Eine letzte Herzensangelegenheit

Kolumnistin Ursula Keller befürwortet die Einführung der «Best Practices for Female Faculty» der American Physical Society als entscheidende Massnahme für eine frauenfreundlichere Führungskultur.

Vergrösserte Ansicht: Balance zwischen den Geschlechtern
Exzellenz in allen Bereichen zu erlangen, ist ein unbestrittenes Ziel der ETH Zürich - Balance zwischen den Geschlechtern ist nicht weniger wichtig. (Photo: iStockphoto.com)

In meiner zweiten Kolumne ging es um ein aktuelles Thema: die Wahl des neuen ETH-Rektors. Die für das Amt nominierte Kandidatin, Professorin Springman, ist Mitbegründerin und Vorstandsmitglied des ETH WPF. Wir gratulieren der designierten Rektorin Sarah Springman zu ihrem Erfolg.In meinen letzten Kolumnen habe ich primär meine persönlichen Erfahrungen als ETH Professorin geschildert. In dieser letzten Kolumne möchte ich aus der Weitwinkelperspektive aufzeigen, was im operativen Bereich und auf Führungsebene in den Departementen geschieht. Dabei stellt sich folgende Frage: Wie können die einzelnen Departemente und die ETH als Institution die Exzellenz in Forschung und Lehre sowie eine ausgewogenere Balance der Geschlechter fördern?

Exzellenz in Forschung und Lehre und im Wissens- und Technologietransfer ist eines der unangefochtenen Hauptziele der ETH. Dank Fokussierung auf die Exzellenz in diesen Bereichen gelingt es der ETH, herausragende Persönlichkeiten als Forschende und Dozierende zu rekrutieren, die ihr Wissen den zukünftigen Führungskräften und Entscheidungsträger in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik vermitteln – ein Motor für innovative Ideen und Impulse der Schweizer Wirtschaft. Genauso wichtig wie die Exzellenz ist auch eine ausgewogene Balance der Geschlechter: Nur so können wir erreichen, dass alle begabten Studierenden und Forschenden und alle innovativen Talente ihren wertvollen, persönlichen Beitrag zur Lösung der komplexen Fragestellungen und Herausforderungen unserer globalisierten Gesellschaft leisten.

Die ETH fördert eine Kultur, die auf Verantwortung und Autonomie beruht. Forschende und Dozierende verfügen über beträchtliche Ressourcen, leiten eigenverantwortlich die einzelnen Forschungsgruppen, sind auf Bildungsebene für die Umsetzung der definierten Studiengänge verantwortlich und engagieren sich auf Führungsebene in ihren jeweiligen Instituten und Departementen sowie für die ETH als Institution. Die Departemente verfügen über eine weitreichende Autonomie, insbesondere in Bezug auf ihre interne Organisation und ihr Ressourcenmanagement. Der geringe Frauenanteil bei den Professuren und die noch geringere Frauenquote auf akademischer Führungsebene wirft jedoch die Frage auf, ob die ETH und ihre Departemente alle ihre Talente und Potentiale wirklich nutzen und fördern – oder eben nicht.

Die American Physical Society (APS) hat ein hervorragendes Werk publiziert, das u.a. eine Liste mit den «DownloadBest Practices for Female Faculty (PDF, 69 KB)» enthält. Dort werden 13 strategische Massnahmen beschrieben, die ein besseres Arbeitsumfeld an den Universitäten schaffen, und zwar sowohl für Männer als auch für Frauen im Professuren-Stab. Diese Strategien basieren auf Transparenz und auf gemeinsam wahrgenommenen Führungsaufgaben. Die strategische Massnahme Nr. 8 der APS lautet: «Auf Führungsebene kann die Transparenz in den einzelnen Departementen verbessert werden, indem klare Prozeduren geschaffen und schriftlich festgehalten werden… und indem Forschende und Dozierende Führungspositionen einnehmen. Frauen bringen Spitzenleistungen in Departementen, die gut geführt sind und die es allen Forschenden und Dozierenden ermöglichen, ihren Teil zum Gesamterfolg beizutragen.»

«Transparenz auf Führungsebene in den Departementen» ist für die ETH besonders wichtig, weil die Dozierenden in den jeweiligen Departementen über beträchtliche Ressourcen verfügen – dies ist einer der grössten Vorzüge, die die ETH ihren Forschenden und Dozierenden bietet. Zusätzlich kann jeder/jede von ihnen diese finanzielle Basis durch die Erschliessung externer Finanzierungsquellen noch aufstocken. Die Kombination von finanziellen Ressourcen interner und externer Herkunft ermöglicht es den Dozierenden und ihren Forschungsteams, sich einigen der grössten Herausforderungen ihres jeweiligen Fachgebiets zu stellen, Lösungen zu entwickeln und zu weltweit anerkannten Fachexperten und Trendsettern zu avancieren. Die finanziellen Ressourcen der ETH sollten intern im Idealfall so verteilt sein, dass Spitzenresultate erzielt werden, die sowohl der Wissenschaft als auch der Gesellschaft zugute kommen. Gleichzeitig sollten diese Resultate auch auf internationaler Ebene die Spitzenleistungen der einzelnen Professorinnen und Professoren aufzeigen und ihren Beitrag zur Forschung und Lehre an der ETH und für die Schweiz reflektieren. Es wäre gewiss keine leichte Aufgabe, Kriterien für die Vergabe der internen finanziellen Ressourcen festzulegen, doch ein transparenter Dialog und eine Evaluation für die Vergabe dieser Ressourcen ist schon ein guter Anfang. Unter Berufung auf meine persönlichen Erfahrungen möchte ich die ETH-Departemente dazu auffordern, den diesbezüglichen Informationsaustausch untereinander zu fördern, damit die Vergabe der finanziellen Ressourcen optimiert wird und die Ziele der ETH als Institution dadurch noch besser umgesetzt werden können.

Die APS empfiehlt auch, dass Forschende und Dozierende vermehrt Führungspositionen einnehmen sollten. Die gemeinsame Führung durch Personen aus Forschung und Lehre trägt zum Gesamterfolg der Institution bei, denn sie fördert das Engagement der Forschenden und Dozierenden und sorgt für eine breiter abgestützte Führungsebene. Dies bestätigt auch die Publikation von DownloadPfeffer and Veiga (PDF, 3.1 MB), 1999 zu Führungsaspekten von Organisationen. Besonders für Frauen in Forschung und Lehre ist dies ein wichtiger Aspekt: Da ihre Quote noch zu gering ist, werden sie leicht überhört und übergangen, wenn man sie nicht proaktiv mit ins Boot holt. Eine direkte und breite Einbindung von Forschenden und Dozierenden in die Führungsebene erhöht auch die Transparenz und bremst das ungehemmte Wachstum des Verwaltungsapparates.

Ich möchte mit diesen Ausführungen die ETH als Institution stärken und ihren Erfolg weiterhin fördern. Erzielt die ETH Erfolge, öffnet sie der Schweiz das Tor zur Welt in vielen Bereichen. Als Studentin durfte ich ein Stipendium der Vereinigten Staaten nutzen, um an der Stanford University zu doktorieren, und damit konnte ich als Professorin an die ETH zurückkehren.

Ich bin der ETH zu grossem Dank verpflichtet: Sie hat das Umfeld geschaffen, damit ich erfolgreich agieren konnte, sowohl als Studentin als auch als Dozentin. Meine eigenen Erfahrungen haben jedoch auch aufgezeigt, dass die ETH noch nicht alle Talente, die hier forschen und arbeiten, wirklich optimal nutzt und einsetzt. Die «Best Practices for Female Faculty» der American Physical Society hätten für mich als junge Dozentin und Forscherin diesbezüglich einen wirklich positiven Unterschied gemacht, und ich möchte an dieser Stelle die ETH nachdrücklich bitten, die 13 APS-Strategien in ihre Gesamtstrategie zu integrieren – als Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche und optimale Führung auf allen Ebenen.

Zur Person

Ursula Keller

Ursula Keller ist seit 1993 an der ETH und seit 2010 Leiterin des nationalen Kompetenzzentrums NCCR MUST («Molecular Ultrafast Science and Technology»). Sie wurde 1959 in Zug geboren. 1984 erhielt sie ihr Diplom an der ETH Zürich und promovierte 1989 an der Stanford University. Sie war zunächst mit ihrem eigenen Forschungslabor an der AT&T Bell Laboratories tätig, bevor sie an die ETH zurückkehrte. Mit ihrer derzeitigen Forschungsgruppe untersucht sie die (Mess)-Grenzen in den ultraschnellen Wissenschaften und in der Lasertechnologie. Ursula Keller erhielt mehrere Preise und hat einen Advanced Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC) erhalten. Derzeit ist sie die amtierende Präsidentin des ETH Women Professors Forums (externe SeiteETH WPF).

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