«Ich habe das Gefühl, ich kenne alle schon ewig.»

Seit dem 1. April 2023 leitet Annette Hofmann die Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Umwelt (SGU) an der ETH Zürich. Ein Gespräch über Pragmatismus, den schwierigen Spagat zwischen Regulatorien und Bedürfnissen der Wissenschaft sowie spontane Fallschirmsprünge.

Porträtfoto von Annette Hofmann
Annette Hofmann leitet seit April 2023 die Abteilung SGU. (Bild: ETH Zürich/Gian Marco Castelberg)

Annette Hofmann, wie würden Sie Ihre ersten Monate als SGU-Leiterin an der ETH beschreiben?
Inspirierend, motivierend, vielfältig. Inspiriert hat mich insbesondere die für mich neue Arbeitsumgebung. Mein Arbeitsplatz liegt im Octavo. Die dortige räumliche Offenheit fördert die Zusammenarbeit stark. Das hatte ich so nicht erwartet. Als Arbeitshygienikerin bin ich Grossraumbüros gegenüber eher kritisch eingestellt – aber nun bin ich begeistert.

Hat Sie etwas besonders gefreut?
Sehr gefreut hat mich der herzliche Empfang meines Teams wie auch des gesamten Bereichs Infrastruktur. An der ETH herrscht eine grosse Hilfsbereitschaft und ein kollegialer Umgangston. Aber man darf auch Kritik üben. Ich kam hierhin und hatte das Gefühl, dass ich alle schon ewig kenne – die Chemie stimmt!

Sie haben an der ETH Umweltnaturwissenschaften studiert. Was interessiert Sie an diesen Themen?
Naturwissenschaften fand ich schon immer spannend. Aber ich hätte mich nie auf eine einzige Disziplin festlegen können. An meinem Studium hat mir daher das Multidisziplinäre gefallen – dass man sich nicht nur auf einen Aspekt konzentriert, sondern die Dinge ganzheitlich betrachtet.

Dann war Ihre Studienwahl von Anfang an klar?
Nein, ich wusste lange nicht, was ich studieren will. Als ich es dann wusste, war für mich der einzige Negativpunkt, dass man dieses Studium nur in Zürich absolvieren konnte. Als Bernerin hätte es mich eher nach Lausanne an die EPFL gezogen (lacht). Heute fühle ich mich hier aber sehr wohl.

«Man muss nicht alles selbst können.»
Annette Hofmann

Welche Erfahrung während Ihres Studiums hat Sie geprägt?
Im Studium habe ich gelernt, dass man mit anderen zusammenarbeiten muss, um ein gutes Resultat zu erreichen. Dieses Wissen hilft mir heute noch. Bei komplexen Fragestellungen sollte man möglichst alle Akteure mit ihren unterschiedlichen Perspektiven miteinbeziehen. Diese Interdisziplinarität ist mir auch bei meiner heutigen Tätigkeit ein Anliegen. Es ist wichtig, sich einzugestehen, dass man sich nicht auf jedem Gebiet auskennen kann. Ebenso wichtig ist es, dann die entsprechenden Spezialist:innen mit an den Tisch zu holen. Man muss nicht alles selbst können.

Nach Ihrem Studium waren Sie 22 Jahre an der Universität Zürich tätig, davon elf Jahre als Leiterin Sicherheit und Umwelt. Jetzt sind Sie an der ETH. Was interessiert Sie am Hochschulumfeld?
Im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz gibt es wenige Unternehmen, die spannender sind als Hochschulen. Denn hier gibt es die gesamte Bandbreite an Berufsgattungen. In der Forschung kommen stets neue Risiken auf, wenn z.B. mit neuen Materialen oder weltweit in neuen Regionen geforscht wird. Dafür muss man agil bleiben, und Situationen immer wieder neu einschätzen.

Was macht die ETH bei den Themen Sicherheit, Gesundheit und Umwelt gut?
In den Bereichen Schulung, Information und Prävention sind wir gut unterwegs. Wir agieren sehr vorausschauend, haben neue Trends wie z.B. Nanotechnologie, Mental Health-Problematiken, Drohnen oder Robotik gut auf dem Radar.

«Sicherheits- und Gesundheitsmassnahmen sind keine Schikane, sondern eine grossartige Dienstleistung.»
Annette Hofmann

Und wo können wir noch besser werden?
Wir könnten manchmal noch etwas pragmatischere Lösungsansätze verfolgen, indem wir die Betroffen früher ins Boot holen. Und: Sicherheit ist für viele Leute kein besonders relevantes Thema. Dass man aber in einem Betrieb arbeitet, der sich aktiv um Sicherheit und Gesundheit kümmert, ist für mich ein grosser Luxus. Es ist doch gut zu wissen, dass jemand dafür sorgt, dass man bei der Arbeit gesund bleibt. Man sollte erkennen, dass Sicherheits- und Gesundheitsmassnahmen keine Schikane, sondern eine grossartige Dienstleistung sind.

Was ist schwierig bei Ihrer Arbeit?
Eine Herausforderung ist, dass wir oft einen Spagat zwischen den Regulatorien und den Wünschen der ETH-Angehörigen machen müssen. Einerseits müssen wir die Leitenden von Organisationseinheiten überzeugen und motivieren, die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen, sonst bestehen Reputationsrisiken. In der Forschung und der Lehre sollten wir andererseits möglichst viele Freiheiten zulassen. Dieser Spagat ist schwierig zu meistern. Unsere Kritiker:innen sind sich dessen oft nicht bewusst. Leider kann man es nicht allen recht machen – aber das macht es auch spannend.

Wie können wir alle etwas zum Arbeits- und Gesundheitsschutz beitragen?
Indem wir unsere Eigenverantwortung wahrnehmen – auch wenn dies in den letzten Jahren eher ein Reizwort wurde. Schlussendlich ist jedoch jede:r Einzelne selbst dafür verantwortlich, die richtigen Arbeitsmittel, Schutzausrüstungen etc. anzuwenden. Zudem hilft es, wenn wir alle etwas mehr über unseren eigenen Tellerrand schauen und voneinander lernen.

Was ist Ihnen bei der Zusammenarbeit wichtig?
Dass meine Mitarbeitenden selbstständig arbeiten können. Und dass wir alle zusammenarbeiten und die anderen nicht vergessen. Manchmal sind wir gedanklich zu sehr in unseren eigenen Silos verhaftet. Mir ist der Austausch wichtig, die Pflege des Netzwerks – national und international für Erfahrungsaustausch und Benchmarking –, und das ganzheitliche Denken.

«Spontan mache ich manchmal Dinge, die mich selbst überraschen.»
Annette Hofmann

Wie wichtig ist Sicherheit für Sie als Privatperson? Gehen Sie da auch mal ein Risiko ein?
Ich bin nicht wahnsinnig risikofreudig, aber spontan mache ich manchmal Dinge, die mich selbst überraschen. So nahm ich auf einer Botswana-Reise z.B. an einem Fallschirmsprung teil, da ich wissen wollte, wie die Region von oben aussieht. Ich hätte nie gedacht, dass ich dies einmal mache – aber ich fand es toll!

Zum Schluss: Ihr Tipp für einen gesunden Arbeitsalltag?
Vor oder während der Arbeit eine Pause machen und sich bewegen, um den Kopf freizubekommen. Ich gehe morgens vor der Arbeit joggen. Dies hilft mir, voller Energie in den Arbeitstag zu starten.
Und: Nicht immer nur via E-Mail oder Teams mit den Arbeitskolleg:innen kommunizieren, sondern auch mal aufstehen, zu ihnen hingehen und so den direkten Kontakt zueinander wieder vermehrt suchen. Denn gesunde soziale Kontakte sind sehr wichtig für die eigene Gesundheit.

Zur Person

Wäre sie nicht Arbeitshygienikerin geworden, hätte die passionierte Gastgeberin Annette Hofmann vielleicht einen Werdegang in der Gastronomie eingeschlagen. Stattdessen zog es sie nach ihrem Studium der Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich und einem Nachdiplom in Arbeit und Gesundheit an die Universität Zürich. In den letzten elf Jahren war sie dort als Leiterin Sicherheit und Umwelt tätig, bevor sie per 1. April 2023 die Leitung der Abteilung SGU an der ETH übernahm. Annette Hofmann ist 48 Jahre alt und lebt in Zürich.

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