«Ich möchte wichtige Themen mit der notwendigen Tiefe diskutieren»
Alex Widmer ist der erste Sprecher der Departementsvorsteher:innen, ohne selbst Departementsvorsteher zu sein. Im Interview sagt er, wo er die grössten Herausforderungen sieht und was er in der neuen Rolle bewegen will.
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Den Anliegen der Departemente in den Sitzungen mit der Schulleitung Gehör verschaffen: Das ist die Hauptaufgabe des Sprechers, der Sprecherin, der Departementsvorsteher:innen (DV). In der neuen Organisationsverordnung, die auf 1. Januar 2025 in Kraft tritt, wird diese Rolle aufgewertet.
Einem Vorschlag aus dem Organisationsentwicklungsprojekt rETHink folgend soll sie nicht mehr von einer Person aus dem Kreis der aktuellen DV wahrgenommen werden, sondern aus jenem der ehemaligen. Indem die Doppelrolle von DV und Sprecher:in vermieden wird, soll mehr Zeit in die Funktion investiert werden können. Ausserdem soll eine Geschäftsstelle Unterstützung bieten und gleichzeitig für Kontinuität sorgen. Dazu wird auch beitragen, dass die Amtsperiode neu zwei Jahre dauert. Zudem ist eine Wiederwahl möglich.
Alex Widmer wurde von den DV als Erster in diese neue definierte Rolle gewählt. Er war im ersten Halbjahr 2024 Sprecher und nimmt die Funktion nun auch in der Übergangszeit wahr.
Alex Widmer ist seit 2005 Professor für Ökologische Pflanzengenetik im Departement Umweltsystemwissenschaften (D-USYS) der ETH Zürich. Im Laufe seiner Karriere engagierte er sich in unterschiedlichen Funktionen für die Hochschule. Unter anderem war er von 2007 bis 2010 Studiendirektor und von 2012 bis 2019 Mitglied der ETH-Forschungskommission. Anschliessend wirkte er bis 2021 als stellvertretender Vorsteher und dann bis Sommer 2024 als Vorsteher des D-USYS. Im ersten Halbjahr fungierte er zudem als Sprecher der Departementsvorsteher:innen (DV).
Herr Widmer, wo liegt die grösste Herausforderung für den Sprecher der DV?
Das ist sicherlich die knappe Zeit. Viele Themen sind komplex und kommen oft kurzfristig auf. Wenn das Semester mit all seinen Geschäften läuft, ist es beinahe unmöglich, die DV zusammenbringen. Es gibt dafür genau ein Zeitfenster: Die zwei Stunden vor der Sitzung mit der Schulleitung. In diesen 120 Minuten die verschiedenen Gesichtspunkte, Meinungen und Prioritäten einigermassen spiegeln zu können, ist eine Herausforderung.
Wie gelingt es, dennoch zu einer konsolidierten Meinung zu kommen?
Ich glaube, eine konsolidierte Meinung ist nicht realistisch und kann auch nicht das Ziel sein. Meiner Meinung nach geht es darum, Themen zu eruieren, die verschiedene Departemente derart beschäftigen, dass es sinnvoll ist, sie im gemeinsamen Gremium mit der Schulleitung zu diskutieren. Individuelle Themen können die einzelnen Departemente direkt mit den zuständigen Mitgliedern der Schulleitung besprechen.
Weshalb braucht es in den Sitzungen mit der Schulleitung keine konsolidierte Meinung der Departemente?
In den gemeinsamen Sitzungen werden keine Beschlüsse gefasst; die Verantwortung für Entscheide liegt in der Regel bei der Schulleitung. Deshalb brauchen die DV nicht in erster Linie eine konsolidierte Meinung oder einen gemeinsamen Standpunkt. Wichtig ist, dass die DV ihre Fragen und Schwierigkeiten, sowie ihre Erfahrungen, Meinungen und Anregungen direkt einbringen und diskutieren können.
Wie erleben Sie die Diskussionen mit der Schulleitung?
Grundsätzlich ist die Zusammenarbeit sehr konstruktiv. Ich habe den Eindruck, dass wir sehr offen diskutieren. Bei komplexen Themen kann es immer wieder vorkommen, dass gewisse Teilaspekte nicht angesprochen werden. Das ist aufgrund der beschränkten Zeit kaum vermeidbar. Wir schätzen es deshalb, dass wir uns zwei Mal pro Jahr einen ganzen Nachmittag lang mit der Schulleitung austauschen, was vertiefte Diskussionen zulässt.
Was möchten Sie in der neuen Rolle bewegen?
Ich möchte die Bedingungen dafür schaffen, dass wir Themen auf der richtigen Ebene ansprechen. In unseren Sitzungen unter den DV und mit der Schulleitung müssen wir wichtige Themen mit der notwendigen Tiefe diskutieren können. Das bedeutet, dass wir einen Weg finden müssen, jene Themen aus den Sitzungen herauszunehmen, die wir auf einer anderen Ebene besser lösen können.
An welche Themen denken Sie da?
Das Thema ‘Putzen’ zum Beispiel kommt immer wieder auf und wird emotional diskutiert. Doch wir finden in den Sitzungen mit der Schulleitung keine Lösung dafür. Ich bin überzeugt: Solche Anliegen bringen wir besser auf einer anderen Ebene ein und schauen mit den Fachpersonen, wie sie im Rahmen des Machbaren umgesetzt werden können.
Gibt es weitere Impulse, die Sie als Sprecher einbringen möchten?
Vielleicht die Art, wie wir in den Sitzungen Änderungsvorschläge diskutieren. Wir alle haben nicht gern Veränderungen in einem System, das grundsätzlich gut funktioniert. Trotzdem kommen Änderungen in einer hohen Taktfrequenz auf uns zu. Ich denke, wir sind gut beraten, wenn wir uns jeweils genau fragen, welche Vor- und Nachteile sie mit sich bringen. Sich klarzuwerden, ob man eine Veränderung ablehnt, weil sie einen Nachteil mit sich bringt oder ob man davon einfach nicht begeistert ist, weil es eine Veränderung ist, scheint mir wichtig.
Sie haben sich seit Ihrer Wahl zum ETH-Professor immer in Gremien engagiert. Was motiviert Sie, solche Aufgaben zu übernehmen?
Ich habe an der ETH studiert und kenne die ETH auch als Postdoc und als Senior Scientist. Ich verdanke der Institution sehr viel, und sie liegt mir am Herzen. Die Möglichkeit, dass wir uns an der ETH ganz im Sinne des schweizerischen demokratischen Systems einbringen und etwas verändern können, finde ich sehr wertvoll. Die ETH lebt von diesem Bottom-up-Engagement. Gleichzeitig ist es nicht immer einfach, Professorinnen und Professoren dazu zu bewegen, sich für institutionelle Belange zu engagieren. Es sind oft die gleichen Leute, die solche Funktionen übernehmen. Es wäre schön, wenn wir mehr Kolleginnen und Kollegen dafür gewinnen könnten.
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