Wo unsere Hochschule hinsteuern soll
Die ETH Zürich hat sich neu sechs institutionelle Prioritäten gegeben, die der Hochschule in den kommenden Jahren helfen sollen, ihren Auftrag zu erfüllen. ETH-Präsident Joël Mesot und Strategic Foresight Hub-Leiter Chris Luebkeman erklären, wie es zu den Prioritäten kam und welche Wirkung diese im Alltag entwickeln sollen.
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Den ETH-Angehörigen ebenso wie den externen Anspruchsgruppen die Richtung aufzeigen, in die sich die Hochschule in den kommenden Jahren entwickeln soll: Dafür publizierte die ETH Zürich in der Vergangenheit einen Strategie- und Entwicklungsplan (SEP), der jeweils für die vier Jahre einer BFI-Periode Gültigkeit hatte.
Daraus sind im Rahmen des jüngsten Strategieprozesses neu zwei Dokumente entstanden: Ein Entwicklungsplan, der die Ziele und Massnahmen der Hochschule für die kommende BFI-Periode 2025-2028 beinhaltet und sich an den ETH-Rat und andere externe Anspruchsgruppen richtet. Und ein zweites Dokument mit einem längeren Zeithorizont, das strategische Richtungsentscheide unterstützt und intern auf allen Ebenen der Hochschule Orientierung bietet: die Institutionellen Prioritäten 2025–2036.
Chris Luebkeman, Leiter des Strategic Foresight Hubs, sowie ETH-Präsident Joël Mesot sagen im Interview, was sie sich von den neuen institutionellen Prioritäten versprechen.
Joël Mesot, was hat Sie bewogen, anstelle des SEP neu zwei Dokumente erstellen zu lassen?
JM: Als wir uns beim Organisationsentwicklungsprojekt rETHink über die Zukunft der Hochschule austauschten, wurde mir klar, dass wir parallel zum konkreten Plan für die jeweils nächsten vier Jahre auch Ideen entwickeln müssen, wohin die Reise in zehn oder zwanzig Jahren gehen könnte. Der Zeithorizont ist ein anderer, und auch die Fragestellungen zielen aufs Grundsätzliche: Wie müssen wir unsere Hochschule weiterentwickeln, um auch langfristig Grundlagen in Forschung und Lehre auf höchstem Niveau zu schaffen, und wie gelingt es uns, das Vertrauen der Gesellschaft in die Wissenschaft zu erhalten?
«Wir müssen unsere Hochschule weiterentwickeln, um auch langfristig Grundlagen in Forschung und Lehre auf höchstem Niveau zu erhalten.»Joël Mesot, ETH-Präsident
Chris Luebkeman, wie sind Sie vorgegangen, um die relevanten Faktoren, die über den langfristigen Erfolg der ETH entscheiden, zu eruieren?
CL: Wir haben uns die Frage gestellt, welche Kräfte die Hochschullandschaft langfristig verändern werden, und welche dieser Kräfte in den kommenden Jahren den grössten Einfluss auf die Kerntätigkeiten der ETH Zürich haben. Wir haben 60 solche treibenden Kräfte identifiziert, die wir ETH-weit und der Öffentlichkeit vorstellten, unter anderem in einer Ausstellung in der Haupthalle. Die Schulleitung hat daraus jene 14 ausgewählt, die aus ihrer Sicht für die kommenden zwölf Jahre die grösste Bedeutung für die ETH Zürich haben werden. Und diese Treiber haben wir ETH-weit diskutiert, um deren Implikationen zu verstehen und entsprechende Prioritäten abzuleiten.
Ein weitreichender partizipativer Prozess. Hat es bei der Vernehmlassung des Papiers viele Rückmeldungen gegeben?
CL: Wir haben tatsächlich Hunderte von Rückmeldungen ganz unterschiedlicher Art erhalten und uns über die rege Teilnahme sehr gefreut – zeigt es doch, welche Bedeutung diesen Prioritäten beigemessen wird. Jede Rückmeldung haben wir einzeln geprüft, und viele waren wohlüberlegt und mit einem Blick auf die Institution als Ganzes verfasst. Diese haben uns geholfen, die Prioritäten noch einmal zu schärfen. Wir verstehen die institutionellen Prioritäten zum Beispiel explizit nicht als Forschungsthemen, sondern als institutionelle Querschnittsthemen, zu denen praktisch alle ETH-Angehörigen einen Beitrag leisten können.
«Wir verstehen die institutionellen Prioritäten nicht als Forschungsthemen, sondern als institutionelle Querschnittsthemen, zu denen praktisch alle ETH-Angehörigen einen Beitrag leisten können.»Chris Luebkeman, Leiter ETH Foresight
Sie sprechen von Querschnittthemen.
JM: Ich denke, dieser Punkt, den Chris hier anspricht, ist sehr wichtig. Bei den institutionellen Prioritäten geht es um Themen, die sämtliche Bereiche der Hochschule betreffen. Nehmen wir den ersten Punkt «Grundlagen weiterentwickeln und fördern». Da denken wir alle zunächst an die Grundlagenforschung, ein Eckpfeiler unseres Erfolgs. Mit Blick in die Zukunft wollen wir aber auch in Erinnerung rufen, dass es gemeinsame Anstrengungen braucht, den hohen Wert dieser Forschung unseren Stakeholdern zu vermitteln. Hinzu kommen beispielsweise unsere Werte, die uns vereinen. Auch diese gilt es zu pflegen und weiterzuentwickeln.
Die sechs institutionellen Prioritäten
Bis 2036 will die ETH Zürich
- die Grundlagen weiterentwickeln und fördern.
- der Gesellschaft als vertrauenswürdige Wissensquelle dienen.
- zu einer Vorreiterin und einem Living Lab für die umfassende Dekarbonisierung und Kreislaufwirtschaft werden.
- eine Institution und Gemeinschaft für lebenslanges Lernen werden.
- das kontinuierliche Verschwimmen von Grenzen meistern.
- führend bei der Entwicklung und dem Einsatz verantwortungsvoller KI sein.
Wie sollen die institutionellen Prioritäten in den Alltag einfliessen?
JM: Das Dokument ist als Führungsinstrument konzipiert, das den internen Entscheidungsträger:innen als Orientierungshilfe dienen soll. Beispielsweise den Departementen, wenn sie im Rahmen ihrer regelmässigen Evaluationen ihre Strategien entwickeln. Aber auch uns in der Schulleitung, wenn wir strategische Entscheide für die Zukunft treffen. Es geht um einen Zeithorizont von zwölf und vielleicht mehr Jahren. Zu den Prioritäten haben wir jeweils einige handlungsleitende Commitments formuliert. Der Entwicklungsplan hingegen ist konkreter und zeigt einen Teil dessen, was für die kommenden vier Jahre geplant ist.
CL: Ich kann zwei schöne Beispiele nennen. Noch während der Entwicklungsphase hat sich das D-USYS in der neu entwickelten departementale Strategie bereits auf die Institutionellen Prioritäten bezogen. Und bei unserem Teambesuch beim D-ARCH hat der Vorsteher Matthias Kohler sein Department vorgestellt und klare Bezugspunkte auf die sechs Prioritäten aufgezeigt. Damit haben Beide gleichsam ihre Departemente im grossen Ganzen der ETH verortet.
Wenn das Dokument als Leitlinie für strategische Entscheide dienen soll: Gibt es auch eine Art qualitatives Monitoring, das darauf schaut, ob die Prioritäten ihren Zweck erfüllen?
CL (lachend): Wir werden sicher keine Liste mit Entscheiden führen, um zu schauen, ob diese alle entlang der Prioritäten gefällt wurden. Es wird eine kollektive Anstrengung sein, die Prioritäten in der ETH zu implementieren. Ich denke, die Beispiele aus dem D-USYS und D-ARCH zeigen schön auf, wie die Prioritäten ihre Wirkung entfalten können.
JM: Und letztlich bin ich als Präsident mit der Schulleitung in der Verantwortung, dass unsere Entscheide mit den Prioritäten in Einklang stehen. Die meisten Entscheide, die wir fällen, haben langfristige Auswirkungen. Ich denke, die Prioritäten können den ETH-Angehörigen auch helfen, Entscheide der Schulleitung zu verstehen. Insofern rufe ich alle auf, einen Blick in die institutionellen Prioritäten zu werfen.
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