Ein neuer Studiengang für Hirnforschung
Gemeinsam mit der Universität Zürich bietet die ETH Zürich ab Herbst 2022 ein neues interdisziplinäres Masterprogramm für Hirnforschung an. Das Programm kombiniert Biologie, Neurowissenschaften und klinische Methoden.
Psychische und neurologische Störungen wie Depressionen oder Demenz gehören zu den weit verbreitetsten Erkrankungen weltweit und stellen eine grosse Belastung für die Gesellschaft dar. Um diese Krankheiten besser zu verstehen und effizientere Therapien entwickeln zu können, braucht es Spezialistinnen und Spezialisten, die die Zusammenhänge zwischen Biologie, Technologie und klinischer Neurologie verstehen. Solche Expertinnen und Experten auszubilden, ist das Ziel eines neuen, interdisziplinären Master-Studienganges für Hirnforschung, den das externe Seite Zentrum für Neurowissenschaften der ETH Zürich und Universität Zürich ab September 2022 anbietet.
«Es beteiligen sich über 50 Institute, Professuren und Labore der ETH, der UZH, des Züricher Kinderspitals, der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich und der Universitätsklinik Balgrist», sagt Gerhard Schratt, ETH-Professor für Neurowissenschaften, der auf Seiten der ETH für das Masterprogramm verantwortlich ist. Mit dem neuen Programm erweitert die ETH ihr Studienangebot in den Bereichen Humanmedizin und Gesundheitswissenschaften.
«Am Ende ihrer Ausbildung sind die Studierenden mit dem breiten Spektrum an Mess-, Analyse- und Therapiemethoden in den Neurowissenschaften bestens vertraut.»Gerhard Schratt, ETH-Professor für Neurowissenschaften
Ein Studiengang, drei Themenbereiche
Wer verstehen will, wie ein gesundes Gehirn funktioniert und welche biologischen und neuronalen Zustände psychischen Erkrankungen zu Grunde liegen, muss heute in mehreren Disziplinen zu Hause sein. Dementsprechend breit aufgestellt ist auch der neue Master für Hirnforschung. «Studierende befassen sich im ersten Semester mit der Biologie und Genetik des Gehirns», erklärt Shiva Tyagarajan, Professor für Pharmakologie an der Universität Zürich, der gemeinsam mit Schratt das Programm leitet. Dabei stehen die Eigenschaften von Nervenzellen sowohl bei gesunden als auch bei kranken Menschen im Vordergrund.
Darüber hinaus umfasst das erste Semester Module zu neuronalen Systemen, unterschiedlichen Bildgebungsverfahren und anderen Technologien, mit denen die Funktionsweise des Gehirns analysiert werden kann. Die Studierenden erfahren zum Beispiel, wie Nervenzellen Informationen austauschen und wie man mit Neuroprothesen Schlafstörungen behandeln kann. Auch Computersimulationen von neuronalen Netzwerken sind Teil dieses Themenblockes.
Im zweiten Semester beschäftigen sich die Studierenden dann mit unterschiedlichen Methoden, die im klinischen und therapeutischen Alltag zum Einsatz kommen. «In diesem Modul geht es neben der Charakterisierung von psychischen Störungen unter anderem auch um präventive Ansätze aus der Psychologie», so Programmdirektor Tyagarajan. Dieser Themenbereich wird durch Kursangebote in Ethik und Neuroökonomie abgerundet.
Von Anfang an im Labor
Eine Stärke des Programms, so ETH-Professor Schratt, ist der Fokus auf die Laborpraxis: Die Studierenden sind von Anfang an im Labor tätig und erhalten so wertvolle Einblicke in den Forschungsalltag. «Am Ende ihrer Ausbildung sind sie mit dem breiten Spektrum an Mess-, Analyse- und Therapiemethoden in den Neurowissenschaften bestens vertraut», betont der Studienleiter. In allen drei Themenbereichen ist ein sechswöchiger Laboraufenthalt in einem der über 20 Labore und Institute vorgesehen.
So können Studierende zum Beispiel im Labor für Neuroepigenetik von Isabelle Mansuy, Professorin an der ETH und der Universität Zürich, untersuchen, wie sich traumatische Lebenserfahrungen auf das Gehirn auswirken. Oder sie machen am Lehrstuhl von Daniel Razansky, an der ETH und der Universität Zürich, Prozesse im Gehirn mit neuen bildgebenden Verfahren sichtbar. Und wer sich eher im Bereich Psychologie spezialisieren will, kann in der Gruppe von Nicolas Langer, Professor für kognitive Neuropsychologie an der Universität Zürich, Lernstörungen wie Dyslexie oder ADHS erforschen.
Vertieft und ergänzt wird das Gelernte zum einen im Rahmen einer Masterarbeit, für die die Studierenden sechs Monate Zeit haben. Zum anderen soll ein achtwöchiges Praktikum in einem Partnerunternehmen aus der Pharmaindustrie oder der Medtech-Branche oder in einer Klinik wichtige Einblicke in den zukünftigen Arbeitsalltag bieten.
Breite Karrieremöglichkeiten
Das neue Masterprogramm richtet sich an Studierende mit einem Bachelor-Abschluss in Neurowissenschaften, Biologie, Biomedizin, Biochemie, Biotechnologie, Gesundheitswissenschaften, Elektrotechnik, Ingenieurwesen, Physik, Pharmazie, Informatik, Psychologie, Chemie oder Mathematik.
Die Studierenden schliessen das Studium nach zwei Jahren mit einem gemeinsamen Masterabschluss der ETH und der Universität Zürich ab. Abgänger sind für eine universitäre Forschungslaufbahn gleichermassen vorbereitet wie für eine Karriere in der klinischen Forschung oder in der Pharmaindustrie. Auch für Karrieren in der Medizintechnik, wo Neuroprothesen immer wichtiger werden, liefert der Studiengang das notwendige biologische und technologische Rüstzeug. Interessentinnen und Interessenten können sich noch bis zum 1. Januar 2022 bewerben.