«Klimapause» als kommunikative Knacknuss
Seit rund 15 Jahren wird es auf der Erde kaum wärmer – trotz steigender CO2-Emissionen. Dieser so genannte Temperatur-Hiatus kommt für uns Klimaforschende wenig überraschend, und er lässt sich wissenschaftlich auch gut erklären. Für die breite Klimakommunikation ist die «Klimapause» jedoch eine echte Herausforderung.
In den letzten anderthalb Dekaden hat sich die globale Mitteltemperatur nicht mehr wesentlich erhöht. Stattdessen ist sie auf dem hohen Niveau, das sie Ende der 90er Jahre erreicht hat, «stecken geblieben». Und das obwohl die atmosphärische CO2-Konzentration im gleichen Zeitraum um rund 8 Prozent auf fast 400 ppm (parts per million) zugenommen hat.
Normales Klimaphänomen
Von der wissenschaftlichen Perspektive aus ist der Temperatur-Hiatus keine Überraschung. Denn niemand hat erwartet, dass sich die Erdtemperatur im genauen Gleichschritt mit der steigenden atmosphärischen CO2-Konzentration entwickeln wird. Hingegen entspricht es genau den Erwartungen, dass die langfristige Erwärmung, welche die zunehmenden Treibhausgase bewirken, stark von natürlichen Schwankungen überlagert wird (siehe dazu mein Blogbeitrag «El Niño, la Niña und das globale Klima»). Das bedeutet schlicht, dass es normal ist, wenn Phasen der Stagnation oder sogar Abkühlung den langfristigen Erwärmungstrend unterbrechen. Man kann das im Temperaturverlauf seit 1850 regelmässig beobachten. Und auch die Ursachen des aktuellen Temperatur-Hiatus sind wissenschaftlich gut verstanden, wenn auch noch nicht bis aufs Letzte quantifiziert (siehe dazu den Beitrag in ETH-News «Warum die Klimaerwärmung Pause macht»).
Harter Brocken für die Klimakommunikation
Aus kommunikativer Perspektive ist der Hiatus hingegen eine riesige Herausforderung. Es ist tatsächlich ziemlich schwierig allgemein verständlich darzulegen, warum uns die Zeit für das Zwei-Grad-Ziel davonläuft, während die globale Temperatur seit Jahren stagniert. Viele unserer Erklärungen und Argumente scheinen ungehört zu verhallen, wie zum Beispiel, dass die Erwärmung des Gesamtsystems Erde keineswegs stagniert, weil sich nämlich die Ozeane durchaus weiter erwärmt haben [1]. Oder dass die Temperaturextreme zugenommen haben [2], obwohl der Mittelwert konstant war.
Aufwind für Skeptiker
In einem kürzlich erschienenen Kommentar in Nature [3] forderten zwei namhafte Wissenschaftler, dass man das Zwei-Grad-Ziel abschaffen sollte, da – wie die Erwärmungspause ja zeigt – der Zusammenhang zwischen CO2-Emissionen und globaler Erwärmung ja sowieso nicht genau eruierbar sei. Stattdessen warben sie für alternative Messgrössen, wie zum Beispiel die Erwärmung der Ozeane. Man kann durchaus fragen, ob das Zwei-Grad Ziel das beste Ziel sei, aber in der jetzigen Situation ist diese Kritik natürlich ein gefundenes Fressen für all diejenigen, denen ohnehin jede Begründung recht ist, um den menschgemachten Klimawandel in Frage zu stellen. Ihnen dient der scheinbar fehlende Zusammenhang zwischen CO2-Anstieg und Erderwärmung als Standard-Argument, um das Verständnis der breiten Bevölkerung für den Klimawandel zu unterwandern. Sie vergessen dabei aber, dass es nicht um kurzfristige Klimaschwankungen, sondern um den langfristigen Klimawandel geht. Heute, wo die Wissenschaft die Frage des menschgemachten Klimawandels praktisch geklärt hat [4] und nun darauf fokussiert, wie wir das Zwei-Grad-Ziel erreichen können, und was der Beitrag der verschiedenen Länder und Sektoren sein soll, würde ein schwindender Rückhalt in der Bevölkerung für Klimaschutzmassnahmen wertvolle Zeit rauben. Denn die wissenschaftlichen Fakten sind klar: Wir müssen jetzt beginnen, unsere CO2-Emissionen nachhaltig zu reduzieren, wenn wir das Zwei-Grad-Ziel noch erreichen wollen.
Zwei Prinzipien, nach denen wir kommunizieren
Wie also knacken wir die harte «Nuss»? Es gibt wohl kein Patentrezept, aber folgende Ansatzpunkte dünken mich sehr wichtig und erfolgsversprechend:
- Der Wissenschaftler als Träger der Botschaft: Es gibt wohl keine effektivere Methode, Fakten an den Mann und die Frau zu bringen, als dass Forschende ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse teilen und selber aktiv und geradlinig kommunizieren.
- Dialog auf Augenhöhe: Es braucht den stetigen Austausch zwischen Forschung, Gesellschaft und Entscheidungsträgern, um sich gegenseitig zu verstehen, zu respektieren und zu vertrauen. Nur so ist es möglich, schwierige Entscheide in Situationen zu fällen, wo es keine vollständige, perfekte Information gibt.
Mit der kommenden Klimarunde versuchen wir – engagierte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der ETH Zürich und anderer Hochschulen – diese beiden Prinzipien wirkungsvoll umzusetzen. Konkret möchten wir an den Tischgesprächen im direkten Gespräch mit interessierten Leuten Fragen beantworten und unsere Argumente vorbringen. Besucherinnen und Besucher dürfen uns dabei gerne «herausfordern» – ohne Kamera und Mikrofon, direkt, eins zu eins. Das Format haben wir letztes Jahr zum ersten Mal erprobt, und es war meiner Meinung nach ein grosser Erfolg.
Also kommen Sie vorbei und diskutieren Sie mit uns. Gerne erklären ich und meine Wissenschaftskolleginnen dann auch ausführlich, warum uns der Temperatur-Hiatus nicht überrascht, und warum es den Anschein macht, dass er in den nächsten zwei Jahren zu Ende gehen wird.
Weiterführende Informationen
[1] Meehl, Gerald A., et al. "Model-based evidence of deep-ocean heat uptake during surface-temperature hiatus periods." Nature Climate Change 1.7 (2011): 360-364.
[2] Seneviratne, Sonia I., et al. "No pause in the increase of hot temperature extremes." Nature Climate change 4.3 (2014): 161-163.
[3] Victor, D.G. and C. F. Kennel, "Climate policy: Ditch the 2 °C warming goal." Nature, 514, (2014): 30-31.
[4] IPCC WG1 schreibt: «it is extremely likely that human influence has been the dominant cause of the observed warming since the mid-20th century.»