ETH soll hindernisfrei werden
Die ETH ist eine offene Hochschule. Das heisst auch: Physische Einschränkungen dürfen kein Grund sein, auf den Zugang zur ETH verzichten zu müssen. Mit dem Projekt «Hindernisfreiheit an der ETH» wird ermittelt, wo die Infrastrukturen noch angepasst werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen.
Eine kleine Stufe an der Eingangstür, kein rollstuhlgängiges WC, Webinformationen, die mit einer Sehbehinderung unzugänglich bleiben: Für Nichtbetroffene geringfügige Hürden in Organisationen und Unternehmen reichen aus, um Menschen mit speziellen Bedürfnissen daran zu hindern, eine Tätigkeit in Angriff zu nehmen, die ihrem Wunsch und Können entspricht. Unter Umständen mit gravierenden Folgen für deren weiteren Karriereverlauf.
Auch ETH-Gebäude und andere Infrastrukturen, etwa die IT-Systeme oder der Bus ETH-Link, sollten für alle ETH-Angehörigen und Gäste nutzbar sein. Dasselbe gilt für die ETH-Kernleistung Vorlesungen. «Das ist eigentlich selbstverständlich, aber real eine Herausforderung», sagt Horst Weltner. Er koordiniert im Auftrag der Schulleitung das Projekt «Hindernisfreiheit an der ETH» und war in diversen Projekten bereits als Interimsmanager an der ETH tätig. Präsidiert wird die Steuerungsgruppe des Projekts von Ulrich Weidmann.
Verpflichtet, Hürden abzubauen
Für den Vizepräsidenten für Personal und Ressourcen ist das Thema Hindernisfreiheit von beträchtlicher Bedeutung, da der ETH Zürich hier wie auch in anderen Bereichen eine gesellschaftliche Verantwortung zukomme: «Unsere Hochschule wird von der Schweiz getragen, sie ist für alle da. Das verpflichtet uns dazu, die Diversität aktiv zu ermöglichen und Zugangshürden abzubauen.»
Was macht dies so schwierig? Besonders historische Gebäude seien seinerzeit nicht hindernisfrei konzipiert worden. Bei deren Anpassung seien aber limitierende gesetzliche Vorgaben zu berücksichtigen, etwa bezüglich Denkmalschutz, so Horst Weltner. «Hier gilt es im Dialog unter den involvierten Baufachleuten und Behindertenorganisationen kluge Lösungen zu finden, welche den unterschiedlichen Bedürfnissen entsprechen. Wir können uns dabei auch auf die konstruktive Unterstützung und Erfahrung der Denkmalpflege abstützen.» Denn klar ist auch: Das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes verlangt, dass Zugangshürden, seien sie physisch oder IT-spezifisch, wo immer möglich abgebaut werden müssen.
Fokus auf Mobilität, Sehen und Hören
Im jetzt gestarteten Projekt geht es zunächst darum, genau zu erfassen, wo es in ETH-Gebäuden an allen Standorten Einschränkungen gibt. Auf dieser Basis erarbeitet das Projektteam dann Lösungsvorschläge und einen Umsetzungsplan zuhanden der Schulleitung.
Zwei Themen stehen dabei gegenwärtig im Zentrum. Zum einen Hindernisse, welche die Mobilität betreffen, also etwa Grundstückzugänge und Barrieren in Gebäuden. Zum anderen liegt der Fokus auf Seh- und Hörbehinderungen, die den Besuch von Vorlesungen erschweren, ja verunmöglichen können. 2020 sollte das Projekt «Hindernisfreiheit an der ETH» abgeschlossen und klar sein, wo und wie der Abbau von Hindernissen konkret umgesetzt werden kann.
«Design for all»
Menschen mit Behinderung den Zugang zu Lehre und Forschung zu ermöglichen, sei letztlich das wichtigste Ziel des Projekts, sagt Horst Weltner. Dabei sei es einerlei, ob das Gebäude im Besitz der ETH sei oder «nur» gemietet werde. «Für Nutzerinnen und Nutzer, die ein Problem mit dem Zugang haben, spielt dies schliesslich auch keine Rolle.» Um ans Ziel zu kommen, wird von Anfang an grosser Wert auf die Zusammenarbeit mit Betroffenen und Behindertenorganisationen gelegt, namentlich mit der Behindertenkonferenz Kanton Zürich (BKZ).
Diese waren involviert, als Ende Januar 2019 die Bestandsaufnahme im ETH-Haupt- und dem MM-Gebäude gestartet wurde. Der Komplex mit seiner über 100-jährigen Baugeschichte stellt die Experten vor einige anspruchsvolle Aufgaben. Konsequenter barrierefrei gedacht werden kann, wenn neu geplant und gebaut wird. «Gute Infrastruktur sollte grundsätzlich von Anfang an auf alle Bedürfnisse ausgerichtet sein. So, dass es keine Sonderlösungen braucht, um Behinderungen zu überbrücken», betont Ulrich Weidmann. Das Stichwort dazu, nach dem die ETH sich beim Bauen und Sanieren künftig richten will, heisst: «Design for all.»