Die Pandemie hat vieles verändert – auch die Art und Weise, wie wissenschaftliche Mitarbeitende miteinander kommunizieren. Der «Zoomisierung» der Austauschmöglichkeiten habe die Vernetzungs- und Integrationsmöglichkeiten erweitert und einen Kulturwandel unterstützt, sagen Rosa Visscher, Linda Wehner, Florentine Veenstra und Konstantinos Voulpiotis von der Mittelbauvereinigung AVETH.
Den Beginn ihrer Präsidentschaft hatte sich Rosa anders vorgestellt. Nur einen Tag, nachdem sie Präsidentin der AVETH geworden war, verschärfte der Bundesrat im März 2020 die Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus und schon in der Woche darauf erklärte er die «ausserordentliche Lage». Auch an der ETH blieben die Gebäude geschlossen und der Campus verwaist. Die Pandemie hat vieles verändert, auch im akademischen Mittelbau, den Senior Scientists, den Postdoktorierenden und den Doktorierenden, deren Anliegen die AVETH vertritt. Immerhin macht das wissenschaftliche Personal 64 Prozent des gesamten ETH-Personals aus (FTE, 31.12.2020).
«Die ersten drei Monate nach dem Shutdown waren für uns überwiegend Krisenbewältigung», erinnert sich Rosa, «als die standardmässige wissenschaftliche Arbeit plötzlich eingestellt wurde, wollten wir als AVETH vermeiden, dass sich die wissenschaftlichen Mitarbeitenden verloren oder ausgegrenzt fühlten.» Die digitalen Kommunikationskanäle ermöglichten es AVETH, mit dem wissenschaftlichen Personal aus verschiedenen Abteilungen in Kontakt zu treten, Informationen zu sammeln und Missverständnisse zu klären. Als sehr hilfreich empfand Rosa zudem die Orientierung durch die neu eingeführten «Intern aktuell»-Newsletter und die Townhalls der ETH-Schulleitung, bei denen die ETH-Mitarbeiter nicht nur Fragen stellen, sondern auch die wichtigsten Antworten jederzeit online nachlesen konnten.
Auch jetzt, da es bei den Themen der Townhalls nicht mehr nur um COVID geht, sondern um Fitness und Wohlbefinden in herausfordernden Zeiten, begrüssen Rosa und weitere AVETH-Vertreter dieses Format der ETH-weiten internen Orientierung und Diskussion.
Ein Schub für Kommunikation und Vernetzung
Im Rückblick stellt Rosa fest, dass die Veränderungen im letzten Jahr durchaus Entwicklungen ermöglicht haben, die sich förderlich auf die departementsübergreifende Zusammenarbeit und Vernetzung im wissenschaftlichen Personal ausgewirkt haben. Dies war ein positives Ende einer chaotischen Amtszeit als Präsidentin und ein guter Moment, um die Aufgaben und die Verantwortung, die mit dem Amt einer AVETH-Präsidentin einhergehen, zu übergeben. Seither hat Florentine hat die AVETH-Präsidentschaft im März 2021 übernommen, da Rosa sich auf ihre Doktorarbeit konzentriert – diese befasst sich mit Modellen des maschinellen Lernens zur Behandlung kindlicher Bewegungsstörungen. Florentine ihrerseits ist Chemieingenieurin in der Catalysis Engineering Group. Sie erforscht die Herstellung von Kraftstoffen und Chemikalien aus Molekülen, die wie CO2 und N2 im Überfluss vorhanden sind, um ein nachhaltiges System zu ermöglichen, das durch erneuerbare Energien angetrieben wird. Seit drei Jahren ist sie Mitglied im Counselling Team der AVETH, das wissenschaftliche Mitarbeitende in schwierigen Situationen berät und unterstützt. Sie kennt die Situation und weiss, wie man helfen kann.
Ein Schwerpunkt, den die AVETH, die eine von Freiwilligen geführte Organisation ist, seit Jahren verfolgt, ist, den Mittelbau stärker zu vernetzen. Menschen über virtuelle Plattformen miteinander zusammenzubringen, hat die Art der Vernetzung verändert und eröffnet neue Möglichkeiten: «Dass wir heute einfach digital zusammenarbeiten und uns viel leichter mit Forschenden aus anderen Departementen austauschen können, ist für uns definitiv ein positiver Nebeneffekt der Pandemie», sagt Florentine. So habe das Veranstaltungsteam der AVETH rasch kreative Ansätze für virtuelle Veranstaltungen gefunden. Diese virtuellen Treffen hätten es möglich gemacht, dass sich auch jene Forschenden im Mittelbau stärker einbezogen fühlten, deren Arbeitsort weder im ETH-Hauptgebäude noch auf dem Campus Zentrum noch auf dem Campus Hönggerberg befinde. Auch der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen der EPFL, der WSL, der Empa und der Eawag habe sich verbessert. Die AVETH werde diese Möglichkeit der virtuellen Kommunikation beibehalten, um bei der Rückkehr in die Normalität mehr Leute zu integrieren, ergänzt Florentine.
Wandel in Forschung und Kultur
Rosa stimmt mit Florentine überein: «In der Vergangenheit blieben wir in unseren Forschungsgruppen oder in unserem Büro und sahen die Kollegen von anderen ETH-Standorten nicht wirklich. Das beginnt sich jetzt zu ändern. Mit Initiativen wie der ‹LunchLottery› fangen wir an, mehr miteinander zu reden und nicht nur mit unseren Kolleginnen und Kollegen.» Nicht nur unter den Forschenden des Mittelbaus, sondern generell werde es an der ETH allmählich einfacher, mit den verschiedenen Stufen und Organisationseinheiten zu kommunizieren. Es zeichne sich ein echter Kulturwandel ab, der sich auch im ETH-weiten rETHink-Projekt widerspiegele, sagt sie.
Konstantinos vertritt die AVETH in rETHink, wenn es um die Weiterentwicklung der ETH-Kultur geht. Zusammen mit Florentine ist er Vize-Präsident der AVETH geworden – als Nachfolger von Linda, Doktorandin der Materialwissenschaft. Er bemerkt: «Wir erleben derzeit starke Veränderungen in der Welt der Forschung: Obwohl wir immer um die Bedeutung von Kooperationen wussten, erinnern uns anspruchsvolle, neue Forschungsprojekte daran, dass es nie wichtiger war, unsere eigene Blase zu verlassen.»
Verglichen mit der «eigentlichen Arbeit» möge es ein wenig trivial erscheinen, sich die Zeit zu nehmen, um über Kultur und Kommunikation zu sprechen, sagt er, «aber diese Faktoren können einen erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität am Arbeitsplatz haben, indem sie ein positives Umfeld schaffen, um Menschen zusammenzubringen, Ideen auszutauschen und sich der allgemeinen Ausrichtung der Forschung bewusst zu werden. Sich mit einer Kultur zu identifizieren und sich zu vernetzen, ist ein wesentlicher Bestandteil jedes Berufs: Selbst wenn ich der Beste der Welt bin, bin ich als Einzelner nicht vollkommen, sondern stark auf Kooperationen angewiesen.» Konstantinos ist Bauingenieur und hatte eigentlich schon in der Privatwirtschaft gearbeitet, als ihn Andrea Frangi, Professor für Holzbau, überzeugte, an der ETH zu promovieren. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit dem Entwurf von Hochhäusern aus Holz.
Ein weiteres Thema, das in letzter Zeit in der AVETH stark an Bedeutung gewonnen hat, ist Diversität. Für Rosa ist Diversität «kein abstrakter Begriff, sondern es geht darum, dass wir unterrepräsentierte oder marginalisierte Gruppen an der ETH einbeziehen und respektieren.» Um diesem Anliegen Ausdruck zu verleihen, hat die AVETH zusammen mit Equal! den «AVETH Diversity Award» lanciert, der im Mai zum ersten Mal verliehen worden ist.
Mit Blick auf die Zukunft fasst Florentine zusammen: «Wir sind und bleiben eine Organisation von Freiwilligen, die das gemeinsame Ziel teilen, die ETH zu einem besseren Ort zum Lernen, Lehren und Forschen zu machen – und diesen Weg beschreiten wir völlig losgelöst von der Pandemie.»
Weitere Informationen
chevron_right AVETH - Akademische Vereinigung des Mittelbaus an der ETH ZürichVerwandte Artikel
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