Früh übt sich…

Frühkindliche Bildung in naturwissenschaftlichen Museen ist heutzutage Standard. Damit werden sie zu einem wichtigen ausserschulischen Lernort. Kolumnistin Ulrike Kastrup zeigt, wie dies an der ETH gelingt.

Vergrösserte Ansicht: Kinder im Museum
Kinder bauen Satelliten bei focusTerra. (Bild: ETH Zürich)

Konzentriert beugt sich Tabea Schneider über das Solarpanel. Ist alles an der richtigen Position installiert? Wird es halten? Stimmt die Gesamtsymmetrie des Satelliten? Ein letzter kritischer Blick, doch, ja, es sieht gut aus. Zufrieden und mit strahlenden Augen lehnt sie sich zurück und schaut auf.
Um sie herum sitzen zahlreiche kleine Ingenieurinnen und Ingenieure, die gerade ihr eigenes Satellitenmodell entwickelt haben. Der Tisch ist übersäht mir Arbeitsutensilien: Alufolie, Klebstoff, farbiges Papier, Stifte, Schnüre, Klebefolien, Schere, Korkenzapfen, Karton und Stöckchen.

Am Tisch nebenan entdecken fünf- bis achtjährige Kinder Wetterphänomene wie Wirbelstürme, wobei sie selber einen Sturm in einer PET-Flasche erzeugen können. An einer anderen Station können sie durch Abwägen in der Hand und Beschreiben von Gestein abschätzen, ob die verschiedenen Steinarten im Wasser versinken oder schwimmen – bevor sie es dann selber im Wasserbecken ausprobieren. Andere stellen sich vor, wie die Erde von oben aussieht und malen eine Landschaft aus der Vogelperspektive. Selbst für die Grösseren ist dies keine ganz leichte Übung.

Die Begeisterung, mit der die Kinder die Erde und ihre Rätsel bei focusTerra entdecken, ist ansteckend. Die focusTerra Mitarbeiterinnen und die zahlreichen Helferinnen und Helfer, die meisten von ihnen Studierende des Departement Erdwissenschaften, helfen, zeigen und erklären alles mit der gleichen Freude und Begeisterung.

Lernort Museum

Frühkindliche Bildung in naturwissenschaftlichen Museen ist heutzutage Standard. Museen sind ein attraktiver Teil der familiären Freizeitgestaltung. Neben Schulen integrieren auch immer mehr Kindertageseinrichtungen Museumsbesuche in ihr pädagogisches Programm. Hier werden Alltagserfahrungen in einen Bezug zu wissenschaftlichen Sachverhalten gebracht. Damit sind Museen zu einem wichtigen ausserschulischen, informellen und kreativen Lernort geworden, welcher durch entsprechende, besucherorientierte Museumspädagogik weiter gestärkt werden muss.

Die Vorteile frühkindlicher Erziehung sind auch der ETH Zürich bewusst. focusTerra, das erdwissenschaftliche Forschungs- und Informationszentrum der ETH Zürich wird von der ETH Bibliothek und dem Departement Erdwissenschaften getragen. Die bei gross und klein sehr populären Märchensonntage sind nur einer von vielen Anlässen an der ETH Zürich, die den kleinsten Nachwuchswissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftlern gewidmet sind. Science City Junior bietet mit seinem Programm «Wissenschaft erleben» Kindervorlesungen, Experimentierateliers und Bastelwerkstätten für Kinder ab fünf Jahren. Die Scientifica lockt mit einem grossen, intensiv genutzten Kinderangebot, und kihz, die Ferienbetreuung für Kinder beider Hochschulen, gibt in den Ferien spannende und interaktive Einblicke in die Welt der Forschung und Lehre.

Lernforschung an der ETH Zürich

Um vor-universitäres Lehren und Lernen zu fördern, wird an der ETH auch im Bereich Lernen geforscht. Im MINT-Lernzentrum (MINT =Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) werden Lern- und Lehrmethoden erforscht und entwickelt, die bereits Kindern in der Primarschule einen bessern Zugang zu naturwissenschaftlichen Fächern ermöglichen sollen. Dort findet sich z.B. auch eine zum oben genannten, focusTerra Experiment ergänzende Übung zum Thema «Schwimmen und Sinken». Dabei lernen die Kinder in Grundzügen die Konzepte «Auftrieb» und «Dichte» kennen und lernen zu verstehen, warum ein grosses Schiff aus Stahl schwimmt, während ein kleines massives Stück Stahl untergeht. Dies sind vorbereitende Übungen für die höhere Schule, wo abstrakte Themen dieser Art vertieft angeschaut werden.

Doch wieso engagiert sich die ETH Zürich auf diesem Gebiet? Ist eine Hochschule nicht für Studierende und Forschung gedacht?

Ja und nein – denn ohne Nachwuchs geht es in der Wissenschaft nicht. Und dieser will gesucht, gefunden und gefördert werden. Es ist daher wichtig, Kindern bereits frühzeitig mit anregenden Spielen, Experimenten und Unterrichtsmaterialien einen spannenden Zugang zu naturwissenschaftlichen Themen zu ermöglichen. Denn nur so kann ihr Interesse an diesen Themen gefördert werden. Diejenigen, die merken, dass sie zum Beispiel beim Experimentieren viele Erfolgserlebnisse haben, werden auch ein anhaltendes Interesse an solchen Themen aufbauen. Denn nichts wirkt so verstärkend wie der Erfolg.

Es lohnt sich also, Kindern ein gut strukturiertes Vorwissen mit auf den Weg zu geben. Denn wer bereits im Primarschulalter gelernt hat, dass manche Materialien für ihre Grösse leicht, und andere Materialien für ihre Grösse schwer sind, der wird auf der Sekundarstufe I das Konzept der Dichte als Verhältnis von Masse und Volumen leichter verstehen als jemand, dem dieses Wissen fehlt. Wer früh übt, kann also ein Meister werden!

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Zur Person

Ulrike Kastrup

Ulrike Kastrup leitet seit rund fünf Jahren focusTerra, das erdwissenschaftliche Forschungs- und Informationszentrum der ETH Zürich. Sie studierte an den Universitäten Bonn und Zürich Geologie und promovierte beim Schweizerischen Erdbebendienst im Institut für Geophysik an der ETH Zürich. Anschliessend forschte und arbeitete sie im Bereich des Risikomanagements und der Risikokommunikation bei Naturgefahren an der United Nations University in Bonn, am RMIT in Australien und als Corporate Risk Managerin bei der SBB. Mit den zahlreichen Ausstellungen und Aktivitäten in focusTerra möchten Ulrike Kastrup und ihr Team einem breiten Publikum die Faszination und Schönheit der Geologie und ihre Rolle in unserem Alltag vermitteln.

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