Unter unseren Füssen

In Ihrer Kolumne geht focusTerra-Leiterin Ulrike Kastrup der Frage nach, wie Geothermie und Fracking zur Energiewende beitragen können.

Vergrösserte Ansicht: Kraftwerk Belchatow in Polen
Oberflächennaher Kohleabbau beim Kraftwerk Belchatow in Polen – bei der Frage, wie fossile Energieträger zu ersetzen sind, spielt der Untergrund eine wesentliche Rolle. (Bild: Istockphoto.com)

Was liegt unter unseren Füssen? Aus meiner Kindheit kenne ich die Braunkohleabbaugebiete bei uns im Rheinland. Während der Kohleabbau immer noch weiter vorangetrieben wird, wird die Frage immer dringender, fossile Energieträger zu ersetzen. Welche Rolle spielt dabei der Untergrund?

Oberflächennahe Erdschichten werden bereits seit der Frühzeit von der Industrie für die Rohstoffgewinnung genutzt: Sei es für den Abbau mineralischer Rohstoffe wie Salze und Metalle, Edelsteine wie Diamanten oder auf der Suche nach fossilen Energieträgern wie Erdgas, Erdöl, Kohle. In allen diesen Fällen wird vor allem etwas aus der Erde herausgenommen.

Es gibt aber auch den umgekehrten Ansatz, dass man im Untergrund etwas lagern möchte, wie zum Beispiel unsere radioaktiven Abfälle oder das Treibhausgas CO2; letzteres mit dem Ziel, dessen weitere Emissionen in die Atmosphäre zu vermeiden.

Nun kommt ein weiterer Typ hinzu, der auch in der Schweiz im Zuge der Klima- und Energiedebatte auch in der Schweiz zunehmend diskutiert wird. Dabei geht es um Technologien, bei denen im weitesten Sinn Wasser in die Erde injiziert wird, um anschliessend Energie aus der Erde zu gewinnen. Zu ihnen zählen die Geothermie und die Erdgasförderung mithilfe von Fracking.

Mit dem Basler Deep Heat Mining-Projekt und dem St. Galler externe SeiteGeothermie-Projekt gab es in der Schweiz bereits zwei grosse, wichtige Pilotprojekte zur Tiefengeothermie («tief» im Vergleich zu den oberflächennahen Wärmepumpen und Erdwärmesonden). Das Projekt in Basel musste aufgrund der Erdbebenaktivität eingestellt werden; in St. Gallen ruht die Arbeit derzeit aus gleichem Grund; zudem wurde aber auch weniger Wasser gefördert als angenommen und es gab einen Gasausbruch.

Weitere Untersuchungen müssen nun zeigen, wie mit Geothermie umzugehen sei, denn Geothermie ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil der Schweizer externe SeiteEnergiestrategie 2050. Mit dieser externe SeiteStrategie will der Bund unter anderem fossile Energieträger und Atomenergie durch die Erschliessung erneuerbarer Energien reduzieren oder ersetzen.

Beim (Hydro-)Fracking («externe Seitehydrologic fracturing») wird eine grosse Menge Wasser vermischt mit Chemikalien und einem Stützmittel (zum Beispiel Sand) in den Untergrund gepresst, um dort gashaltige Tonsteine aufzubrechen und durchlässig zu machen. Durch die Risse kann sogenanntes Schiefergas, das ebenso wie konventionelles Erdgas vor allem aus dem sehr klimawirksamen Methan besteht, ausströmen und gewonnen werden. Schiefergas wird als «unkonventionelles» Erdgas bezeichnet im Gegensatz zum konventionellen Erdgas, welches in einfacher abbaubaren Lagerstätten, so genannten Erdgasfallen, vorkommt.

Fracking wird aufgrund möglicher Risiken politisch wie gesellschaftlich sehr kontrovers diskutiert. Wie bei jeder Technologie können Argumente dafür und dagegen angeführt werden, und es bedarf eines sorgfältigen Abwägens, ob und welche Technik-, Umwelt-oder Gesundheitsrisiken etc. man für welchen Nutzen eingehen möchte.
An dieser Stelle möchte ich aber vor allem auf die generelle Gewinnung fossiler Energieträger inklusive unkonventioneller Erdgase eingehen.

Über unseren Köpfen

Der vor wenigen Wochen veröffentlichte dritte Teil des Berichts des Intergovernmental Panel on Climate Change (externe SeiteIPCC) lässt - nicht unerwartet - keinen Zweifel daran, dass wir den Klimawandel nur dann einigermassen einzuschränken können, wenn wir den Anteil an Treibhausgasen in der Atmosphäre reduzieren und den Verbrauch fossiler Energieträger radikal senken und schliesslich ganz einstellen.

Für mich stellt sich daher die ganz elementare Frage, wie das weltweit vermeintlich massive Energiepotenzial der unkonventionellen Gasfelder die Energiewende unterstützen kann. Oft wir argumentiert, dass Gas Kohle ersetzen kann und, da es deutlich weniger Treibhausgase enthält als Kohle, entsprechend klimafreundlicher sei. In einigen Ländern könnte dies in der Tat einen Vorteil bringen.

Das Beispiel USA zeigt jedoch, dass ein Überschuss an unkonventionellem Gas nicht zwingend zu einer Reduktion des Kohleabbaus führen muss. Stattdessen wird überschüssige Kohle billig exportiert, was ihren Verbrauch noch steigert. Gleichzeitig wird der Anreiz reduziert, Innovationen im Bereich erneuerbarer Energien zu fördern und auf energieeffiziente Produkte und Verkehrs-, Energie,- Wohn- und Lebensmittelsysteme zu setzen.

Das scheinbare Potenzial des unkonventionellen Gases erreicht in diesem Fall genau das Gegenteil. Eine Steuer auf Kohle hätte dessen weltweiten Verbrauch wohl reduzieren können; diese Chance wurde leider nicht genutzt. Die Klimapolitik eines jeden Landes beziehungsweise Abkommen über internationale Klimastrategien spielen also auch eine zentrale Rolle bei der Frage, ob die Förderung von Schiefergas dem Klima schadet oder ihm nützt.

Es ist daher wichtig, sich genau zu überlegen, welche Anreize und Ziele wir uns setzen wollen und müssen, um unseren Weg zu einer kohlenstoffarmen, ressourceneffizienten und widerstandsfähigen Gesellschaft zu gehen. Wir müssen uns also darüber klar werden, wie wir unsere Bodenschätze nutzen wollen, und welche davon wir über unseren Köpfen wiederfinden möchten; nur dann können wir beruhigt in eine klimasichere Zukunft gehen.

Fracking und IPCC-Klimabericht

Am 2. April 2014 fand unter der Leitung des Energy Science Centers der ETH Zürich ein Workshop und eine Podiumsdiskussion zum Thema «Shale Gas & Fracking: State of the Art» statt.

Downloads der Präsentation.

An der Universität Freiburg findet am 12. Mai 2014 von 13:15 bis 17:15 Uhr eine Informationsveranstaltung zum dritten Band des IPCC zum Thema «Mitigation of Climate Change» statt. Dort werden die Hauptergebnisse des Berichtes vorgestellt und diskutiert.

externe SeiteLink zum Forum IPCC.

Zur Person

Ulrike Kastrup

Ulrike Kastrup leitet seit rund fünf Jahren focusTerra, das erdwissenschaftliche Forschungs- und Informationszentrum der ETH Zürich. Sie studierte an den Universitäten Bonn und Zürich Geologie und promovierte beim Schweizerischen Erdbebendienst im Institut für Geophysik an der ETH Zürich. Anschliessend forschte und arbeitete sie im Bereich des Risikomanagements und der Risikokommunikation bei Naturgefahren an der United Nations University in Bonn, am RMIT in Australien und als Corporate Risk Managerin bei der SBB. Mit den zahlreichen Ausstellungen und Aktivitäten in focusTerra möchten Ulrike Kastrup und ihr Team einem breiten Publikum die Faszination und Schönheit der Geologie und ihre Rolle in unserem Alltag vermitteln.

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