«Psychosoziale Faktoren tragen zum Studienerfolg bei»

Im September hat der VSETH einen neuen Präsidenten gewählt. Nachfolger von Thierry Hörmann ist Luca Dahle (23) vom Departement Maschinenbau. Als neuer VSETH-Präsident möchte er gerade in Zeiten der Pandemie auf die psychische Gesundheit von Studierenden aufmerksam machen.

Porträt VSETH-Präsident Luca Dahle
Maschinenbaustudent Luca Dahle ist frischgebackener VSETH-Präsident. (Bild: Nathanael Köhler)

Es war im Frühjahr 2018, als Studierende der ETH Zürich mit Bildern die Zahl 500 auf der Polyterrasse formten. Der Grund: Um diesen Betrag wollte der ETH-Rat die Studiengebühren erhöhen, woraufhin sich ETH-Studierende zu Protesten versammelten. Zuvorderst an der Front: Der 23-jährige Maschinenbaustudent Luca Dahle. Als einer von 400 Protestierenden wollte er sich schon damals für studentische Bedürfnisse stark machen. «Diese politische Aktion war ein Schlüsselmoment. Er hat mir gezeigt: Jeder und jede Einzelne kann etwas bewegen», sagt er.

AMIV als Sprungbrett

Zum Zeitpunkt der Proteste war er noch Mitglied beim AMIV, dem Akademischen Maschinen- und Elektroingenieur-Verein. Nachdem er 2019 als Präsident des AMIV ernannt wurde, führte ein Schritt zum nächsten: Am 21. September dieses Jahres wurde er zum neuen VSETH-Präsidenten gekürt. Ohne die Erfahrung an der Spitze des AMIV hätte er sich allerdings niemals getraut, sich zur Wahl als VSETH-Präsidenten zu stellen. In seinem neuen Amt setzt sich der 23-Jährige nun ein Jahr lang für studentische Anliegen ein. Dafür legt er sein Masterstudium zwei Semester auf Eis.

Frühe Faszination für Politik

Sein Interesse für Politik hat nicht erst mit dem Engagement für den AMIV begonnen. Schon von Kindesbeinen an habe er sich für Politik interessiert, meint Dahle. «Wir haben am Familientisch immer wieder über politische Themen diskutiert. Da habe ich schnell gemerkt, dass auch ich mitreden und mich einbringen will», meint der gebürtige Deutsche. Er findet: In der Politik gehe es nicht nur um das Schicksal des Einzelnen, sondern darum, wie wir als Gesellschaft zusammenleben möchten.

Trotzdem hatte er die Hochschulpolitik zu Beginn des Studiums überhaupt nicht auf dem Schirm. Für ihn hatte dieses Thema damals sogar einen faden Beigeschmack - eine Laufbahn in der «HoPo», wie er die Hochschulpolitik scherzhaft bezeichnet, war nicht angedacht. Jedoch merkte er schnell, dass ihm politische Themen an der ETH grosse Freude bereiteten. Er mochte die Arbeit im Vorstand des AMIV und schätzte den Austausch mit unterschiedlichen Menschen. «Ich hätte nie gedacht, dass Hochschulpolitik so viel Spass bereiten kann», merkt Dahle an.  Er bezeichnet seine Tätigkeit im Studierendenverein sogar als «sein grösstes Hobby». 

Annäherung des VSETH an Fachvereine

«Man wird nicht VSETH-Präsident, wenn man nicht etwas in der Hochschulpolitik bewegen will», meint Dahle. Dabei liegt ihm vor allem die Verbandskultur am Herzen - denn diese steht und fällt mit dem Präsidenten, wie er selbst sagt. Er will ein Umfeld schaffen, in dem Freiwillige gerne mitarbeiten. Jeder soll das Gefühl haben, er könne sich einbringen. Sein Ziel: Den VSETH näher zu den Fachvereinen bringen, weil diese noch näher am Puls der Studierenden sind. Integration und enge Zusammenarbeit lauten hier die Schlüsselwörter.

Die Bedürfnisse und Vorstellungen von 16 ganz unterschiedlichen Departementen unter einen Hut zu bringen, gestaltet sich nicht ganz einfach.  «Für mich als Präsident ist es wichtig zu wissen, was die einzelnen Fachvereine beschäftigt - daher setze ich auf den direkten und persönlichen Austausch. Das kann auch einmal ganz ungezwungen bei einem Feierabendbier sein». Inzwischen hat er bereits einige der Fachvereinspräsidentinnen und -präsidenten persönlich getroffen, um herauszufinden, wo denn der Schuh drückt. Dank seinen Erfahrungen kann er den Fachvereinsblick mit demjenigen des VSETH verknüpfen.

Psychisches Wohlbefinden an erster Stelle  

Dahle ist in einer besonderen Zeit Präsident geworden. Das möchte er nun als Chance nutzen: : «Ich möchte Dinge angehen, die man in anderen Zeiten nicht hätte angehen können. Auch präventiv.» Konkret meint er damit, Themen wie die psychosoziale Gesundheit von Studierenden in den Fokus zu rücken und einen Diskurs zum psychischen Wohlergehen anzuregen. «Psychosoziale Faktoren tragen massgeblich zum Studienerfolg bei.» Er möchte Mittel und Wege finden, den Druck auf die Studierenden zu verringern. Besonders dann, wenn Krisenzeiten wie die jetzige oder Prüfungsphasen anstehen. Stresssituationen hat er am eigenen Leib erfahren, als der Lockdown anstand und er einen Weg finden musste, mit dem Gefühl von Ungewissheit und Isolation umzugehen.

An der ETH zu studieren, einer international anerkannten Eliteuniversität, könne einen enormen Leistungsdruck auf die Studierenden ausüben. Luca Dahle hat während seines Bachelorstudiums realisiert:

«Das Studium ist für mich die beste Zeit meines Lebens, aber erst seitdem ich mich entschieden habe, dass meine Gesundheit und mein Wohlergehen vorangehen.»Luca Dahle, neuer VSETH-Präsident

Die Balance zwischen Studium und Freizeit zu finden, sei die Kunst. Als Präsident des VSETH will er Möglichkeiten aufzeigen, mit Drucksituationen umzugehen und neue Kontakte mit Gleichgesinnten zu knüpfen. Doch gerade in Zeiten der Pandemie sei es schwierig, sich mit Kommilitonen zu verbinden. Es gebe hauptsächlich Online-Vorlesungen und kaum Events, wo man neue Freundschaften knüpfen könne. Gerade deshalb versucht der VSETH, Studierenden corona-konforme Events zu bieten und über ihre psychische Befindlichkeit zu reden. Sein Rat an alle Studierenden: «Haltet das Semester noch bis zum Ende durch, trotz Corona. Es lohnt sich!»

Pandemie als Einflussfaktor für Verbandskultur

Die fehlenden Events wirken sich zusätzlich auf die Verbandskultur aus. Der VSETH-Präsident sieht deshalb das Gemeinschaftsgefühl gefährdet. «Die Gefahr besteht, dass Mitglieder abspringen, weil sie ohne Events nicht mehr im gleichen Ausmass an den Verein gebunden werden können.» Aufgrund der Pandemie hat es der VSETH schwer, seinem eigentlichen Zweck gerecht zu werden – eine Plattform von und für Studierende zu bieten und sie an Veranstaltungen zusammenzubringen.

Trotz der gegenwärtig schwierigen Situation ist Dahle überzeugt: Jeder und jede Einzelne kann etwas zur Hochschulpolitik beitragen. Das fasziniert ihn auch heute noch. «Ich denke gerne an den Moment damals auf der Polyterrasse zurück, wo ich mich als Teil von etwas Grösserem gefühlt habe.» So etwas gebe ihm den Ansporn, sich auch weiterhin für das Wohl der Studierenden einzusetzen.

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