Dann kam «es» und der Campus war leer
Zwei Monate lang hat die ETH Zürich im Notbetrieb gearbeitet. In dieser Zeit blieben die allermeisten Gebäude, Hörsäle, Labors und Büros leer. Zwei Fotografen haben im April die ETH besucht und für uns festgehalten, wie ein verwaister Campus aussieht und wer doch vor Ort war.
Wie schnell sich die Welt verändern kann! Noch ist es nicht lange her, da war der Campus Hönggerberg mit über 12’000 Studierenden und Mitarbeitenden so lebendig wie ein Stadtquartier – und auf dem Campus Zentrum gab es Orte wie die Polyterrasse, wo sich Hochschulangehörige gleichermassen sammelten wie die Touristen, die einen Blick auf die Altstadt und die Berge warfen.
Dann kam «es». Und mit dem Coronavirus kam die «ausserordentliche Lage»: Die ETH stellte im März auf «Notbetrieb» um – für fast alle Studierenden, Forschenden und Mitarbeitenden hiess das, ihre Arbeit verlagert sich ins Home-Office. Von einer Woche auf die andere entleerten sich die Gebäude der ETH, und wo zuvor ein reges Kommen und Gehen herrschte, breiteten sich Leere und Stille über dem Campus aus.
Was zuvor bestenfalls in Science-Fiction Filmen oder dystopischen Graphc Novels zu sehen war, wurde auf dem Campus auf einmal Wirklichkeit: Entvölkerte Räume in der Stadt, Strassen und Garagen ohne Autos, Haltestellen ohne Menschen, Restaurants ohne Gäste, Bistro-Kühlschränke ohne Getränke, Fitnessgeräte ohne Sportler, Hörsäle ohne Studierende, Labors ohne Forschende und Büros ohne Angestellte. Was vor der Krise unvorstellbar war, bleibt bis heute kaum fassbar.
Fotos zeigen leeren Campus und ETH-Angehörige
Für jene ETH-Angehörige, die zuhause – und damit fern vom Campus – arbeiteten, haben deshalb zwei selbständige Fotografen, Alessandro Della Bella und Nicola Pitaro, im April im Auftrag der Hochschulkommunikation den Campus Hönggerberg und den Campus Zentrum besucht. Ihre Fotos halten die «ETH im Notbetrieb» für all jene von uns fest, die den Ausnahmezustand nicht selber vor Ort erlebten.
Eine Auswahl dieser Fotos ist nun auf einer eigenen Webseite veröffentlicht – gruppiert nach den fünf Themen «Campus Hönggerberg», «Campus Zentrum», «Lehre und Studierende», «COVID-19-Forschung und Forschungsinfrastruktur» sowie «ETH-Mitarbeitende».
Die Fotos der beiden entleerten Campus vermitteln einen Eindruck, wie es sich anfühlt, wenn selbst an einem wolkenlosen Sonnentag kein Mensch die Polyterrasse besucht, niemand durch die Gänge des ETH-Hauptgebäudes eilt und die Lesesäle der Bibliotheken ebenso verwaist sind wie die Hörsäle und die Studierendenarbeitsplätze in den Foyers.
Das hat seine eigene Wirkung: Auf einmal bemerkt man, welche Schatten das einfallende Sonnenlicht auf die Mauern wirft, wo sonst die Aufmerksamkeit vor allem den Menschen und ihren Gesprächen galt.
Sicht frei für ungewohnte Blickwinkel
Die menschenleeren Plätze geben die Sicht frei für ungewohnte Blickwinkel und die Betrachtung räumlicher Zusammenhänge, die einem verborgen bleiben, wenn viele Dutzend Personen auf dem Campus sind.
Die Bilder zeugen jedoch genauso von der ganzen Tragweite dieses ungewollten Zustands, namentlich dort, wo sich sonst die Menschen sammeln: In den Restaurants und Cafeterias zum Beispiel sind einzelne Zugänge abgesperrt, Stühle stapeln sich auf Tischen, Kühlschränke sind fast völlig ausgeräumt und Kaffee-Tassen in Kunststoffen eingepackt. Kein Betrieb.
Vergleichbar die Stimmung in den Sport Centern: Ungenutzt stehen die Fitnessgeräte an ihrem Platz und Sperrbänder grenzen die Sportanlagen und gewisse Geräte ab.
Der ganze Campus also verlassen? Nicht ganz.
Einige sind vor Ort: An den Schaltern der Campus Info und der ISC Service Center sind Mitarbeitende im Einsatz. Wie die Angestellten der Bibliotheken gewährleisten sie, dass Basisdienstleistungen weiter funktionieren. Hausmeister und Gebäudetechniker achten ebenso darauf, dass die Gebäude keinen Schaden nehmen, wie der Sicherheitsdienst und die Alarmzentrale der SGU Alarmorganisation.
Im Hörsaalgebäude HPH bereiten die Experimentalphysiker eine Vorlesung vor, bei der sie den Studierenden auch zuhause am Bildschirm Experimente vorführen. Und in verschiedenen Labors untersuchen ETH-Forschende, wie man das Coronavirus eindämmen und die Krankheit COVID-19 dereinst unterbinden hemmen oder vielleicht heilen kann.
Auch in Labors wie dem Hochspannungslabor, die im Notbetrieb ausgeschaltet sind, kontrollieren Laborleitende die Apparaturen. Im Student Project House stellen Studierende mit Sonderbewilligung medizinischer Produkte für Spitäler her, darunter so genannte «Face Shields», Gesichtsmasken aus Plexiglas, während andere direkt in einem Spital oder in einer Apotheke aushelfen.
Und nicht zuletzt hält das Reinigungspersonal die ETH-Gebäude in der Zeit der grossen Abwesenheit nicht nur sauber – und zwar bis hinauf zur Kuppel des Hauptgebäudes –, sondern es desinfiziert auch Oberflächen wie Türfallen, damit sich das Virus nicht an der ETH einnisten kann.
So bleibt das Fazit: Die ETH lebt – auch im Notbetrieb. Oder seinetwegen erst Recht? Sei es wie es sei, jedenfalls erfährt, wer sich durch die Bilder klickt, so Manches über unsere Hochschule, das sie oder er noch gar nicht wusste.