Kritisches Denken in der Vermittlung von Informatikgrundlagen
Kritisches Denken als Unterrichtsmethode bedeutet, nicht fertige Ergebnisse der Wissenschaft zu unterrichten, sondern den Fokus darauf zu legen, gemeinsam mit den Studierenden die Entstehungsprozesse neu zu entdecken, die zu diesen Ergebnissen geführt haben. Ein hoher Grad an Interaktivität wird ermöglicht durch detaillierte Unterrichtsunterlagen, die von Beginn an zur Verfügung stehen, und durch Anreize für systematisches Studieren wie gut abgestimmte Übungen und freiwillige Zwischenklausuren.
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Das kritische Denken ist der Leitfaden unserer Veranstaltung. Wir unterrichten nicht die fertigen Produkte der Wissenschaft (Fakten, Modelle, Methoden etc.), sondern lassen die Studierenden die Prozesse nachahmen, die zu diesen Resultaten geführt haben. Auf dieser Entdeckungsreise kann man auch aus erfolglosen Lösungsversuchen viel lernen. Einige der wesentlichen Eckpunkte bei der Umsetzung dieses Konzepts fassen wir wie folgt zusammen.
1. Im Unterricht wird die historische Entwicklung der grundlegenden Begriffe, Konzepte und Methoden nachvollzogen – interaktiv und miterlebbar, was die Studierenden stark motiviert.
2. Sehr detaillierte, im Voraus verfügbare Unterrichtsmaterialien, die den gesamten Prüfungsstoff und das Training dafür enthalten, ermöglichen auch das selbstständige Lernen oder bei Bedarf die Anwendung des Flipped-Classroom-Konzepts.
3. Dank der vollständigen Unterlagen können sich die Studierenden in der Vorlesung auf die Kommunikation mit den Dozierenden konzentrieren, werden soweit wie möglich in die Entwicklung des Stoffs einbezogen, machen selbst Lösungsvorschläge und lernen auch aus erfolglosen Versuchen, gemäss dem Konzept der productive failures.
4. Um ein systematisches Studieren zu fördern, dürfen die Studierenden freiwillig anrechenbare Zwischenprüfungen schreiben, wenn sie während des gesamten Semesters aktiv in den Übungen mitarbeiten, und sie erhalten individuelles Feedback zu diesen Zwischenprüfungen.
5. Der Übungsbetrieb dient zur individuellen Diskussion der Vorlesungsinhalte, insbesondere häufiger Misskonzeptionen. Teamabgaben der Übungslösungen fördern die Interaktion zwischen den Studierenden. Ausführliche Beschreibungen der Vorgehensweise bei der Lösungssuche stehen im Voraus zur Verfügung.
6. Die Vorlesung und die Übungsaufgaben sind als Training eng auf die Prüfungsanforderungen abgestimmt.
In den letzten 15 Jahren wurden in diesem Projekt viele positive Erfahrungen gemacht: Die Veranstaltung hat sich von einem Flaschenhals mit hoher Durchfallquote trotz abgesenkter Anforderungen umgewandelt in eine wesentlich anspruchsvollere Vorlesung mit einer Bestehensquote von über 90%. Die Akzeptanz der Veranstaltung bei den Studierenden zeigt sich durch eine sehr gute Evaluation der Vorlesung (seit 2005 über 4.0 für die wichtigsten Kriterien) und der Übungen (über 4.0 bis 4.9) sowie in den Auszeichnungen des Hauptdozenten (VIS «beste Präsentation», 2014; Goldene Eule, 2018). Untersuchungen haben ausserdem gezeigt, dass diese Vorlesung unter allen Veranstaltungen der ersten zwei Jahre des Bachelorstudiums mit Abstand die beste Prognose der Studienleistungen im Masterstudium erlaubt und somit die Entfaltung des Potentials der Studierenden richtig unterstützt und ihre Leistung fair gemessen wird.
Wir entwickeln die Vorlesung ständig weiter, insbesondere, indem wir die historische Entwicklung grundlegender Informatikkonzepte noch stärker in den Vordergrund stellen und verstärkt das Konzept der productive failures anwenden.