Wie WEEE Man aus dem Abfall

Gemeinsam mit Industrie, Politik und Gesetzgebung müssen wir einen Weg für eine gesunde Umwelt und einen rücksichtsvolleren Umgang mit unseren Rohstoffen finden, schreibt Kolumnistin Ulrike Kastrup.

WEEE Man
Überlebensgross ragt der WEEE Man in den Himmel: Er besteht ganz aus Elektronikschrott. (Bild: 4.bp.blogspot.com/)

Überlebensgross ragt er in den Himmel. Furchterregend sieht er aus – aber vielleicht auch ein bisschen traurig, wie er mit seinen grossen, runden Linsenaugen verzweifelt in den Himmel schaut, während er sich mit letzter Kraft auf seinen skelettartigen Beinen aus einem Berg von Abfällen aufzurichten scheint - der WEEE Man.

WEEE steht für Waste Electrical and Electronic Equipment. Und WEEE Man ist ein Produkt aus diesen Elektro- und Elektronik-Altgeräten. Er ist 7 Meter hoch und wiegt 3,3 Tonnen. Dies ist die Menge elektronischen und elektrischen Abfalls, die ein durchschnittlicher britischer Haushalt im Laufe eines Lebens produziert und welcher häufig auf Mülldeponien landet. Aus diesem Müll wurde WEEE Man gebaut: Mobiltelefone, mp3-Spieler, Rasenmäher und anderes wurden zu Knochen und Sehnen, Computermäuse zu Zähnen und Satellitenschüsseln zu Ohren.Gemeinsam ergeben sie eine Kreatur, die laut ihrem Erschaffer, dem Künstler Paul Bonomini, daran erinnern soll, was für ein Monstrum wir mit unseren Abfällen erschaffen.

Auch in der Schweiz werden viele Elektrogeräte entsorgt, ein Haushalt kommt in einem «Leben» auf durchschnittlich 4,2 Tonnen (Stand 2012). Die meisten Geräte werden jedoch dem Recycling zugeführt – die Schweiz hat 1991 als erstes Land ein Elektronikschrott-Recycling-System eingeführt. An Sammelstellen und im Detailhandel können wir unsere Geräte abgeben; die Recyclingkosten werden beim Kauf des Produktes automatisch erhoben. In den Recyclinganlagen werden die Geräte in Einzelteile zerlegt und/oder geschreddert, um wertvolle Rohstoffe wieder zu gewinnen und neu verwerten zu können.

WEEE Man

 

WEEE Man ist ein Produkt aus diesen Elektro- und Elektronik-Altgeräten. Er ist 7 Meter hoch und wiegt 3,3 Tonnen. Erschaffen wurde er von dem Londoner Designer Paul Bonomini. Derzeit wird er im «Eden Project» in Cornwall ausgestellt. (Bild: weeeman.org)

Doch trotz Recycling belastet unser Lebensstil unsere Umwelt stark, da nie alle Rohstoffe vollständig zurückgewonnen werden können. Bevölkerungszunahme und bessere Lebensqualität erhöhen die Nachfrage nach immer neuen Produkten und entsprechend nach einer grösseren Anzahl von Geräten, die immer schneller weggeworfen wird. Geräte, deren Rohstoffe in nur endlicher Menge vorliegen, und deren energieintensive Produktion und Betrieb das Klima belasten. Damit stossen wir in unserem Lebensraum an Grenzen, die wir ernst nehmen müssen.

In unseren Breiten haben wir den verträglichen Umgang mit Rohstoffen bereits auf recht hohem Niveau geregelt. Entsprechend profitieren wir so vor allem von der grossen Verfügbarkeit modernster Hightech-Geräte. Für viele andere Länder gilt das nicht. Dies betrifft häufig vor allem jene Länder, aus denen wir unsere Rohstoffe beziehen, oder wohin wir unsere abgelegten Produkte verschiffen - sei es direkt als E-Waste oder auch unter dem Deckmantel der Weiterverwendbarkeit vor Ort. In diesen Ländern existiert oft nicht nur ein für die Gesundheit und Umwelt sehr belastender Rohstoffabbau, sondern auch eine unsachgemässe Handhabung der häufig giftigen Abfallprodukte. Internationale Regulierungen konnten hier noch nicht den gewünschten Effekt zeigen. Nutzen und Kosten sind global also bei weitem nicht gleichmässig verteilt.

Unser Umgang mit Ressourcen muss sich daher ändern. Dies bedeutet ein Umdenken unserer Gewohnheiten, eine Änderung beim Abbau von Rohstoffen und bei der Herstellung und Entsorgung unserer Produkten. Statt immer neue Rohstoffe abzubauen und nach Gebrauch zu entsorgen, sollten wir vielmehr Produkte herstellen, welche eine grosse Lebensdauer haben, und welche wir auch tatsächlich so lange wie möglich nutzen und damit in einem Produktekreislauf behalten. Damit wird nicht nur Abfall, sondern auch der Rohstoffverbrauch verlangsamt. Dies reduziert zudem die beim Abbau und Entsorgung anfallenden Kosten.

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Um das zu erreichen, müssen alle zusammenarbeiten - Produzenten, Designer, Ingenieure, Händler, Konsumenten. Der klassische «Reduce, Reuse, Recycle»-Ansatz ist ein erster elementarer Schritt, um unseren Rohstoffverbrauch deutlich zu verringern. Dieser Ansatz wurde in letzter Zeit verstärkt durch ein viertes «R», welches für «Refuse» steht. Dies nimmt darauf Bezug, dass man sich vor dem Kauf eines neuen Produktes überlegt, ob man es tatsächlich braucht, oder ob man darauf verzichten könnte.

Um Wiederverwertung und Recycling möglichst effizient zu gestalten, bedarf es auch einer neuen Art von Produkten. Diese (wieder) qualitativ hochwertig hergestellten Erzeugnisse sollten so konstruiert sein, dass sie

  • lange halten,
  • leicht auseinandergenommen und gut repariert werden können;
  • ergänzt statt ersetzt werden können,

Sollte dies nicht möglich sein, so sollten sie

  • vollständig oder in Komponenten für den gleichen Zweck wiederverwendet werden können;
  • weiterverwendet werden können; oder notfalls
  • recycliert werden.

Ein Umdenken unseres Konsums und Änderung des Produktekreislaufs kann also viel erreichen. Was bedeutet das nun alles für unseren WEEE Man? Müssen wir wie beim Vogel Phoenix noch 1000 Jahre warten, bevor er aus seiner Asche neu, nach Möglichkeit ökologisch verträglicher entsteht? Dazu fehlt wohl die Zeit. Aber seine Erscheinung erinnert mich auch ein wenig an den «Transformer» (siehe Video) meines Neffen, bei dem sich ein «action hero» in einen tollen - hoffentlich energieeffizienten - Sportwagen verwandelt. Es wäre schön, wenn eine solche Umwandlung und Weiterverwertung künftig nicht nur im Kinderzimmer stattfände….

Gute Ideen und Innovationen sind wesentlich, wenn wir etwas an unseren Systemen ändern wollen. Und Kunst kann ein Medium sein, mit dem man auf Herausforderungen aufmerksam machen kann. Bei focusTerra wollen wir über eine Ausstellung auf aktuelle Rohstoffthemen aufmerksam machen. Derzeit bereiten für 2015 eine Sonderausstellung über Bodenschätze vor. Darin wollen wir ihren Weg vom Rohstoff aus der Erde zum Wertstoff in unseren Produkten aufzeigen. Die Ausstellung soll den Besuchenden die Komplexität des Rohstoffkreislaufs veranschaulichen und sie, uns, dazu auffordern, sich mit der Rolle, welche wir im Umgang mit Rohstoffen spielen, auseinanderzusetzen. Denn unsere Beitrag hört nicht am Ladentisch mit dem Kauf eines Produktes auf, sondern dort fängt unsere Verantwortung spätestens an.

Zur Person

Ulrike Kastrup

Ulrike Kastrup leitet seit rund fünf Jahren focusTerra, das erdwissenschaftliche Forschungs- und Informationszentrum der ETH Zürich. Sie studierte an den Universitäten Bonn und Zürich Geologie und promovierte beim Schweizerischen Erdbebendienst im Institut für Geophysik an der ETH Zürich. Anschliessend forschte und arbeitete sie im Bereich des Risikomanagements und der Risikokommunikation bei Naturgefahren an der United Nations University in Bonn, am RMIT in Australien und als Corporate Risk Managerin bei der SBB. Mit den zahlreichen Ausstellungen und Aktivitäten in focusTerra möchten Ulrike Kastrup und ihr Team einem breiten Publikum die Faszination und Schönheit der Geologie und ihre Rolle in unserem Alltag vermitteln.

Weitere Quellen zum Thema

Marta Heisel-Wisniewska vom Future Cities Laboratory in Singapur hat eine ähnliche Thematik in der Kolumne vom 26. März an dem Beispiel Abfall für die Bauindustrie vorgestellt.

Bakker, Conny, den Hollander, Marcel. Six design strategies for longer lasting products in circular economy. Guardian Professional. Online publiziert am 16 Dezember 2013.

Bayerisches Landesamt für Umwelt. Abfallvermeidung mit Wiederverwendung im Überblick. externe SeiteWebsite abgerufen am 7. April 2014.

Hans Bruyninckx, European Environment Agency (EEA). Transitions to a sustainable Europe. Vortrag gehalten in Zagreb am 25. März 2014.

Bundesamt für Umwelt (BAFU). Umweltbericht 2013; II. Zustand der Umwelt, 3. Haushalte und Konsum. externe SeiteOnline publiziert am 8. Juli 2013.

Eden Project. Giant sculpture made of waste. externe SeiteAbgerufen am 7. April. 2014.

Paola Beltrame. Elektroschrott: Die Schweiz als Model. Swissinfo.ch. externe SeitePubliziert am 6. März 2006.

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