Massnahmen zur Berücksichtigung von Gender-Aspekten in Lehre und Forschung

Massnahmen zur Berücksichtigung von Gender-Aspekten in Lehre und Forschung

Die Integration der Gender-Dimension in Lehre und Forschung ist ein wichtiges Element für die Chancengleichheit an Universitäten. Dies beinhaltet die Einbindung von Genderthemen in bestehende Fächer und Strukturen, aber auch die Schaffung neuer Strukturen.

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Zeitaufwand: 2
Kosten: 2

  • Zielgruppe: Gastwissenschaftlerinnen, in der Regel auf Stufe Professur
  • Nachhaltigkeit: Damit Gastprofessorinnen als Vorbilder tätig werden können, sollten entsprechende Lehrveranstaltungen
    möglichst breit bekanntgemacht und beworben werden. Je regelmässiger Gastprofessuren ausgeschrieben werden, desto nachhaltiger werden sie als Erweiterung des Lehrangebots wahrgenommen.
  • Transfer: Ausdehnung auf Postdoktorandinnen ist möglich, es stellt sich auf dieser Stufe jedoch die Frage nach dem Role Model-Effekt.

!!! Gastprofessuren speziell für Frauen (als Chancengleichheitsmassnahme) sind separat von üblichen Gastprofessurprogrammen zu behandeln, wenn der Role Model-Effekt im Vordergrund stehen soll.

Um die Sichtbarkeit von herausragenden Wissenschaftlerinnen zu erhöhen, kann eine Gastprofessur in Bereichen eingerichtet werden, die einen tiefen Frauenanteil auf Stufe der Professuren aufweisen.

Die Gast-Wissenschaftlerinnen dienen einerseits als Role Models für die Studierenden und Mitarbeitenden der entsprechenden Bereiche. Andererseits können sie sich während ihrer Zeit an der fremden Hochschule auch für die Chancengleichheitsarbeit einsetzen, z.B. indem sie Vorträge und Workshops halten, die die Untervertretung von Frauen im jeweiligen Bereich thematisieren.

Beispiele

Die externe SeiteUniversität Zürich hat die Hedi Fritz-Niggli Gastprofessur ins Leben gerufen. Mit dieser werden exzellente Wissenschaftlerinnen für den Zeitraum eines Semesters an die Universität geholt, wo sie als Vorbilder sichtbar gemacht werden und in ein Rahmenprogramm in Zusammenarbeit mit der Abteilung Gleichstellung der Universität Zürich eingebunden sind.

Die externe SeiteUniversität Bielefeld besitzt eine Gender-Gastprofessur mit dem Ziel der Vermittlung von genderbezogenen Wissensbeständen in verschiedenen Disziplinen und einer besseren Sichtbarkeit von Frauen in der Forschung.

Weitere ausgewählte Beispiele

Eleonore-Trefftz-Gastprofessorinnenprogramm der externe SeiteTechnische Universität Dresden

Käthe-Leichter-Gastprofessur der externe SeiteUniversität Wien

Gastprofessur für Gender und Diversity an der externe SeiteLeibnitz Universität Hannover

Weiterführende Informationen

  • Bettinger, E.; Long, B. (2005): Do Faculty Serve as Role Models? The Impact of Instructor Gender on Female Students in: The American Economic Review Vol. 95, No. 2.
  • Kahlert, Heike (2015): Nicht als Gleiche vorgesehen. Über das „akademische Frauensterben“ auf dem Weg an die Spitze der Wissenschaft. In: Beiträge zur Hochschulforschung, 37. Jahrgang 3, S. 60-78.

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Zeitaufwand: 1
Kosten: 2

  • Zielgruppe: Diese Massnahme richtet sich an Studiengangsleitende und Lehrende mit Curricula-Verantwortung.
  • Nachhaltigkeit: Um einen nachhaltigen Effekt zu erreichen, ist beim Framing darauf zu achten, dass die Inhalte für alle Geschlechter attraktiv sind.
  • Transfer: Erfolgreiche Curricula-Anpassungen in einzelnen Studiengängen können anhand von Best Practice oder Checklisten auf weitere Studiengänge übertragen werden.

!!! Es gibt im Zusammenhang mit der angemessenen Berücksichtigung von Gender-Aspekten in der Lehre keine Patentlösungen.

Curricula, Lehrveranstaltungen und Prüfungen an (Technischen) Hochschulen nehmen aktuell noch wenig Rücksicht auf Unterschiede zwischen Männern und Frauen in ihren Interessen, ihrem Erfahrungshintergrund und ihren Lernstrategien. Exzellente Lehre nimmt auf die entsprechenden Unterschiede Rücksicht und befähigt auf diese Weise alle Studierenden, ihr Potenzial bestmöglich zu entfalten. Dies ist von individuellem, aber auch gesellschaftlichem Nutzen.

Bei der Ausgestaltung von Curricula, Lehrplänen und Lehrveranstaltungen kann ein richtiges Framing dazu beitragen, dass die Inhalte von allen Geschlechtern als ansprechend wahrgenommen werden. Wenn gendergerechte Curricula in MINT- Fächern entwickelt werden, führt dies in der Regel dazu, dass das Interesse und die Akzeptanz von Frauen in diesen Fächern erhöht wird.21

Die Bedeutung von Sinn und Relevanz ist nicht nur im Hinblick auf Lehrveranstaltungen gegeben, sondern auch für Studiengänge. Studiengänge, die von einer übergeordneten Relevanz getragen werden können (z.B. Gesundheit und Technologie oder Umweltwissenschaften), scheinen gerade für Frauen attraktiver zu sein als rein disziplinäre Studiengänge (wie etwa Physik), ohne dass dies den Präferenzen der Männer widersprechen würde. Innerhalb eines Studiengangs empfiehlt es sich, (von Anfang an) eine Mischung von eher angewandten und fallstudienbezogenen Lehrveranstaltungen einerseits und eher auf Methoden- und Modellwissen ausgerichteten Lehrveranstaltungen anderseits vorzusehen. Curricula, die sich anfänglich vor allem auf Methoden- und Modell-Kurse fokussieren, scheinen für Frauen wie Männer gleichermassen weniger interessant zu sein.

Hilfreich für die gendergerechte Ausgestaltung von Curricula sind folgende Überlegungen:

  • Eine offene Haltung der Lehrpersonen sowie die Verfügbarkeit von Praxisbeispielen und Informationsmaterial ist wichtig. Dabei ist auch der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Fachbereich oder anderen Disziplinen hilfreich.
  • Studierende sollten in die Umgestaltung von Curricula einbezogen werden, etwa auf der Basis von Umfragen, Inputs und Ideen.
  • Interdisziplinäre und gesellschaftlich relevante Fragestellungen sprechen Frauen tendenziell stärker an als die blosse Betonung theoretischer oder modellmässiger Überlegungen.
  • (Implizite) Reproduktionen von Geschlechterstereotypen sollten identifiziert und anschliessend vermieden werden.
  • Werden in einem Curriculum oder Studienbeschrieb spätere potentielle Berufsfelder genannt, sollte darauf geachtet werden, dass Berufe erwähnt werden, die Frauen und Männer gleichermassen ansprechen.

21 Jansen-Schulz, Bettina; van Riesen, Katrin (2009): Integratives Gendering in Curricula, Hochschuldidaktik und Aktionsfelder der Leuphana Universität Lüneburg. In: Auferkorte, Michaelis; Starh, Ingeborg; Schönborn, Anette; Fitzek, Ingrid (Hrsg.): Gender als Indikator für gute Lehre. Opladen u.a.: Budrich UniPress. S. 65-85.

Beispiele

Die externe SeiteAlbert-Ludwigs-Universität Freiburg hat einen Werkzeugkasten entwickelt, der Menschen, die in der Lehre tätig sind, Materialien (unter anderem Checklisten für eine diversitätssensible Curriculumsentwicklung) zur Verfügung stellt.

Mit dem Merkblatt «Akkreditierungsstandards der Programmakkreditierung betr. Internationalisierung, Chancengleichheit und Nachhaltigkeit», will externe Seiteswissuniversities den Diskussionsstand zu den drei Themenbereichen an den Fachhochschulen aufzeigen und den Verantwortlichen der Studiengänge Hinweise geben, wie der Nachweis erbracht werden kann, dass die entsprechenden Standards erfüllt werden.

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Zeitaufwand: 1
Kosten: 1

  • Zielgruppe: Die Zielgruppe für diese Massnahme sind Studiengangsleitende und generell Personen, die in der Lehre tätig sind.
  • Nachhaltigkeit: Um einen nachhaltigen Effekt zu erreichen, ist bei der Ausgestaltung darauf zu achten, dass Lehrveranstaltungen auf allen Ebenen (Themen, Beispiele, Didaktik etc.) geschlechterangemessen sind.
  • Transfer: Erfolgreiche Anpassungen in einzelnen Studiengängen können anhand von Best Practice oder Checklisten auf weitere Studiengänge übertragen werden.

!!! Das Angebot einer gendersensiblen hochschuldidaktischen Schulung trägt zu einer Verankerung der Massnahme bei.

Studieninhalte und ihre Vermittlung in Lehrveranstaltungen sind nicht immer an den vielfältigen Lebensrealitäten der Studierenden orientiert. Dadurch werden viele Studierende nicht angesprochen und identifizieren sich nicht mit ihrem Fach, beziehungsweise fühlen sich zu wenig in die fachliche Sphäre integriert.

Generell suchen Frauen stärker als Männer nach Sinn und Relevanz in den Themen, die in den Lehrveranstaltungen behandelt werden.22 Für Lehrveranstaltungen in Fächern aus dem naturwissenschaftlichen Bereich ist eine Einbettung theoretischer Konzepte in angewandte Fragestellungen unter Umständen anspruchsvoller als im sozialwissenschaftlichen Bereich – dennoch scheint eine Einbettung in angewandte Fragestellungen fast immer möglich zu sein. Es könnte beispielsweise sinnvoll sein, die «klassische» Abfolge «erst Theorie, dann Anwendung» umzukehren. Wenn zunächst mögliche Anwendungen und praktische Fragestellungen präsentiert werden, kann das die Motivation zum Erwerb von Methodenwissen und zum Erlernen theoretischer Modelle bieten.23

Im Durchschnitt scheinen Frauen erfolgreicher zu sein, wenn es mehr Elemente der Interaktion zwischen Dozierenden und Studierenden bzw. zwischen Studierenden gibt und nicht ausschliesslich Frontalunterricht. Interaktive Unterrichtsformen scheinen dabei für Männer zumindest nicht nachteilig zu sein. Die Formen der Interaktivität sind vielfältig, sie reichen von Arbeit in Kleingruppen im Hörsaal über gemeinsame Projektarbeit bis zu Peer Instruktion etc.24 Ein wichtiges Element in diesem Zusammenhang ist die Integration digitaler Elemente, zum Beispiel real-time Feedback zu Fragen von Dozierenden mit Hilfe einer Smartphone App, in die Lehrveranstaltungen.

Um Lehrveranstaltungen attraktiv und nützlich für Frauen und Männer zu machen, kommt es auch darauf an, Beispiele und Bildmaterial so auszuwählen, dass die Lebensbereiche beider Geschlechter gleichermassen repräsentiert werden.25 Die Anwendung genderneutraler Sprache und Begrifflichkeiten sowie entsprechender Bilder ist essentiell, damit sich keine Geschlechtergruppe ausgeschlossen fühlt, beziehungsweise damit sich jede Geschlechtergruppe gleichermassen vertreten und repräsentiert fühlt. Weiter ist darauf zu achten, dass in Forschungsbeiträgen auch die Perspektiven von Frauen sichtbar werden. Massnahmen zur gendergerechten Lehre und Forschung sollten darauf bedacht sein, bestehende Stereotype nicht weiter zu reproduzieren.

22 Zohar, A.; Sela, D. (2010): Her physics, his physics: Gender issues in Israeli advanced placement physics classes. International Journal of Science Education, 25(2), S. 245–268.
23 ebd.
24 ebd.
25 Schubert, Renate; Marinica, Ioana (2018): Gender attainment gaps Literature review and empirical evidence from IARU universities. ETH Zürich. PDF

Beispiele

Die externe SeiteFreie Universität Berlin hat eine digitale Toolbox für gender- und diversitybewusste Lehre erarbeitet. Darin stellt sie ein Starter-Kit mit Materialien, Leitlinien und anderen Handreichungen (z.B. Sprachleitfäden, Tipps zur Nutzung von Bildern und Antworten auf häufige Fragen) zur Entwicklung von Gender- und Diversity-Kompetenzen zur Verfügung.

Die externe SeiteAlbert-Ludwigs-Universität Freiburg hat einen Werkzeugkasten entwickelt, der Menschen, die in der Lehre tätig sind, Instrumente zur Selbstevaluation, spezifische Lehr-Lern-Methoden, Checklisten sowie Lerneinheiten zu zentralen didaktischen Handlungsfeldern für eine diversitysensible Lehre bietet.

Die Broschüre «Genderkompetenz im Hochschulalltag – Checklisten für Mitarbeitende» der externe SeiteFachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) zeigt auf, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Hochschulalltag mit Unterschieden und Gemeinsamkeiten der Geschlechter umgehen können.

Weitere ausgewählte Beispiele

Thüringer Verbundprojekt «externe SeiteGender in der akademischen Lehre»

Weiterführende Informationen

  • Bath, Corinna et al. (2016): Handreichung zur Integration von Gender- und Diversity-Aspekten in die ingenieurwissenschaftliche Lehre, Projekt „GenderING. Gender Studies in die Ingenieurwissenschaften“, Technische Universität Braunschweig.
  • Leicht-Scholten, C. (2007): „Gender and Science“ – Perspektiven in den Natur- und Ingenieurwissenschaften, transcript Verlag Bielefeld.
  • Probstmeyer, Kristin/Schade, Gabriele (2014): Gender- und diversitysensible Gestaltung von Lehrveranstaltungen im Informatikstudium – Best Practice Beispiele der FH Erfurt und der TU Ilmenau. In: Leicht-Scholten, C.; Schroeder, U.: Informatikkultur neu denken – Konzepte für Studium und Lehre. Integration von Gender und Diversity in MINT-Studiengängen, Springer Vieweg, S. 115-125.
  • Linde, Frank; Auferkorte-Michaelis, Nicole (2014): Diversitätsgerecht Lehren und Lernen. In: CSR und Diversity Management: Erfolgreiche Vielfalt in Organisationen.
  • externe SeiteFemBio-Datenbank mit über 31.000 Biographien bekannter Frauen.

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Zeitaufwand: 1
Kosten: 1

  • Zielgruppe: Prüfende
  • Nachhaltigkeit: Um einen nachhaltigen Effekt zu erreichen, ist darauf zu achten, dass schon in der zu prüfenden Lehrveranstaltung gendersensible Inhalte vermittelt werden.
  • Transfer: Erfolgreiche Anpassungen in einzelnen Prüfungen können anhand von Best Practice oder Checklisten mit geringem Aufwand auf weitere Prüfungen übertragen werden.

!!! Das Angebot einer gendersensiblen hochschuldidaktischen Schulung trägt zu einer Verankerung der Massnahme bei.

Aufgrund von geschlechtsspezifischen Unterschieden sowie von (unbewussten) Vorurteilen (Biases) kann es bei Prüfungen dazu kommen, dass Studierende aufgrund ihres Geschlechts besser oder schlechter bewertet werden als andere mit äquivalentem Wissen oder äquivalenten Leistungen. Dies sollte durch geeignete Prüfungsformate und bestimmte Formen der Prüfungsevaluation verhindert oder zumindest reduziert werden.

Viele der Massnahmen zur Herstellung von äquivalenten Prüfungsbedingungen für Frauen und Männer liegen im Wesentlichen im Einflussbereich der Dozierenden. Die Aufgabe der Universitäten ist es dafür zu sorgen, dass die Dozierenden für diese Thematik sensibilisiert werden und ausreichend darüber informiert sind, wie sie konkret für gendergerechte Prüfungsformate sorgen können und wie die Bewertung von Prüfungen ohne implizite Gender- oder andere Bias verlaufen kann.

Prüfungsformate

Diskriminierungsfreie Prüfungsformate nehmen Rücksicht auf die unterschiedlichen Kompetenzen und Befindlichkeiten von Frauen und Männern im Hinblick auf Prüfungsleistungen. Die Forschungsliteratur zeigt, dass Frauen im Durchschnitt mehr Prüfungsangst haben und bei schriftlichen Wissensüberprüfungen häufig schlechter abschneiden als Männer. Als Grund dafür wird unter anderem aufgeführt, dass Männer besser mit abstrakten Inhalten, welche bei standardisierten Tests zum Einsatz kommen, umgehen können als Frauen.26

Forschungen zeigen auch, dass Frauen von kompetitiven Prüfungsformen und einem kompetitiven Umfeld eher verunsichert werden. Mehr auf Kooperation statt auf Wettbewerb bedachte Departements-Kulturen führen bei Frauen hingegen tendenziell zu besseren Leistungen. Es kann sich lohnen, sowohl kompetitive als auch kooperative Lösungswege zu fördern.27
Frauen und Männer profitieren von vermehrt auf Interaktion bedachten Formaten. Prüfungsformen bei denen ein Vortrag, eine Diskussion oder generell eine interaktive Auseinandersetzung mit dem Prüfungsstoff vorgesehen ist, scheinen Frauen und Männern besser «zu liegen» als ein klassisches schriftliches Format.

Weiter ist zu beachten, dass es Befunde gibt, die zeigen, dass Frauen bei Multiple Choice-Tests in der Regel schlechter abschneiden als bei anderen Test-Formen. Dies hat vermutlich vor allem damit zu tun, dass Frauen seltener als Männer raten und häufig selbst dann, wenn sie sich einer Antwort «fast» sicher sind, lieber nicht antworten als eine falsche Antwort zu riskieren. Sieht die Bewertung eines Multiple Choice-Tests vor, dass falsche Antworten einen Punktabzug bringen, ist dieser Effekt besonders ausgeprägt und Frauen mit adäquaten Wissensleistungen schneiden schlechter ab als ihre männlichen, eher ratenden Kollegen.28

Wird eine Prüfung mit den Worten eingeleitet, dass dieser Prüfungsstil keine Gender-Differenzen produziert, führt dies tatsächlich zu einer Abnahme von Gender-Differenzen in der Prüfungsleistung.29

Anonymisierung von schriftlichen Prüfungsleistungen

Man kann nicht ausschliessen, dass Prüfungen von Frauen (gerade in einem naturwissenschaftlich-technischen Kontext) systematisch anders bewertet werden, als diejenigen von Männern. Der entsprechende Gender-Bias muss dabei dem oder der Bewertenden nicht zwingend bewusst sein und kann durch einen Trigger, wie etwa den Namen oder die Handschrift der zu bewertenden Person, hervorgerufen werden. Wissen die Prüfenden hingegen nicht, von wem eine Prüfung bearbeitet wurde, und/oder ist eine schriftliche Prüfung online verfasst worden, kann die Bewertung einer Prüfung nicht durch (unbewusste) Stereotype verzerrt werden.

Papierprüfungen können anonymisiert werden, indem Name und Matrikelnummer vor der Bewertung abgedeckt, weggefaltet oder überklebt werden. Allerdings besteht bei Papierprüfungen die Gefahr, dass das Geschlecht der Geprüften anhand der Handschrift der Kategorie «Mann» oder «Frau» zugeordnet wird und die Bewertung so doch einem Gender-Bias unterliegt.

Bei Online-Prüfungen gestaltet sich die Anonymisierung einfacher als bei Papierprüfungen. Je nach Anwendungssoftware können Prüfungsfragen (z.B. Drag-and-Drop-Fragen oder Multiple-Choice-Fragen) direkt vom System korrigiert werden. Bei einer manuellen Nachkorrektur können durch einen speziellen Korrekturmodus Namen und Matrikelnummer aus dem System ausgeblendet werden.

Zudem fällt bei Online-Prüfungen das Problem weg, dass das Geschlecht anhand der Handschrift zugeordnet wird. Um die Anonymisierung von Prüfungen in der Breite sicherzustellen und einen transparenten Prozess zu garantieren, sollten die zu beachtenden Grundprinzipien in einem Prüfungsleitfaden zusammengefasst werden.

26 Kling, K. C.; Noftle, E. E.; Robins, R. W. (2013): Why do standardized tests underpredict women’s academic performance? The role of conscientiousness. Social Psychological and Personality Science, 4(5), S. 600–606.
27 Zohar, A.; Sela, D. (2010): Her physics, his physics: Gender issues in Israeli advanced placement physics classes. International Journal of Science Education, 25(2), S. 245–268.
28 Spencer, S. J.; Steele, C. M.; Quinn, D. M. (1999): Stereotype Threat and Women’s Math Performance. Journal of Experimental Social Psychology, 35(1), S. 4–28.
29 Halpern, D. F.; Wai, J.; Saw, A. (2005): A Psychobiosocial Model. Why Females Are Sometimes Greater Than and Sometimes Less Than Males in Math Achievement. In: Gallagher, A. M.; Kaufman; J. C. (Eds.): Gender Differences in Mathematics. An Integrative Psychological Approach, Cambridge: Cambridge University Press, S. 48–72.

Beispiele

Die ETH Zürich hat einen Leitfaden zur Notengebung bei schriftlichen Prüfungen erstellt, der die anonymisierte Korrektur von Prüfungen empfiehlt.

Die externe SeiteUniversität zu Köln bietet mit DiVers ein E-Learning-Tool für Hochschullehrende an, das sich in einem Unterbereich spezifisch auf die chancengerechte Überprüfung von Studienleistungen bezieht.

Die externe SeiteUniversity of Durham in England versendet bei der Anmeldung zur Prüfung einen Code, den die Studierenden anstatt ihres Namens auf den Prüfungsbogen schreiben. (NUR AUF ENGLISCH)

Weiterführende Informationen

  • Breda, Thomas; Ly, Son Thierry (2012): Do professors really perpetuate the gender gap in science? Evidence from a natural experiment in a French higher education institution, PSE working papers 2012-13.
  • Hanna, Rema N.; Linden, Leigh L. (2012): Discrimination in Grading, in: American Economic Journal: Economic Policy 4, S. 146-168.
  • Towfigh, Emanuel et al. (2014): Zur Benotung in der Examensvorbereitung und im ersten Examen, Studie des Max-Planck-Instituts und der Universität Göttingen.
  • Lettenbauer, Susanne (2015): Diskriminierung an Hochschulen. Anonym zu Gerechtigkeit. externe SeiteDeutschlandfunk
  • Lüpke-Narberhaus, Frauke (2014): Im Zweifel für den Mann – Diskriminierung im Jura-Studium. externe SeiteSpiegel.de

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Zeitaufwand: 1
Kosten: 2

  • Zielgruppe: Lehrende auf allen Karrierestufen sollten Gender- und Diversity-Kompetenzen in ihre Lehre integrieren.
  • Nachhaltigkeit: Werden Gender-Kompetenzen in den Lehr- und Lernzentren aufgebaut, ist der Transfer in Lehrveranstaltungen hochschulweit sichergestellt.
  • Transfer: Einige Lehr- und Lernzentren bieten bereits Module oder Zertifikate im Bereich Genderkompetenz an. Diese sind leicht auf andere Hochschulen übertragbar.

Mithilfe von institutionsinternen Lehr- und Lernzentren (oder auch Zentren für Hochschuldidaktik) können Professorinnen und Professoren und andere Dozierende lernen, wie Genderaspekte bei der Ausgestaltung von Unterricht und Prüfungen sinnvoll berücksichtigt werden können und worin der Vorteil solcher Massnahmen besteht.

Bestenfalls bieten solche Lehr- und Lernzentren nicht nur ein breites Angebot an Informationen und klaren Zuständigkeiten, sondern stellen auch Onlineressourcen zu den neusten Erkenntnissen in diesem Bereich parat und veranstalten Workshops, Weiterbildungen und Trainings für in der Lehre beschäftigte Personen.

Beispiele

Die Abteilung Lehrentwicklung und -technologie (LET) fördert eine hochstehende und zeitgemässe Lehre an der ETH Zürich und entwickelt diese weiter. Das LET bietet Informationen und Dienstleistungen und zeigt Lehrpraxis an der ETH Zürich. Zu den angebotenen Leistungen zählen etwa didaktische Weiterbildungen, Informationen zu gendergerechten Curricula, Leitungskompetenzen und viele
weitere.

Im Verlauf ihres Bachelor- oder Masterstudiums können Studierende der externe SeiteLeuphana Universität Lüneburg das Gender-Diversity-Zertifikat erwerben. Das Gender-Diversity-Zertifikat ist ein freiwilliges, studienintegriertes Angebot und weist den Erwerb von Gender-Diversity-Kompetenzen aus.

Das Projekt «Lehre gender- und diversitygerecht» der externe SeiteTechnischen Universität Darmstadt soll Lehrende dabei unterstützen, eine diskriminierungsfreie und motivierende Atmosphäre zu schaffen.

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Zeitaufwand: 2
Kosten: 2

  • Zielgruppe: Die Massnahme richtet sich an Leitende von Forschungsteams und
    an Forschungsverantwortliche.
  • Nachhaltigkeit: Ausgewogene Forschungsteams und auf alle Geschlechter anwendbare Ergebnisse erhöhen die gesellschaftliche Relevanz der Forschungsergebnisse und tragen zur Nachhaltigkeit der Forschung bei.
  • Transfer: -

Die Integration von Gender-Aspekten in die Forschung bedeutet zwei Dinge: Zum einen, dass Frauen stärker als bisher an (naturwissenschaftlich-technischen) Forschungsprojekten beteiligt sind, und zum anderen, dass sich die Forschung gleichermassen auf die Bedürfnisse von Frauen wie von Männern bezieht, und die Relevanz von Geschlechterunterschieden für naturwissenschaftlich-technische Erkenntnisse beachtet. Die Berücksichtigung dieser Unterschiede in der Forschung führt nicht nur zu einer stärkeren Sichtbarkeit von Genderthemen, sondern liefert auch verlässlichere und breiter abgestützte Ergebnisse mit höherem Nutzen für die Anwendung. Dies erhöht die Exzellenz und damit auch den gesellschaftlichen Nutzen der Forschung.

Die Europäische Kommission hat in ihrem Toolkit «externe SeiteGender in EU-funded Research» detaillierte Hinweise zu den Möglichkeiten der Integration von Gender-Aspekten in die Forschung gegeben sowie etliche Beispiele angeführt, die den Nutzen dieser Integration klar zeigen. Der Bericht betont hierbei die beiden oben genannten Aspekte: Zum einen sollten aktiv mehr Frauen in grosse Forschungsprojekte eingebunden werden («Who»), zum anderen sollten die Gender-Themen auch Teil der Projektarbeit per se sein und als zentrale Kategorien oder Evaluationskriterien in die Forschung eingebunden werden («What»/«How»). Aus der Berücksichtigung dieser Aspekte resultiert idealerweise: «Das bestmögliche Team, die bestmöglichen Ergebnisse und die höchstmögliche Validität».30

Viele Universitäten leisten einen wichtigen Beitrag zum Wissens- und Technologietransfer und zu Innovation an ihrem Standort. Durch die gezielte Förderung von Unternehmertum werden neue Technologien und Verfahren mit Hilfe von Spin-Offs kommerzialisiert und praxistauglich gemacht. Allerdings hat sich der Gründerinnenanteil in den letzten zehn Jahren kaum über die 10 %-Marke hinausbewegt. Im Gender Monitoring-Bericht 2018/19 der ETH Zürich werden deshalb beispielhaft einige Massnahmen zur Erhöhung des Gründerinnen-Anteils vorgeschlagen, wie z.B. Trainingskurse für Entrepreneurship und Management (und zwar auch für reine Frauengruppen), Praktika während des Studiums in Start-Ups und Unternehmen oder ein verstärkter internationaler Austausch unter den Hochschulen, wie das Potential von Frauen als Gründerinnen besser ausgeschöpft werden kann.

30 European Institute for Gender Equality (2015): Supporting reconciliation of work, family and private life – Good practices. Webseite (NUR AUF ENGLISCH)

Beispiele

Das oben erwähnte Toolkit zu externe SeiteGender in EU-funded Research gibt eine generelle Einführung zu Geschlecht in der Forschung (und liefert eine nützliche Checkliste zur Implementierung von Gender) und zeigt dann anhand von Forschungsbeispielen, dass Gender in (fast) jedem Forschungsfeld von grosser Relevanz ist und zu sehr diversen Ergebnissen mit erhöhter Validität beiträgt. (NUR AUF ENGLISCH)

Die externe SeiteTechnische Universität München hat eine Professur für Gender Studies in den Ingenieurwissenschaften eingerichtet. Im Zentrum steht die Integration von Gender- und Diversityforschung in Wissenschaftsorganisationen und Unternehmen sowie in die verschiedenen MINT-Disziplinen.

Die externe SeiteAlbert-Ludwigs-Universität Freiburg hat ebenfalls eine Professur für Gender Studies in MINT eingerichtet. Das Forschungsteam untersucht, welche Rolle Sex/Gender als Untersuchungsvariable in verschiedenen MINT-Fächern spielt.

Weiterführende Informationen

  • Erharter, Dorothea (2015): Gendergerechtes Forschungsdesign an der Schnittstelle Mensch – Technik. In: Diefenbach, S. et al. (2015): Mensch und Computer 2015 Tagungsband, Stuttgart: Oldenburg Wissenschaftsverlag, S. 63-72.
  • Projekt «Gendered Innovations» der externe SeiteStanford University (NUR AUF ENGLISCH)
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