Chance für die Schweiz

Ein ähnlicher Ansatz hat sich bereits bei Solar- und Windkraft, Elektroautos und Niedrigenergiehäusern bewährt. Die genauen umweltpolitischen Instrumente unterscheiden sich zwar, aber in allen Fällen fördert man zuerst die Produktion und Nutzung der erneuerbaren Energie. Erst später, wenn die neue Technologie zuverlässig wettbewerbsfähig ist, lassen sich die fossilen Energieträger schrittweise ausmustern.

Im Fall der Luftfahrt stellt die (globale) Dekarbonisierung für die Schweiz eine zusätzliche Chance dar: Viele der Schlüsselinnovationen zur Produktion von synthetischen Treibstoffen fanden hier statt, und wir halten die Patente. Die Schweiz ist also gut gerüstet, bei der nachhaltigen Gestaltung der Luftfahrt eine Vorreiterrolle zu übernehmen.

Referenz

1 Eine Lenkungsabgabe ist ein umweltpolitisches Instrument, das ein bestimmtes Konsumverhalten durch eine Preiserhöhung (Abgabe) hin zu weniger Verbrauch lenkt. Anders als bei einer Steuer fliessen die Einnahmen wieder an die Bevölkerung zurück. So werden beispielsweise die Einnahmen aus der CO2-Abgae für Brennstoffe (Heizöl, Erdgas) an die Bevölkerung und die Wirtschaft über die Krankenversicherer und die AHV-Ausgleichskassen zurückverteilt.

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