Eine systemische Sicht auf die Mobilitätszukunft

Das Schweizer Kompetenzzentrum «Efficient Mobility» untersucht Wege hin zu einer nachhaltigen Mobilität der Zukunft. Erfolgreich kann die Transformation nur sein, wenn Verkehrssysteme als Ganzes betrachtet werden. 

Enlarged view: Kreisverkehr bei Nacht
Um unsere zukünftige Mobilität nachhaltiger zu gestalten, ist es notwendig, Verkehrssysteme als Ganzes zu betrachten. (Foto: senscience / flickr)

Das weltweite Verkehrssystem wird in Zukunft einen wachsenden Anteil am globalen Ausstoss des klimawirksamen CO2 beisteuern. Zudem verbraucht es in seiner jetzigen Form endliche fossile Energieträger. Daraus ergibt sich zwingend, dass wir unsere Mobilität umgestalten müssen, um sie klimakompatibel und unabhängig von endlichen Energiequellen zu machen. Mit der Erforschung und Entwicklung möglicher Transformationspfade hin zu diesem Ziel befasst sich das Schweizerische Kompetenzzentrum für Energieforschung (SSCER) «Effiziente Mobilität»[i]. Dabei ist zentral: Eine solche Transformation kann nur dann gelingen, wenn die Mobilität von Personen und der Transport von Gütern als Gesamtsystem betrachtet, als solches verstanden und anschliessend zielgerichtet beeinflusst werden kann. Die strategische Ausrichtung des SCCER «Effiziente Mobilität» orientiert sich deswegen an einem Satz von Eingriffen ins System, welche sowohl die Nachfrage- als auch die Angebotsseite umfassen.

Das System aus allen Blickwinkeln betrachten

Wir beachten dabei jeweils die gesamte Prozesskette, ausgehend von den nachgefragten Verkehrsdienstleistungen über die Verkehrs- und Fahrzeugsysteme bis zu den für jede Antriebstechnologie möglichen Energieträgern. Letztere bestimmen schliesslich den Primärenergieumsatz und den CO2-Ausstoss des Verkehrssystems. Die für die Infrastruktur und die einzelnen Komponenten der Antriebs- und Fahrzeugsysteme erforderlichen Materialströme sollen zusätzlich durch eine sorgfältige Lebenszyklusanalyse (auch als Ökobilanz bekannt) in die Bewertung eingehen.

Eine solche ganzheitliche Betrachtung kann eine grosse Anzahl von Hebeln identifizieren, mit denen sich die Entwicklung des Verkehrssystems in die gewünschte Richtung lenken lässt. Einzelne Eingriffe beeinflussen jedoch andere Stellschrauben im System, deswegen ist es unabdingbar, die Dynamik der internen Wechselbeziehungen zu verstehen.

Jeder Verkehrssektor – Personen- und Güterverkehr – hat ausserdem seine Eigenheiten, sodass einzelne Interventionen (ob Policy-Massnahmen oder technologische Durchbrüche) unterschiedlich wirksam sind. Zudem wächst der Güterverkehr auf der Strasse schneller als der motorisierte Individualverkehr von Personen; letzterer ist aber, wie untenstehende Tabelle 1 zeigt, wesentlich ineffizienter, so dass ich hier beispielhaft auf die Transformation desselben in Richtung Nachhaltigkeit eingehen möchte.

Tabelle 1: Vergleichende Kosten und CO2-Ausstoss pro Kilometer und Tonne «Nutzlast» beim Güterverkehr auf der Strasse (schwere Nutzfahrzeuge) und beim motorisierten Individualverkehr (eigene Berechnungen)

Den Personenverkehr effizienter gestalten

Um auf der Nachfrageseite anzusetzen, zielen wir unter anderem darauf, die Fahrtdistanzen und -frequenzen an sich zu reduzieren, die Fahrzeugbelegung zu erhöhen und einen Teil des Verkehrs auf den öffentlichen Verkehr zu verlagern. Beispielsweise lässt sich über Preisgestaltung, geeignete Arbeitszeitmodelle zum Abbau von Pendelspitzen, eine entsprechend gestaltete Siedlungspolitik, sowie geeignete Informations- und Kommunikationsmittel der Personenverkehr effizienter gestalten. Dem entgegen stehen jedoch zum Beispiel die erforderlichen sehr hohen Investitionen in die Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs, die längeren Fahr- und Umsteigezeiten desselben, sowie die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft und dadurch steigende Komfortbedürfnisse. Hinzu kommt, dass raumplanerische Massnahmen nur über lange Zeiträume ihre Wirkung zeigen.

Aber auch die Anbieterseite – also die Fahrzeughersteller, Verkehrsdienstleister etc. – kann ihren Beitrag zu einem nachhaltigeren Personenverkehr leisten. Wichtige Hebelwirkungen sind hier der Einsatz von leichteren Fahrzeugen und die Nutzung hocheffizienter beziehungsweise emissionsarmer Antriebe (Erdgasmotoren, Hybridantriebe). Forschung an und Entwicklung von neuen Technologien unterstützen den Wandel hin zu einem nachhaltigeren Personenverkehr. Dagegen arbeiten aber mehrere Faktoren, wie zum Beispiel der «flat-rate»-Charakter der Motorfahrzeugsteuer und der Versicherungsprämien, die Margenstruktur der Automobilindustrie, die Orientierung vieler Kunden an Prestigeautos als Indikator von Sozialstatus usw.

Fokus auf die wesentlichen Möglichkeiten

Wo immer man hinschaut, gibt es also Zielkonflikte und Wechselwirkungen: Deren Auflistung bedeutet nicht, dass die zwingend erforderliche Transformation des Verkehrssystems «ad-acta» gelegt werden muss. Im Gegenteil, sie dient dazu, einerseits verbreitete Rezepte einem «Realitätscheck» zu unterziehen und andererseits die Aufmerksamkeit von Forschung und Politik auf die wesentlichen Interventionsmöglichkeiten zu lenken.

Um einen Beitrag in diese Richtung zu leisten, hat das SCCER «Efficient Mobility» kürzlich das «Strategic Guidance» Projekt lanciert. Dieses erfasst Bereiche mit hoher Hebelwirkung innerhalb des bestehenden Forschungsprogramms, überprüft einzelne Projektergebnisse im Rahmen einer Gesamt-Roadmap, identifiziert kritische Wissenslücken, um sie zu schliessen, und bündelt Ergebnisse und Erkenntnisse für einen umfassenden Austausch mit nationalen und internationalen Partnern aus Forschung, Industrie und Verkehrsdienstleistungsunternehmen.

Weiterführende Informationen

[i] Das im Jahr 2014 gegründete SCCER «Effiziente Mobilität» steht unter der Leitung der ETH Zürich und umfasst zurzeit mehr als 20 akademische Forschungsgruppen und ebenso viele Industriepartner. external page www.sccer-mobility.ch

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