Foresight: Mehr als Magie

Haben Sie sich auch schon gefragt, wie unsere Hochschule, unsere Gesellschaft und generell unsere Welt in 20, 30 oder 40 Jahren aussehen könnten? Wofür man früher eine Kristallkugel brauchte, fällt an der ETH in den Aufgabenbereich des Strategic-Foresight-Teams im Stab Präsident. Ganz ohne hellseherische Kräfte, dafür mit viel Know-how.

Foresight
Bild: Strategic Foresight Hub / ETH Zürich

Es gibt eine Frage, die gleich vorneweg beantwortet werden muss: Was ist Foresight überhaupt? Dies zu erklären, ist gar nicht so einfach. «Foresight is preparing today for the contexts of tomorrow», fasst Chris Luebkeman zusammen. Der gebürtige Amerikaner befasst sich seit rund 20 Jahren mit dem Thema – seit Januar 2020 auch an der ETH, wo er im Stab Präsident den Strategic Foresight Hub und das dazugehörige Team leitet. «Wichtig ist, in diesem Satz den Plural zu beachten», gibt er zu bedenken. «Es geht nicht darum, sich nur eine Zukunft vorzustellen, sondern möglichst viele. In welche Richtungen könnte die Entwicklung gehen? Welche wären ideal? Welche realistisch?»

Was Foresight für die ETH bedeutet

Foresight – auf Deutsch etwa «Blick in die Zukunft» oder «Weitblick» – befasst sich also mit möglichen Zukunftsszenarien. Verschiedene Methoden und Werkzeuge sollen es ermöglichen, sich mit den Ungewissheiten der Zukunft auseinanderzusetzen und so besser zu verstehen, welche Handlungsfelder für einen persönlich, für die eigene Organisation oder für die Gesellschaft bestehen.

Für die ETH ergeben sich daraus z.B. Fragestellungen, wie die Lehre von morgen aussieht, wer in der Zukunft auf welche Art und Weise studieren wird und wie sich die ETH darauf vorbereiten kann. «Unsere wichtigste Mission ist es, mit Foresight dazu beizutragen, dass die ETH auch in 40 Jahren noch zu den besten technischen Hochschulen der Welt zählt und für die Schweizer Gesellschaft und Wirtschaft relevant bleibt», beschreibt Chris Luebkeman den Auftrag ans Foresight-Team. «Hochschulbildung und Grundlagenforschung wandeln sich weltweit. Foresight befähigt uns, möglichst breit darüber nachzudenken, was die Veränderungen für die ETH und ihre Zukunft bedeuten. Und es ermöglicht uns, «the best version of ourselves» zu werden.

Weder Kristallkugeln noch Kaffeesatz

Doch wie geht das Foresight-Team dies an? Auch wenn dieser Eindruck entstehen könnte: Kristallkugeln und Kaffeesatzlesen sind hier nicht involviert. Wenn überhaupt, ist Foresight «more than magic», sagt Luebkeman augenzwinkernd. Zum Einsatz kommen handfeste Werkzeuge und Methoden, wie sie insbesondere aus den Sozialwissenschaften bekannt sind. Dazu zählen u.a. Umfragen, Workshops, das Hinzuziehen von Sekundärliteratur – und die entworfenen Szenarien mit möglichst diversen Personengruppen zu spiegeln.

«Wichtig ist bei der Foresightmethodik und den -workshops insbesondere, dass man sich kognitiver Verzerrungen und bestimmter Verhaltensmuster bewusst ist», erläutert Katarina Hruba, Senior Managerin im Foresight-Team. Ein Beispiel dafür sei «Groupthink» – also der Umstand, in dem man innerhalb einer Gruppe die eigene Meinung der erwarteten Gruppenmeinung anpasst. Dadurch werden dann häufig weniger umfangreiche Diskussionen geführt und suboptimale Entscheidungen getroffen. «Es geht darum, den Leuten andere Perspektiven anzubieten, als jene, die sie bereits kennen. Wir erreichen dies z.B., indem wir in einem Workshop provokativere «Was-wäre-wenn»-Fragen stellen, mit denen man sich sonst nicht befasst. Das Denken «erweitern» – darum geht’s bei Foresight», erklärt Katarina Hruba.

Die Frage nach dem «Warum»

Für Chris Luebkeman steht beim Start eines jeden Projekts etwas ganz anderes im Vordergrund als die Frage nach der Methodik: das Warum. Warum tun wir überhaupt, was wir tun? Was sind unsere Ziele? Und welche Fragen müssen wir beantworten, um unsere Ziele zu erreichen? Darüber Klarheit zu schaffen, sei zu Beginn eines jeden Foresight-Projekts von grösster Wichtigkeit. Je nach Antwort setze sich das Methoden-Set dann anschliessend individuell zusammen.

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Bild: Strategic Foresight Hub / ETH Zürich

Unterstützung für die ETH-Community

Das Hauptziel des Strategic Foresight Hubs ist es, Mitglieder der ETH-Community bei deren Zukunftserkundungen zu unterstützen. Das erreicht der Hub, indem er der ETH Community einen geschützten Raum für explorative Ideen, diverse Foresight-Methoden oder Projektunterstützung anbietet. So sind bereits mehrere Initiativen angelaufen, bei denen die Zukunfts-Expertinnen und -Experten ihr Know-how einbringen. Beispiele sind die Zusammenarbeit des Hubs mit dem Rektorat dazu, wie Lehren und Lernen im Jahr 2040 aussehen könnte, oder ein Projekt mit dem AI Center, bei dem der Fokus nicht auf den neuen Technologien allein liegt, sondern darauf, welchen Einfluss die künstliche Intelligenz auf unser Leben in der Zukunft haben könnte.

«An der ETH haben wir sehr viele gute «Problemlöserinnen und Problemlöser». Doch bei der Suche nach Lösungen fragen sich Forscherinnen und Forscher eher seltener, welche Konsequenzen es hat, wenn sie ein bestimmtes Problem gelöst haben», umschreibt Luebkeman die Situation. «Zu beschreiben, wie unsere Welt anschliessend aussehen könnte und welchen Einfluss die gefundene Lösung auf das gesamte Ökosystem in der Zukunft haben könnte, auch damit befasst sich Foresight.»

Werden Sie ein «Friend of Foresight»

Wer jetzt erfahren möchte, wie sich Foresight bei der eigenen Arbeit einsetzen lässt, bei einem Projekt die Unterstützung des Teams brauchen könnte oder sich generell mit Zukunftsszenarien beschäftigen möchte, läuft beim Foresight-Team offene Türen ein. «Wir sind sehr daran interessiert, uns intern noch besser zu vernetzen, Foresight vorzustellen und bei Fragestellungen verschiedenster Art Unterstützung zu leisten», gibt Team-Leiter Chris Luebkeman an.

Eine gute Möglichkeit, Foresight besser kennen zu lernen und sich mit anderen darüber auszutauschen, wird die Community «Friends of Foresight» an der ETH sein. In dieser multidisziplinären Gruppe sollen neue Perspektiven, langfristige Trends und die Triebkräfte des Wandels aus diversen Blickwinkeln diskutiert und beleuchtet werden. Die Community befindet sich im Aufbau. Beitreten kann man jedoch jetzt schon per E-Mail an .

«Wir freuen uns über alle, die sich bei den «Friends of Foresight» beteiligen oder diese Denkweise auf die eine oder andere Art in ihr laufendes Projekt einbeziehen», sagt Luebkeman. «Sie alle helfen, den «Foresight Muscle» der ETH zu stärken. Denn über die Zukunft nachzudenken, ist ein Muskel, den man trainieren muss. Und das regelmässig und immer wieder.»

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Foresight Wettbewerb
Bild: Niels Blaesi

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