Wildbienen haben viel zu bieten

Das unheimliche Phänomen des weltweiten Honigbienensterbens alarmiert. Auch die Schweiz blieb davon nicht verschont: 2012 haben fast 50 Prozent der Bienenvölker den Winter nicht überlebt. Einheimische Wildbienen können derweil helfen, Bestäubungsengpässe zu überbrücken.

Enlarged view: Rote Mauerbiene Osmia bicornis
Rote Mauerbiene Osmia bicornis. (Foto: Nicolas Vereecken)

«Wenn die Bienen aussterben, dann stirbt vier Jahre später auch die Menschheit aus», soll Albert Einstein einst gesagt haben. Rund ein Drittel unserer Nahrungsmittel kann nämlich nur produziert werden, wenn eine Bestäubung durch blütenbesuchende Insekten stattgefunden hat. Einigen Obstbauern macht das Bienensterben schon jetzt zu schaffen, da ihre Bäume nicht ausreichend bestäubt werden – besonders wenn auch noch Wetterkapriolen hinzukommen. Solche Bestäubungsengpässe werden zum Teil durch importierte Hummelvölker überbrückt. Dies ist jedoch in ökologischer und ethischer Hinsicht fragwürdig, da die Hummeln via Paketpost lebend über weite Strecken transportiert und nach ihrem Einsatz jeweils entsorgt werden müssen. Denn die zum Teil aus fernen Ländern stammenden Hummeln dürfen sich genetisch auf keinen Fall mit den in der Schweiz heimischen und an die hiesigen klimatischen Bedingungen angepassten Hummeln vermischen.

Mauerbienen bestäuben besser und schneller

Enlarged view: Gehörnte Mauerbiene an Blüte
Sehr effizienter Bestäuber: die Gehörnte Mauerbiene Osmia cornuta. (Foto: Nicolas Vereecken)

Eine nachhaltige und effiziente Alternative zu importierten Hummeln bieten einheimische Wildbienen. Über 600 Arten bevölkern die Schweiz, wobei fast die Hälfte auf der Roten Liste der gefährdeten Arten steht. Zu den häufigeren Arten gehören die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) und die Rote Mauerbiene (Osmia bicornis), die sich beide hervorragend zur Bestäubung von Kern- und Steinobst eignen.

Dies deshalb, weil die Bestäubungsleistung einer Mauerbiene diejenige einer Honigbiene um das 80- bis 300-fache übersteigt. Zudem fliegen die absolut friedfertigen Tiere im Gegensatz zu vielen Artgenossen auch bei tieferen Temperaturen und bedecktem Himmel. Ihre hohe Bestäubungsleistung erreichen die Mauerbienen unter anderem dadurch, dass sie den Pollen trocken in einer Bauchbürste transportieren. Fliegen sie eine Blüte an, bleibt der trockene Pollen leicht am klebrigen Blütenstempel hängen. Honigbienen hingegen sammeln den Blütenstaub in sogenannten «Pollen-Körbchen» an der Aussenseite der Hinterbeine. Dabei feuchten sie den Pollen mit Nektar an, um grössere Mengen transportieren zu können. Als Bestandteil dieser klebrigen Masse wird der Pollen dadurch kaum auf den Blütenstempel übertragen.

Solitär und standortstreu

Enlarged view: Mauerbiene an Nest
Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) an Nistöffnung. (Foto: Nicolas Vereecken)

Honigbienen organisieren sich in Staaten mit strenger Arbeitsteilung, wobei nur bestimmte Individuen Pollen sammeln. Mauerbienen leben hingegen solitär. Sie produzieren weder Honig noch haben sie eine Königin. Zum Vorteil der Obstbauern fliegt jedes einzelne Weibchen Blüten an, und dies auch noch in höherer Frequenz als Honigbienen. Eine weitere Eigenschaft der Mauerbienen ist, dass sie Obstblüten gegenüber anderen Massentrachten wie Löwenzahn, Raps oder Hahnenfuss stark bevorzugen. Sie sammeln den Pollen ausserdem in der Nähe ihres Nestes und fliegen kaum in benachbarte Obstplantagen ein. Damit ist die Gefahr, dass Mauerbienen Pflanzenkrankheiten wie Feuerbrand verbreiten, äusserst gering.

Dank dieser Eigenschaften setzen Obstbauern in den USA und in Japan seit Jahrzehnten erfolgreich heimische Mauerbienenarten als Bestäuber ein. Das ETH Spin Off «Wildbiene + Partner» (www.wildbiene-und-partner.ch) hat es sich zum Ziel gesetzt, den Einsatz von Wildbienen auch in der Schweizer Landwirtschaft zu verwirklichen. Die Zucht der dafür benötigten Mauerbienen koordiniert die Firma zusammen mit ihren Partnern – der Schweizer Bevölkerung. So kann jeder einen wichtigen Beitrag zur Lösung der Bestäubungskriese leisten.

 

Dieser Beitrag wurde von Claudio Sedivy gemeinsam mit Anna-Katharina Ehlert geschrieben.

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