ETH = Liebe²
Kurz vor dem «Fest der Liebe» widmet sich auch das «life» für einmal ganz der Liebe. Wo und wie lernen sich Paare an der ETH kennen? Und was ist das Geheimnis ihrer Liebe? Diesen Fragen sind wir für die Titelgeschichte dieser Ausgabe nachgegangen. Wir wünschen eine schöne Lektüre und ein frohes Weihnachtsfest!
«Wie stolz und glücklich werde ich sein, wenn wir beide zusammen unsere Arbeit über die Relativbewegung siegreich zu Ende geführt haben. Wenn ich so andre Leute sehe, da kommt mir's so recht, was an Dir ist!», schrieb Albert Einstein im Jahr 1901 an seine spätere Ehefrau Mileva Marić. Wie sehr sie ihm bei der Erforschung seiner weltberühmten Relativitätstheorie tatsächlich geholfen hat, bleibt umstritten. Klar ist aber: Ohne sein Studium an der ETH Zürich hätte er seine erste Frau wohl nie kennengelernt – und womöglich hätte er dann auch die allseits bekannte Formel E=MC2 nie veröffentlicht. Kennengelernt und verliebt haben sich die beiden Physiker nämlich in einer Vorlesung, die sie während ihres ETH-Studiums von 1896 bis 1900 besuchten.
Und auch in der heutigen Zeit, in der es von Dating-Plattformen nur so wimmelt, kommen die meisten Studien zu dem gleichen Schluss: Am häufigsten lernen sich Paare auch heutzutage durch den Freundeskreis, die Ausbildung oder die Arbeit kennen. An der ETH gibt es dafür auch mehr als genug Möglichkeiten: Ob Mensa, Vorlesung, Studentenparty oder Labor – in den Zuschriften, die wir nach unserem Aufruf über «intern aktuell» und Social Media erhielten, war alles dabei. Drei dieser Paare, die sich an der ETH kennen und lieben gelernt haben, gaben uns einen Einblick in ihre Geschichte. Und so unterschiedlich diese auch sind, eines haben sie alle gemeinsam: Im Gegensatz zu Einsteins und Marićs Liebe wird ihre für immer halten – davon sind sie überzeugt.
Teuflisch verliebt
„Wer bist du denn?“, sagte Ruchika und dachte sich: „Was für ein Nerd!“ Jan sah sie an – und dachte so ziemlich das Gleiche. Mit dieser eher unromantischen Szene begann die nun schon zwei Jahre andauernde Romanze zwischen Jan Nagler und Ruchika Sachdev. Als beide vor drei Jahren an die ETH kamen – sie aus den USA, er aus Deutschland – ahnten sie wohl noch nicht, dass schon ein Jahr später eine Halloween-Party ihr gesamtes Leben verändern würde. Vorgestellt wurden sich die Postdoktorandin für Biochemie und der Physiker durch Freunde schon ein paar Wochen zuvor. Ruchika, die als Hexe verkleidet zur traditionellen Halloween-Party am Institut für Biochemie erschien, erkannte den Mann hinter dem Teufelskostüm dennoch nicht sofort – und blieb schliesslich bis zum Ende der Party an seiner Seite.
Nur eine Woche später funkte es bei ihrem zweiten Date. Seither sind die Inderin und der Deutsch-Ägypter auch ausserhalb der ETH unzertrennlich. „Unsere Liebe zur Forschung verbindet uns“, sagen sie. Genauso wie ihre ähnlichen Charaktere. Führen die kulturellen Unterschiede nicht zu Problemen? „Manchmal“, sagt Jan, aber gleichzeitig würden sie auch die Spannung erhalten. Für Spannung sorgt ausserdem Ruchika regelmässig, indem sie ihren Jan mit ausgefallenen Streichen hereinzulegen versucht oder auch mal romantische Überraschungstrips für ihn plant.
Dass ihre Liebe etwas Besonderes ist und für immer halten soll, wussten beide schon früh. Nach nur einem Jahr entschieden sie zu heiraten. Und so ging es für die beiden am 27. Oktober dieses Jahres nicht zur Halloween-Party am Biochemie-Institut, sondern ins Dozentenfoyer der ETH Zürich – um ihre eigene Hochzeit zu feiern.
Gerne würden Jan und Ruchika ihr berufliches Leben auch zukünftig an der ETH verbringen, vielleicht auch mit gemeinsamen Projekten. „Jan entwickelt Theorien und ich bin experimentelle Forscherin. Es würde mir sehr viel Spass machen, eines Tages seine Theorien zu testen.“
Privat geht es für die frisch Vermählten erst einmal in die Flitterwochen nach Indien, bevor in einem Jahr das zweite Hochzeitsfest in Ruchikas Heimatland stattfindet. An ihrem ersten Eindruck hat sich übrigens bis heute nichts geändert: Gegenseitig bezeichnen sich die beiden noch immer liebevoll als „ETH-Nerds“.
Langsam aufgetaut
«Das ist der Reto, der kommt die Fleischproben holen.» Mit diesen Worten nahm die Geschichte von Jana und Reto Schneider vor rund 20 Jahren ihren Anfang. Die Wege von Jana, damals Laborantin am Institut für Nutztierwissenschaften, und dem Agronomiestudenten Reto hatten sich an der ETH schon zuvor gekreuzt. Einander vorgestellt wurden sie aber erst, als der damals 24-Jährige Proben für seine Semesterarbeit analysieren musste. Diese lagerten in einem Gefrierraum an der Tannenstrasse, wo Jana arbeitete. «Mir fiel sofort sein Labormantel auf – das war damals sehr untypisch für einen Studenten.» Dass er diesen von seinem Vater ausgeliehen hatte, erfuhr sie erst später.
Von diesem Zeitpunkt an wechselten die beiden immer wieder ein paar Worte. Der Funke der Liebe sprang aber erst ein Jahr später über, als Reto und seine Studienkollegen eine Party im LFW-Gebäude organisierten, um ihre Diplomreise zu finanzieren. Da Jana vor ihren Freunden zur Party erschien, begann sie mit Reto ein Gespräch an der Bar. «Wir merkten schon da, dass wir gut miteinander reden können. Bei einem Glas Wein nach der Arbeit können wir uns auch heute noch stundenlang unterhalten und vergessen oft die Zeit.» Gesprächsstoff liefert dabei auch der unterschiedliche Arbeitsalltag des Paares: Er ist mittlerweile als Teamleiter für landwirtschaftliche Risiken bei einer grossen Versicherung tätig und oft auf Reisen. Sie hat den Weg nach verschiedenen beruflichen Stationen und einer Familienpause wieder an die ETH gefunden und arbeitet seit sechs Jahren als Laborantin in der Phytopathologie. Ist die Kommunikation auch das Erfolgsrezept ihrer langen Liebe, die nach 17 Jahren Ehe und zwei Kindern immer noch sehr lebendig und erfrischend wirkt? «Auf jeden Fall. Und man sollte nicht versuchen, das Verhalten des anderen zu ändern», ergänzt Reto und erinnert sich:
«Nach der LFW-Party war unser Interesse füreinander geweckt und Jana lud mich zu ihrem Geburtstagsfest ein.». Da er verhindert war, wurde die Einladung kurzerhand bei ihr zu Hause nachgeholt. Eine Tiefkühlpizza, die von ihrem Fest übriggeblieben war, sollte den Hunger stillen. Die Pizza schmeckte den beiden so schlecht, dass sie für immer in Erinnerung blieb. Aber durchaus positiv, denn an diesem Abend wurden Reto und Jana ein Paar: «Er ist trotz der Pizza geblieben!»
Basisprüfung spielt Amor
Bier fand Dragana scheusslich und Französisch hoffte sie nie mehr sprechen zu müssen. «Ich will sofort wieder gehen!», war dann auch ihr erster Gedanke, als die damals 18-Jährige ihre neuen Kommilitonen, darunter den französischsprachigen Romain, mit zwei Pitchern Bier in der Alumni Lounge erblickte. Doch die Zürcherin liess sich von dem charmanten Chemiestudenten und seinen leuchtenden Augen zum Bleiben überzeugen.
Schon nach kurzer Zeit war für ihre Freunde klar, dass die beiden zusammengehören – nur Dragana und Romain tappten noch im Dunkeln. Näher kamen sie sich erst vor der allseits gefürchteten Basisprüfung – wenn auch nur lerntechnisch. Wochenlang büffelten sie gemeinsam bis tief in die Nacht. «Er wusste schon so viel und war sehr strukturiert. Das hat mich beeindruckt», erinnert sich Dragana. Die harte Arbeit der beiden zahlte sich schliesslich aus: Sie waren die einzigen unter ihren Freunden, die bestanden. Selbstverständlich wurde das freudige Ereignis denn auch gebührend gefeiert. Doch nicht nur akademisch machten sie an diesem Tag den nächsten Schritt. Dragana nahm all ihren Mut zusammen und fragte Romain ganz unverblümt: «Wann wolltest du mich jetzt eigentlich mal küssen?»
Seitdem hat sich Einiges getan: Ihre Beziehung überstand Romains Austauschsemester, sie absolvierten ihren ETH-Master und zogen zusammen. Nun sind die beiden wieder dort, wo alles begann: An der ETH lernen sie gemeinsam für ihr nächstes grosses Ziel. «Wir sind beide sehr ambitioniert und haben uns immer gegenseitig gepusht. Jetzt werden wir auch unsere Doktorate in Translationaler Medizin und Anorganischer Chemie gemeinsam meistern», meint Romain zuversichtlich.
Doch auch ausserhalb der Hochschule ergänzen sich die beiden perfekt: «Ich bin das Hirn und er die Muskeln», witzelt Dragana. Bestes Beispiel dafür sei der kürzliche Möbelaufbau: «Romain wollte getrennt arbeiten, das sei schneller», erinnert sie sich. Das Ergebnis liess allerdings zu wünschen übrig: Romains Stücke waren zwar fest verschraubt, aber falsch zusammengebaut. Bei Dragana war es umgekehrt: Ihre Teile waren korrekt zusammengefügt, jedoch viel zu lose angezogen. «Das zeigte uns erneut: Am besten sind wir als Team.»
Das neue ETH-Magazin «life» ist da
Dieser Artikel ist die Titelgeschichte des aktuellen «life».
In der aktuellen Ausgabe erzählt ausserdem Martin Roszkowski, der neue AVETH-Präsident, wie er die ersten Wochen im Amt und das grosse Medieninteresse an den Vorwürfen im Departement Physik erlebt hat. Der zweite Teil der Einblicks-Serie «Forschungsschwerpunkte» widmet sich der Medizin. Ausserdem berichtet «life» über die kommenden Gastro-Umbauten und vieles mehr.