Unsere Verantwortung für eine nachhaltige Zukunft
Die ETH Zürich will und soll ihre Aufgaben für Forschung, Lehre und den Campus-Betrieb möglichst im Einklang mit einer nachhaltigen Entwicklung erfüllen. Dies in die Praxis umzusetzen, ist in mancher Hinsicht eine Herausforderung, wie unser neuer Nachhaltigkeitsbericht zeigt. Doch wir haben auch einiges erreicht. Eine Bestandsaufnahme.
Anfang Jahr trat das neue schweizerische Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetz [1] in Kraft. Seither steht fest: Universitäten müssen über ein «Qualitätssicherungssystem» verfügen, um zu gewährleisten, dass sie ihre Aufgaben im «Einklang mit einer wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung» erfüllen. Was aber konkret bedeutet «Nachhaltigkeit» im akademischen Umfeld? Wie sollen wir als Hochschule dieses normative Konzept umsetzen, um wirtschaftliche, soziale und ökologische Ziele möglichst gleichermassen zu erreichen? Was sollen wir von unseren Studierenden, Mitarbeitenden und Forschenden fordern – und was für deren Wohlbefinden und Chancengleichheit tun?
Aktueller Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht
In ihrem heute veröffentlichten Nachhaltigkeitsbericht für die Jahre 2013 und 2014 stellt sich die ETH Zürich diesen Fragen. Anhand 64 konkreter Ziele in den Bereichen Forschung, Lehre, Dialog mit der Gesellschaft, Menschen an der ETH und Campus erläutern wir, wie unsere Hochschule während der letzten beiden Jahre das Prinzip der Nachhaltigkeit in ihr Kerngeschäft integrierte. Neben vielen positiven Ergebnissen zeigt der Bericht aber auch Grenzen und handfeste Zielkonflikte auf.
Unser wichtigster Beitrag
Den wichtigsten Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaft leistet eine Hochschule durch die Ausbildung ihre Studierenden. An der ETH Zürich sind mehr als 18‘500 junge Menschen aus über 110 Ländern eingeschrieben. Viele von ihnen werden später in führenden Positionen tätig sein und das wirtschaftliche, soziale und ökologische Geschick unserer Gesellschaft prägen. Deshalb ist es wichtig, unseren Studierenden eine hervorragende technische oder naturwissenschaftliche Ausbildung zu bieten – ihnen aber gleichzeitig auch zu ermöglichen, sich bereits während des Studiums in interdisziplinären Teams kritisch mit den grossen und komplexen Fragen unserer Zeit auseinanderzusetzen. Eines der erfreulichen Ergebnisse zeigt, dass 94 Prozent aller ETH-Studierenden innerhalb eines Jahres nach ihrem Abschluss eine Anstellung fanden. 92 Prozent der Masterstudierenden und 72 Prozent aller Doktorierenden bleiben dabei im Schweizer Arbeitsmarkt.
Ein weniger erfreuliches Ergebnis illustriert, dass spezifische Veranstaltungen im Bereich Nachhaltigkeit, wie beispielsweise die eigens entwickelten Sommer- oder Winterschulprogramme, nur von einer relativ kleinen Anzahl Studierenden besucht werden können. In Zukunft wollen wir daher noch mehr Studierende für gesellschaftsrelevante Themen sensibilisieren und hierfür auch neue Lehr- und Lernformate bereitstellen. Der erst kürzlich entwickelte Master of Science Technology and Policy oder die im Herbst erstmals stattfindende ETH Woche sind wichtige Schritte in diese Richtung.
Forschung zum Erhalt natürlicher Ressourcen
Auch in der Forschung sind wir angesichts der grossen gesellschaftlichen Herausforderungen darauf angewiesen, dass kritisch denkende Menschen offen und international zusammenarbeiten. Hochschulen spielen bei Themen wie Klimawandel, Energieversorgung oder Welternährung eine zentrale Rolle: Fundiertes Systemverständnis ist essentiell, um politische oder wirtschaftliche Entscheidungen auf einer objektiven Faktenbasis treffen zu können. Hochschulen tragen des Weiteren zur nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaft bei, indem sie Innovationen hervorbringen und Wissen in die Privatwirtschaft transferieren. Der ETH-Nachhaltigkeitsbericht wird diesem Aspekt anhand von 13 Zielen gerecht: Sie umfassen unter anderem allgemeine Qualitätsanforderungen an die Forschung, ethische Standards für internationale Forschungskooperationen oder Ziele für den Technologietransfer.
Wie Grundlagenforschung, Innovation und gesellschaftlicher Dialog erfolgreich Hand in Hand gehen können, illustriert der Bericht am Beispiel der Gemeinde Zernez im Engadin. Zernez setzte sich zum Ziel, den Energiebedarf ihrer Gebäude bis zum Jahr 2020 ausschliesslich aus erneuerbaren Quellen zu decken und die CO2-Bilanz im Gebäudesektor auf null zu senken. Damit trat die Gemeinde an die ETH Zürich heran, um im Rahmen eines gemeinsamen Projekts zu prüfen, wie Zernez seine Energievision umsetzen kann.
Zielkonflikte offenlegen
Gerade unsere erfolgreichen Forschungsaktivitäten führen aber auch zu handfesten Zielkonflikten mit den Prinzipien der Nachhaltigkeit: Technische und naturwissenschaftliche Forschung ist material- und energieintensiv. Um beispielsweise neue Klimamodelle zu entwickeln, die aussagekräftige Prognosen für die Gesellschaft erlauben, setzen die Klimaforschenden immer grössere und energieintensivere Rechnersysteme ein.
Dennoch – und trotz solcher Zielkonflikte – versucht die ETH ihren Energieverbrauch stetig zu optimieren. Unsere Hochschule ist in den letzten Jahren stark gewachsen und hat neue Gebäude und Labors bezogen. Deshalb konnten wir den Gesamtenergiebedarf nur unwesentlich senken. Es ist uns aber gelungen, den spezifischen flächen- und personenbezogen Energieverbrauch im letzten Jahrzehnt signifikant zu reduzieren: Gegenüber dem Höchstwert aus dem Jahr 2004 sank der spezifische Energieverbrauch bezogen auf die genutzte Fläche um 27 Prozent auf 227 kWh/m2 und in Bezug auf die Anzahl Studierender und Angestellter um 40 Prozent auf 8,2 MWh/FTE (wobei FTE für Vollzeitäquivalent steht). Möglich machten das generell eine effizientere Technik und ein deutlich gesenkter Flächenbedarf pro Kopf. Das zeigt, dass die ETH Zürich ihre Räumlichkeiten immer effizienter nutzt.
Handlungsbedarf beim Carbon Footprint
Ein ungelöster und wesentlich grösserer Zielkonflikt besteht bei beim CO2-Fussabdruck der ETH. Die Treibhausgasemissionen, die durch Forschung, Lehre und Betrieb verursacht wurden, stiegen in den letzten Jahren stetig an: Von jährlich rund 25‘000 t CO2 eq (Äquivalente) im Jahr 2010 auf 27‘000 t CO2 eq im Jahr 2014. Der mit fast 18‘000 t CO2 eq bei weitem grösste Anteil entfällt auf Flugreisen (85% Prozent davon auf Interkontinentalflüge, vor allem in die USA und nach Singapur). Hier steht die ETH Zürich, ähnlich wie viele andere international vernetzte Hochschulen, vor einem Dilemma: Wir sind überzeugt, dass der persönliche und internationale Austausch unserer Forschenden entscheidend für den Erfolg ist. Ob deshalb unsere CO2-Emissionen in einem solchen Mass ansteigen müssen, ist dennoch fraglich. Im Moment bleibt uns lediglich, diesen Zielkonflikt ehrlich aufzuzeigen, an die Eigenverantwortung der Forschenden zu appellieren und neueste Videotechnologie bereitzustellen. Und natürlich werden wir den CO2-Ausstoss unseres Campus weiter reduzieren. Ein mögliches Beispiel, wie dies im Bereich einer klimafreundlichen Ernährung aussehen könnte, illustriert der neue Bericht ebenfalls – und gibt damit Anlass zur Hoffnung.
Kritischer Dialog erwünscht
Mit dem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht will die ETH Zürich eine kritische Debatte über die Rolle der Hochschulen und deren Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung anregen. Dafür haben wir auch erstmals unsere wichtigsten internen und externen Interessensgruppen eingeladen, am Bericht mitzuwirken, zur Nachhaltigkeitsverantwortung der ETH Stellung zu nehmen und mit uns gemeinsam die im Bericht vorgestellten Themen auszuwählen und zu gewichten. Auch über Ihr kritisches Feedback würden wir uns freuen. Den vollständigen Bericht finden sie hier.
Weiterführende Informationen
[1] Das Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetz (externe Seite HFKG)