ETH – auf dem richtigen Pfad
Kollege Harald Bugmann bringt in seiner Kritik der Hochschulrankings ein wichtiges Thema auf. Ich plädiere für einen pragmatischen Umgang damit. Aber auch dafür, dass das heutige klare Profil der ETH nicht verwässert werden soll.
Die Ranglisten erhalten wir jedes Jahr fast schon mit saisonaler Verlässlichkeit geliefert: das Shanghai-Ranking wartet jeweils Ende August mit den neusten Zahlen auf, dann zieht das QS-Ranking Mitte September nach und das THE-Ranking beendet Anfang Oktober jeweils den Reigen. Und wir wissen aus ETH-Sicht: Viel hat sich an unserer Position nicht verändert über die letzten Jahre, die ETH Zürich gilt in all diesen Hochschulvergleichen jeweils als beste Universität Kontinentaleuropas.
Was ist meine Haltung zu den Rankings? Eine – vielleicht typisch schweizerisch – pragmatische, indem ich sie weder hochjuble noch verteufle, sondern versuche, das Beste daraus zu machen. Man mag es bedauern oder nicht: Solche Vergleiche sind im Zeitalter eines globalisierten Hochschulmarktes ein Fakt. An der Seitenlinie stehen und schmollen ist keine Option. Man soll aber immer zwei Dinge betonen, wenn man zur Aussagekraft solcher Rankings befragt wird: Zum einen geben solche Ranglisten nie die ganze Komplexität und die Eigenart einer Universität wieder, zum andern sollten Hochschulleitungen nie den Fehler begehen und ihre Strategie ändern, nur um in den Rankings besser abzuschneiden.
Erhöhte internationale Sichtbarkeit
Die Rankings, man mag es bedauern, werden gerade im asiatischen Raum durchaus wahrgenommen. Meine Aufgabe in den letzten sieben Jahren war es unter anderem, unsere Schule international zu positionieren. Und wir befinden uns in der privilegierten Lage, dass die ETH dank der prominenten Erwähnung in den besagten Rankings jedes Jahr international hohe mediale Beachtung erhält. Ohne dass wir hier viel Geld ausgeben müssten für teure Werbung, notabene. Wir haben in diesen Tagen und Wochen CNN und BBC zu Besuch an der ETH. Das alles ist selbstverständlich nicht nur auf die Rankings zurückzuführen, aber auch; diese haben unsere Sichtbarkeit über die eigentliche Wissenschaftsgemeinde hinaus erhöht, das ist ein anderer Fakt.
Umfassende Abklärungen bei Berufungen
Die Qualitäten eines Professors, einer Professorin, sind viel umfassender als ein noch so eindrücklicher Leistungsausweis in Form von Publikationen in wissenschaftlichen Journals wiedergeben kann. Das sehe ich auch so, wie im Meinungsbeitrag von Harald Bugmann beschrieben. Sie sind ebensosehr Lehrpersonen wie Forschende, sie sind als Führungspersönlichkeit gefordert, müssen offen sein für die Zusammenarbeit mit der Industrie und sie müssen schliesslich ihr Tun in erhöhtem Masse gegenüber den Medien erklären, die mehr Transparenz einfordern.
Was die Berufungen angeht, so ist es das Privileg des ETH-Präsidenten, den oder die Kandidatin zuhanden des ETH-Rats zur Wahl vorzuschlagen. Aber es wäre vermessen zu glauben, dass der Präsident das überaus wichtige Geschäft der Berufungen im Alleingang erledigt. Ich konnte mich wie meine Vorgänger auf die Expertise von Berufungskommissionen stützen. Weil es bei Berufungen nicht bloss um das Zusammenzählen von Zitationen geht, sondern darum, die Persönlichkeit möglichst umfassend zu beurteilen und ihr Zukunftspotential einzuschätzen, braucht es Menschen dazu. Ein Computerprogramm reicht hier nicht aus. Ich persönlich habe in 90 bis 95% der Fälle die Empfehlungen der Kommission übernommen. Berufungen erfolgen mit allergrösster Sorgfalt;sie sind zu wichtig, als dass man sich unter Zeitdruck zu einem unausgereiften und überstürzten Entscheid hinreissen lassen darf.
Bekenntnis zur Theorie und Praxis
Harald Bugmann spricht den hohen Praxisbezug der Absolventen des USYS an; ein Umstand, auf den man mit Recht stolz sein darf. Es zeigt, wie begehrt unsere Absolventinnen und Absolventen sind und wie manchmal das Vorurteil des theorielastigen ETH-Absolventen, der erst einmal in den Niederungen der Berufspraxis ankommen muss, um zum vollwertigen Spezialisten zu werden, nicht zutrifft. Es zeigt für mich aber auch, wie breit wir aufgestellt sind an der ETH, und dass wir wegen der Unterschiedlichkeit der Situationen nicht alle Studiengänge über den gleichen Leisten schlagen sollen.
Eines möchte ich hier aber in aller Deutlichkeit festhalten: Für mich nicht verhandelbar ist das solide theoretische Fundament, das – in der Schweiz zusammen noch mit der EPFL – nur wir zu liefern imstande sind. Es wird viel getan, um die Praxis bereits ins Studium zu holen und unsere Studierenden an realen Problemen arbeiten zu lassen. Aber wenn ich in einer Güterabwägung wählen müsste zwischen mehr Grundlagen oder mehr Praxis in einem äusserst anspruchsvollen und beladenen ETH-Studium, ist meine Wahl klar. Theoretische Grundlagen lernt man nie mehr so leicht wie während des Studiums, die Praxistauglichkeit erwirbt man nolens volens ab dem ersten Tag im Berufsleben.
Und vor allem sind gründliche Kenntnisse in Mathematik und Naturwissenschaften das, was uns im sehr ausdifferenzierten Schweizer Bildungssystem ein klares Profil gibt und international die Voraussetzung schafft, um mit den Besten mitzuhalten.