Die ETH Zürich bereitet sich auf einen potenziellen Energiemangel vor
Sollte es im nächsten Winter zu einer Energiemangellage in der Schweiz kommen, hätte der sichere Betrieb der Lehr- und Forschungsinfrastruktur für die ETH Zürich oberste Priorität. Eine ETH-interne Gruppe von Fachpersonen hat erste Massnahmen vorbereitet, damit die Kernaufgaben auch im Krisenfall aufrecht erhalten bleiben.
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Seit Beginn des Krieges in der Ukraine sind die Gaslieferungen von Russland nach Westeuropa laufend zurückgegangen. Ausbleibende Gaslieferungen könnten auch in der Schweiz zu einem Gasmangel führen und nachgelagert einen Strommangel auslösen. Der Bundesrat hat deshalb beschlossen, dass die Schweiz von Oktober 2022 bis Ende März nächsten Jahres 15 Prozent Gas einsparen soll, um eine ausreichende Versorgung im Winter sicherzustellen und eine Energiemangellage zu verhindern (vgl. externe Seite Medienmitteilung Bundesrat, 24.8.2022).
Risiken für Lehre und Forschung im Fokus
Wie bereitet sich nun die ETH Zürich vor? Seit Frühsommer hat eine Gruppe von technischen Fachpersonen aus dem Bereich des Vizepräsidenten für Infrastruktur von Ulrich Weidmann erste Massnahmen erarbeitet, welche bei einer Energiemangellage umgesetzt werden könnten. Besonders im Fokus sind die Risiken im Betrieb der technischen Anlagen und Apparaturen für Lehre und Forschung. Geführt wird die Gruppe von Dario D’Ercole, Leiter der Sektion Energie und Gebäudetechnik.
Stromausfälle als grösstes Risiko
Die Massnahmen adressieren nicht nur eine mögliche Gasmangellage, sondern auch mehrere Szenarien einer Strommangellage:
- Längere Stromausfälle oder eine labile Stromversorgung wären das grösste Risiko für die ETH Zürich. Eine kontinuierliche Stromversorgung beeinflusst direkt, wie gut die Infrastruktur und damit die Forschung funktioniert. Im Falle von längeren Blackouts wären sensible Forschungsgeräte besonders gefährdet, was namentlich bei langjährigen Forschungen und Datenerhebungen zu ernsthaften Problemen führen kann. In diesem Fall würden die Notstromgruppen auf dem Campus Hönggerberg und auf dem Campus Zentrum in Betrieb gesetzt. Diese können aber nur einen kleinen Teil des Bedarfs decken.
- Für die Überbrückung von kurzen Stromausfällen und Spannungsschwankungen hat die ETH Zürich in den letzten Jahren zusammen mit den experimentellen Professuren auch in sogenannte USV-Anlagen («Unterbrechungsfreie Stromversorgung») investiert.
- Die Gasversorgung der ETH Zürich betrifft hauptsächlich den Campus Hönggerberg und den Standort Schwerzenbach, und dann auch primär den sogenannten «Komfortbereich» wie zum Beispiel die Raumtemperatur in den Büros.
«Beim Gas haben wir an der ETH Zürich insgesamt ein grösseres Einsparpotenzial ohne direkten Einfluss auf den Lehr- und Forschungsbetrieb als beim Strom», sagt Dario D’Ercole, Leiter der Expertengruppe. Zudem ist die Heizung auf dem Hönggerberg eine sogenannte Zweistoffanlage, die sich sowohl mit Gas als auch mit Heizöl betreiben lässt. Eine Umstellung von Gas auf Heizöl ist laut der internen Arbeitsgruppe für die Standorte Hönggerberg und Schwerzenbach technisch machbar – und wurde auch schon praktiziert. Sie wäre nur eine Notfalllösung, um die nötigen Ölvorräte zu sichern, da die Verbrennung von Öl den Netto-Null-Bestrebungen der ETH widerspricht.
Konkrete Massnahmen werden situativ beschlossen
Welche konkreten technischen oder betrieblichen Massnahmen es bei einer Energiemangellage an der ETH Zürich geben wird, kann erst situativ festgelegt werden, wenn das Szenario absehbar ist. Die ETH-Angehörigen werden über die Risiken und Massnahmen zeitgerecht orientiert, sobald die Schulleitung die entsprechenden Beschlüsse und Empfehlungen verabschiedet hat, oder Massnahmen vom Bundesrat verbindlich vorgegeben werden. Als Grundsatz gilt für die ETH, dass jede mögliche Massnahme integral unter Gesichtspunkten des Gesamtenergieverbrauchs betrachtet wird und tatsächlich zu einer Einsparung führen muss.
Heiztemperatur und Brauchwarmwasserversorgung
Mutmasslich wird die ETH Zürich weitere Massnahmen umsetzen, die der Bund derzeit vorbereitet, um den Gas- und Energieverbrauch im Winterhalbjahr 2022 / 2023 zu senken. Dazu gehören zum Beispiel die Reduktion der Heiztemperatur und das Abschalten des Brauchwarmwassers in den Gebäuden oder die Abschaltung von energieverbrauchenden Apparaten, die nicht zwingend in Betrieb sein müssen. Die vom Bund vorgeschlagene, weitgehende Einstellung des Verwaltungsbetriebs zwischen 24. Dezember 2022 und 4. Januar 2023 ist an der ETH bereits üblich.
«Wir prüfen auch die Möglichkeit, gewisse Verwaltungs- und Bürogebäude im Krisenfall komplett stillzulegen. Die Lehr- und Forschungstätigkeiten wären aus Sicht der ETH Zürich von dieser Massnahme weitgehend nicht betroffen», sagt Dominik Brem, Leiter der Abteilung Engineering und Systeme.
Weitergehende Massnahmen möglich
Für den Fall, dass die ETH Zürich zusätzliche Einsparungen erreichen muss, sollen in einem nächsten Schritt auch die Departemente sowie die Lehr- und Forschungseinrichtungen in die weitergehenden Überlegungen zur Reduktion des Energiebedarfes einbezogen werden.
«Neben der Problematik der Energiemangellage ist die ETH Zürich auch finanziell gefordert», sagt Ulrich Weidmann. Trotz der vorausschauenden und gestaffelten, sogenannt strukturierten Beschaffung von Strom über jeweils drei Jahre droht 2023 im schlimmsten Fall eine Verdoppelung der Stromkosten der ETH Zürich im Vergleich zu 2022. «Die Energiesparmassnahmen haben somit auch eine positive und unmittelbare Auswirkung, denn sie leisten einen wichtigen Beitrag, um die drohende Energiemangellage zu entschärfen und die wachsenden Energiekosten der ETH einzudämmen», sagt Weidmann.
Weitere Informationen
- externe Seite Energie: Bundesrat beschliesst Grundsätze für Gasmangellage (Der Bundesrat, 24.08.2022)
- externe Seite Bundesrat treibt Vorbereitungen für drohende Mangellagen im Energiesektor weiter voran (Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung, BWL)
- externe Seite Energie: Stärkung der Versorgungssicherheit (Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK)
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