Lebensgrundlagen langfristig sichern
Nachhaltigkeit ist ein vielverwendeter Begriff – und doch weit mehr als nur Schlagwort. Im Kern geht es um existenzielle Fragen für Umwelt und Mensch. Doch was bedeutet «nachhaltig» an der ETH Zürich, und welchen Beitrag leistet unsere Hochschule in diesem Bereich?
Ernährungssicherheit, Energieversorgung, Klimawandel. Es sind komplexe Aufgaben, vor denen die Menschheit steht. Der Lösungsweg heisst «nachhaltige Entwicklung». Eine solche zu fördern ist für die ETH Zürich Leistungsauftrag und Anspruch zugleich. Doch wie kann unsere Hochschule dieses vielschichtige und abstrakte Konzept in die Praxis und in die Köpfe der Menschen bringen?
Stärken synergetisch nutzen
«Indem wir auf unsere Kernkompetenzen fokussieren», sagt Reto Knutti, Klimaphysiker und Nachhaltigkeitsdelegierter der ETH Zürich. Damit meint er: Forschung, Lehre und Campus optimal nutzen und den Dialog mit der Öffentlichkeit pflegen.
Das gelingt mitunter so: Studierende untersuchen zusammen mit Forschenden, wie klimafreundliche Menüs in den ETH-Mensen ankommen, und ob sich Gäste sensibilisieren lassen. Die Erkenntnisse münden in das kürzlich lancierte «Klimaprogramm». Darin verpflichten sich die Caterer zu konkreten Zielen für eine nachhaltige Campusgastronomie. Das Projekt von ETH Sustainability und dem World Food System Center (WFSC) hat Vorbildcharakter. Sogar die Washington Post berichtete darüber.
Für Knutti ist das ein Beispiel, wie die ETH Zürich Nachhaltigkeit lebt und vernetzt: «Es zeigt, wie Wissenschaft, Ausbildung und Campusbetrieb voneinander profitieren».
Systemverständnis und technisches Know-how
Das Fundament aller Nachhaltigkeitsaktivitäten bildet freilich die Forschung. Zahlreiche ETH-Departemente und Kompetenzzentren erarbeiten Grundlagen, Know-how und Lösungen zu nachhaltigen Themen. Das Spektrum reicht von natürlichen Ressourcen über Zukunftsstädte bis hin zu Welternährung, Energiewende und Klimawandel. Hier ist solides Systemverständnis gefragt. Kein Wunder, unterstützen ETH-Fachleute den Weltklimarat IPCC oder tragen zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 des Bundesrates bei.
Gerade im Energiebereich engagiert sich die ETH stark. So leitet sie drei der acht Schweizerischen Kompetenzzentren für Energieforschung (SCCER): Jene für Strombereitstellung, industrielle Energieeffizienz und Mobilität. Da Energiesysteme zunehmend dezentral werden, braucht es stabile Steuerungen für Stromnetze, Energiespeicher und neue Geschäftsmodelle. Am Energy Science Center (ESC) ergründen Ingenieur-, Natur- und Sozialwissenschaftler, wie erneuerbare Energien produziert und optimal in die Strominfrastruktur integriert werden können.
Produktionsprozesse und Prognosen
Umweltschonende und widerstandsfähige Produktionssyteme sind auch für die weltweite Ernährungssicherheit zentral. Am World Food System Center entwickeln Agrar- und Ernährungswissenschaftler neue Ansätze, wie man die wachsende Weltbevölkerung bei geringerem Pestizid- und Ressourceneinsatz mit hochwertigen Nahrungsmitteln versorgen kann. Biologische Anbaumethoden und vielfältigere Kulturen, aber auch moderne Pflanzenzüchtung und digitale Hilfssysteme sind hier zentrale Aspekte.
ETH-Forschende untersuchen zudem, wie sich der Klimawandel auf Ernährungssysteme, Ökologie und Wirtschaft auswirkt. Prognosen zum Klima und seinen Folgen für die Gesellschaft erfordern robuste Simulationen. Kompetenzen in Klimamodellierung bündelt das Center for Climate Systems Modelling (C2SM). An der Netzwerkplattform beteiligen sich auch MeteoSchweiz, Empa, WSL und Agroscope. Ihr gemeinsame Ziel: die Aussagekraft von Klimamodellen auf Zeitskalen von Monaten bis Jahrhunderten stärken.
Konsequent handeln im eigenen Umfeld
Glaubwürdigkeit erfordert Konsistenz in Wort und Tat. Eine eigene Stabstelle für Nachhaltigkeit verdeutlicht diesen Anspruch: ETH Sustainability ist direkt dem Präsidenten unterstellt, vernetzt Akteure und initiiert Projekte. Dabei bietet der Campus mit seinem Forschungs-, Lehr- und Arbeitsbetrieb ein ideales Experimentierfeld: «Hier können wir neue Technologien, aber auch soziale und wirtschaftliche Aspekte der Nachhaltigkeit testen und ins Alltagsleben integrieren», sagt Geschäftsleiterin Christine Bratrich.
Ein Beispiel ist das aus Laubholz gefertigte House of Natural Resources, das gleichzeitig als Forschungs-, Lehr- und Demonstrationsobjekt dient. Dass man sich mitunter an heikle Themen heranwagt und Zielkonflikte nicht scheut, zeigt das Projekt Flugreisen der Mobilitätsplattform auf: Es will die CO2-Emissionen aus dem Flugverkehr senken, ohne die Mitarbeitenden einzuschränken.
Werte für den Wandel
Nicht zuletzt in der Lehre gibt unsere Hochschule jungen Menschen ethische Werte, eine kritische Haltung und das intellektuelle Rüstzeug für verantwortungsvolles Handeln mit auf den Weg. Seit über 30 Jahren vermittelt der Studiengang Umweltnaturwissenschaften Methoden, um Umweltsysteme in ihrer Gesamtheit zu verstehen. Heute gibt es eine Fülle weiterer Masterprogramme, aus denen fähige Umweltingenieurinnen, Raumplaner und Experten für Energiepolitik oder Corporate Sustainability hervorgehen. Zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten runden das Angebot ab.
Eine noch junge Lehrveranstaltung mit beachtlicher Leuchtkraft ist die ETH-Woche. Sie wird von ETH Sustainability mit jeweils wechselnden Einheiten organisiert: Studierende entwickeln Lösungsvorschläge zu gesellschaftlichen Herausforderungen und lernen dabei, kreativ über Disziplinen und kulturelle Grenzen hinweg zu denken. Wie, wenn nicht so gelangt Nachhaltigkeit in die Köpfe der Menschen?
Dieser Text stammt aus derm aktuellen ETH-Magazin «life».
10 Jahre ETH Sustainability
Um den Beitrag der ETH zu einer nachhaltigen Entwicklung zu steigern, etablierte die Schulleitung 2008 den Stab ETH Sustainability. Dieser vernetzt seither zahlreiche Akteure und Initiativen aus Forschung, Lehre und Campusentwicklung und initiiert eigene Projekte, um das Prinzip der Nachhaltigkeit in die Entscheidungen und Handlungen der Hochschule zu integrieren. ETH Sustainability berichtet regelmässig über die wirtschaftliche, soziale und ökologische Nachhaltigkeitsleistung der ETH Zürich.