Kenntnisreicher Vermittler und offener Zuhörer
Gerhard Tröster, emeritierter Professor für Elektronik, war die letzten vier Jahre als Ombudsperson an der ETH tätig. Nun lief seine Amtszeit Ende März aus. Wie er auf diese Zeit zurückblickt, welche Erlebnisse ihm besonders in Erinnerung bleiben und welche Verbesserungspotenziale er sieht, erzählt er im Interview.
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Herr Tröster, kurz zusammengefasst: Was sind die Aufgaben einer Ombudsperson, und welche Fähigkeiten sollte man für dieses Amt mitbringen?
Gerhard Tröster: Die Aufgaben sind in der Organisationsverordnung der ETH definiert. Kurz zusammengefasst bestehen sie darin, alle ETH-Angehörigen bei Schwierigkeiten am Arbeits- oder Studienplatz zu unterstützen. Was die Fähigkeiten angeht: Hier kann ich mich den drei «E», die unser Rektor Günther Dissertori bei seinem Antritt erwähnt hat, nur anschliessen: Enthusiasmus, Empathie und Erwartungsmanagement. Diese Begriffe fassen die Eigenschaften schön zusammen, die man für dieses Amt mitbringen sollte. Dazu kommt eine gewisse Affinität für die ETH.
Was hat Sie persönlich an diesem Amt interessiert?
Kurz vor meiner Emeritierung fragte mich der damalige ETH-Präsident Lino Guzzella an, ob ich das Amt einer Ombudsperson übernehmen möchte. Ehrlich gesagt: Bis dahin kannte ich die Ombudsstelle kaum. Das Amt gab mir aber eine Perspektive, noch etwas länger an der ETH tätig zu sein und mit der Hochschule verbunden zu bleiben.
«In vielen Fällen braucht es nebst Kenntnissen der ETH eine gute Portion Menschenverstand.»Gerhard Tröster
Wie war die Einarbeitungszeit?
Ich bin in die Aufgabe reingewachsen. Bei meinem Start vor vier Jahren gab es noch kein Coaching, wenn man das Amt übernahm. Dies hat sich in den letzten Jahren geändert. Wir Ombudspersonen haben das Coaching einfach selbst gemacht, uns weitergebildet, uns untereinander abgesprochen und ausgetauscht.
Das klingt nach einem Sprung ins kalte Wasser…
Nun, man muss berücksichtigen: Die Anfragen, die zu uns kommen, sind sehr divers. In vielen Fällen braucht es nebst Kenntnissen der ETH eine gute Portion Menschenverstand. Auf alles kann man sich daher nicht mit einem Coaching vorbereiten.
Welche Möglichkeiten hat eine Ombudsperson bei der Behandlung von Fällen?
Eine Ombudsperson hat keine Exekutivgewalt, sie kann also nichts durchsetzen oder anordnen. Aber sie hat das Recht, jede Stelle der ETH anzufragen und darf dort auch eine Antwort erwarten. Bei vielen Fällen ging es z.B. um eine Unklarheit im Arbeits- oder im Forschungsvertrag. Die anfragende Person wollte jedoch nicht selbst den Rechtsdienst anfragen, weil sie Angst hatte, dass ihr Fall so publik werden könnte. Hier amtete ich als Vermittler und fragte für diese Person beim Rechtsdienst an, ohne die Person zu benennen.
Was haben Sie an Ihrer Tätigkeit besonders geschätzt?
Zum einen die sehr gute interne Zusammenarbeit an der ETH: Ich wurde bei der Ausübung meines Amtes von allen Institutionen immer sehr unterstützt. Zu allen war der Kontakt sehr gut. Zum anderen hat es mich stets sehr motiviert, mit jungen Leuten zu arbeiten. Dieses Interesse hatte ich schon immer, während meiner gesamten Karriere.
Welche ETH-Angehörigen nahmen Ihre Dienste besonders in Anspruch?
In vier Jahren habe ich rund 160 Anfragen erhalten, davon ein grosses Drittel von Doktorierenden, etwa ein Viertel von Postdocs und Senior Scientists, 15 Prozent von Studierende und 8 Prozent von Professorinnen und Professoren. Das ganze Spektrum kam also zu mir!
Was waren dabei die häufigsten Probleme, mit denen diese Personen zu Ihnen kamen?
Die Anfragen waren sehr divers. Bei Studierenden waren die Anliegen z.B., dass eine Prüfung nicht korrekt durchgeführt worden war. Bei Doktorierenden und Postdocs waren es hauptsächlich Fragen der Autorenschaft.
Bei Doktorierenden ging es zudem öfters auch darum, dass das Doktorat vorzeitig durch die Betreuungsperson beendet worden war und wie es für die Doktorierenden nun weitergehen soll. In solchen Fällen konnte ich manchmal helfen, eine neue Betreuungsperson zu finden, oder auch moralisch zu unterstützen. Ein Doktorand hat mich sogar einmal in der Danksagungsliste seiner Doktorprüfung aufgeführt. Dies hat mich sehr gefreut.
Bei Postdocs waren die Fälle eher schwieriger, weil die Regelung für sie an der ETH noch unklar ist. Hier müsste man noch mehr tun. Diese Mitarbeitenden haben auf kurze Zeit Arbeitsverträge und unklare Zukunftsaussichten. Dies müsste man arbeitsrechtlich besser abfassen, ähnlich, wie es für die Doktorierenden mit der neuen Doktoratsverordnung geregelt wurde.
Gibt es Fälle, die Ihnen besonders in Erinnerung bleiben?
Es gab durchaus lustige Fälle, z.B. jener einer nicht-schweizerischen Doktorandin, deren Professor seine Gruppe jeweils am Freitagabend zum Bier ins Niederdorf einlud. Das Problem dieser Doktorandin: Sie trank kein Bier, traute sich jedoch nicht, dem Professor zu sagen, dass sie deshalb nicht mitkommen möchte. Ich habe ihr empfohlen, dies dem Professor offen zu sagen und er sicher dafür Verständnis haben werde.
«Es braucht eine gewisse Offenheit, dass man Probleme ansprechen kann, ohne dadurch Nachteile befürchten zu müssen.»Gerhard Tröster
Welches waren schwierigere Fälle?
Solche, bei denen ich nicht weiterkam. Etwa 80% aller Anfragen waren Beratungen, die sich mit drei E-Mails oder Gesprächen erledigen liessen. Doch dann gab es auch echte Konfliktfälle, die aufwändiger oder sogar unlösbar waren. Ich hatte jedoch nur zwei, drei solcher Fälle, bei denen ich nicht weiterhelfen konnte und andere Stellen der ETH übernehmen mussten.
Tut die ETH Zürich genügend, um Schwierigkeiten und Konflikte am Arbeitsplatz und im Studium zu vermeiden?
In den letzten vier Jahren wurde sehr viel getan. So wurde z.B. die Respekt-Kampagne lanciert und das neue Vizepräsidium für Personalentwicklung und Leadership aufgebaut. Ich würde nun abwarten, wie sich dies alles bewährt.
Was uns Ombudspersonen jedoch immer etwas auf dem Magen liegt: In manchen Fällen können wir nicht weiterhelfen, weil die anfragende Person Angst hat, unter Druck zu geraten, sollte ihr Fall bekannt werden. Ich denke, dies ist an der ETH eine kulturelle Frage. Es braucht eine gewisse Offenheit, dass man Probleme ansprechen kann, ohne dadurch Nachteile befürchten zu müssen. Hier müsste sich insbesondere das Verhältnis und die Abhängigkeit zwischen Doktorierenden und Professoren noch stärker klären.
Wie bleiben Sie mit der ETH verbunden? Und wie sehen Ihre nächsten Pläne aus?
Ich bin noch in der Schweizer Studienstiftung und betreue als Mentor eine Gruppe, lese regelmässig die ETH-News und lebe somit durchaus noch mit der ETH – die wird mich nicht so schnell los.
Nun habe ich mehr Zeit für meine Hobbies, mache Musik und reise gerne. Ich geniesse dies sehr. Was mir jedoch etwas fehlt, ist der Kontakt zu jungen Leuten. Der war mir immer wichtig. Ich habe gerne Vorlesungen gegeben und den Austausch mit den Studierenden sehr genossen. Aber: Alles ist endlich und man muss den jungen Leuten auch Platz machen und die Chance geben, etwas Neues zu machen. Wenn nur «die Alten» rumsitzen, ist das nicht gut.
Zur Person
Gerhard Tröster (*1953) leitete als ordentlicher Professor für Elektronik von August 1993 bis Juli 2018 das Fachgebiet «Digitale Systeme & Wearable Computing» am Institut für Elektronik der ETH Zürich. Nach seiner Emeritierung im Juli 2018 war er bis März 2022 als Ombudsperson der ETH tätig.
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