«Solidaritätseinsatz ist für mich auch ein Privileg»
Pharmaziestudent Ilario Scapozza hilft während der Corona-Krise in einer Apotheke aus. Etwas Sinnvolles beizutragen, motiviert ihn in dieser schwierigen Zeit. Gleichzeitig lernt er Wertvolles für seine künftige Laufbahn.
Ilario Scapozza studiert im Master Pharmazie an der ETH Zürich. Seit gut vier Wochen arbeitet der 22-Jährige nun in der Zürcher «Rigi Apotheke». Fünf Tage pro Woche hilft er dem Betrieb, den momentan erhöhten Aufwand zu stemmen. Scapozza erzählt, wie es dazu kam: «Ich war zu Beginn des Jahres bereits mit dieser Apotheke in Kontakt, weil ich mein Assistenzjahr – das ist der für das Studium obligatorische Praxiseinsatz – dort machen werde.» Kurz nachdem die ETH den Notbetrieb ankündigte, fragte ihn die Apotheke aufgrund der hohen Auslastung für einen Einsatz als Aushilfe an. Scapozza sagte spontan zu.
Er arbeitet unentgeltlich: «Wenn man in einer solchen Zeit einer Beschäftigung nachgehen darf und damit auch noch helfen kann, sehe ich das als Privileg.» Erst später erfährt er, dass der Einsatz auch seinem Studium zugutekommt. Die ETH Zürich rechnet Studierenden Corona-Hilfstätigkeiten, die mit dem Studium zusammenhängen, als Studienleistung an. Für Scapozza bedeutet dies, dass er einen Teil seiner praktischen Masterarbeit, der im Notbetrieb gar nicht durchführbar wäre, nun mit seinem Solidaritätseinsatz ersetzen kann. Das verhindert, dass sein Abschluss sich verzögert. Die eine reguläre Lehrveranstaltung, an der Scapozza momentan teilnimmt, findet jede zweite Woche statt, was sich gut mit der Arbeit in der Apotheke vereinbaren lässt.
Im Labor und auf dem Velo
Scapozza erledigt im Betrieb verschiedene Aufgaben. Mitunter arbeitet er im Labor, tätigt Lieferungen oder hilft bei der betriebsinternen Logistik. Die Apotheke verkauft Produkte direkt im Laden, liefert sie aber auch aus: etwa an Alters- und Wohnheime sowie an Privatkunden in den umliegenden Quartieren. So war Scapozza zu Beginn seines Einsatzes vor allem mit dem Cargo-Velo unterwegs. Nun setzt er das Können, das er sich im Studium und in einem früheren Laborpraktikum angeeignet hat, öfters auch im Labor der Apotheke ein.
Gefragt sind nach wie vor Desinfektionsmittel. «Da ist die Herstellung vergleichsweise simpel», erklärt Scapozza, «denn ich mische die Komponenten lediglich im richtigen Verhältnis zusammen». Der Student stellt aber auch Produkte her, die unabhängig von der Pandemie nachgefragt werden. Er gibt ein Beispiel: Ein Patient braucht ein Medikament in Kapselform – Dieses ist aber nur als Tablette und in der falschen Dosierung im Handel. In diesem Fall verarbeitet Scapozza die pulverisierten Tabletten mit einer dafür vorgesehenen Maschine zu schluckbaren Kapseln. Auch Salben, Cremes und Suppositorien stellt er auf Anfrage im Labor her.
Eine weitere wichtige Arbeit ist die Analyse von Produkten, bevor diese verkauft werden – eine Art «Identitätsbestimmung», wie Scapozza erklärt. Bei bestimmten Substanzen ist eine solche Analyse gesetzlich vorgeschrieben. Dafür wendet er verschiedene physikalisch-chemische Tests an, bei pflanzlichen Produkten wie Tee kommt auch eine optische oder geruchliche Überprüfung zum Einsatz
Lage hat sich etwas normalisiert
Die Lage in der Apotheke ist laut Scapozza nicht mehr so akut wie zu Beginn der Krise. «Am Anfang war es extrem: Produkte, die immer verfügbar gewesen waren, konnte man plötzlich nicht mehr bestellen.» Vor der Apotheke bildete sich damals regelmässig eine Schlange. All dies habe etwas nachgelassen, meint er. Sein Einsatz entlastet den Betrieb bis heute: «Insgesamt fällt noch immer mehr Arbeit an als vor der Krise, denn gerade ältere Kundinnen und Kunden lassen sich vermehrt beliefern. Und nach wie vor haben unsere Lieferanten gewisse Engpässe, die für uns zu mehr Aufwand führen».
Natürlich gelten die strengen Sicherheitsvorkehrungen auch in der Rigi-Apotheke. Im Geschäft dürfen sich höchstens vier Kundinnen und Kunden gleichzeitig aufhalten, und die Mitarbeitenden halten voneinander Abstand. Tastaturen und Ablageflächen werden im Halbstundentakt desinfiziert. Dasselbe gilt bei der Auslieferung: Die Boten haben keinen physischen Kontakt zur Kundschaft. Pakete, Hände und auch das Velo werden regelmässig desinfiziert. Dass das Ansteckungsrisiko für die Kundinnen und Kunden auf diese Weise sehr gering gehalten wird, beruhigt Scapozza. Auch er selbst fühle sich sicher, meint er, denn er merke, dass Kundinnen und Mitarbeiter sich bei der Umsetzung der genannten Massnahmen grosse Mühe geben.
Motivation für die Zukunft
Für Scapozza ist der Einsatz eine durchwegs positive Erfahrung. Er kann an das Wissen, das er im Studium erworben hat, anknüpfen: «Es ist ein gutes Gefühl, wenn man sieht, wofür man jahrelang im Vorlesungssaal gesessen und gelernt hat. Ich merke jetzt, dass es Menschen gibt, die direkt von meiner Arbeit profitieren. Das motiviert ungemein», so der Student. Einen Solidaritätseinsatz kann er wärmstens empfehlen: «Es muss nicht Vollzeit in einer Apotheke oder einem Spital sein, es gibt bestimmt auch Leute im Quartier, die für eure spontane Hilfe dankbar sind.» Einzig die die geltenden Schutzmassnahmen seien immer zu beachten, schliesst Scapozza.