Kultur und Werte – rETHink!

Der Workstream «Kulturentwicklung» des Organisationsentwicklungsprojekts rETHink hat Fahrt aufgenommen. ETH-Angehörige aus allen Hochschulgruppen haben erste Diskussionen über die Werte geführt, denen sich unsere Hochschule verpflichten soll. Damit ist die Basis für eine breite Diskussion gelegt.

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Grafik: ETH Zürich

Die ETH-Kultur prägt uns alle. Und wir alle prägen die ETH-Kultur. Denn sie entsteht aus den Werten, Normen und Denkmustern, die wir kollektiv teilen. Und sie manifestiert sich in den Entscheiden, die wir treffen. In den Entscheiden der Schulleitung ebenso wie in den individuellen Entscheiden, die jede und jeder von uns im Alltag trifft.

Die meisten Organisationen und Unternehmen schreiben die kulturbildenden Werte in Leitbildern nieder. Das bedeutet aber nicht, dass diese Werte auch tatsächlich gelebt werden. Das führen uns die Medien eindrücklich vor Augen, wenn sie über Fehlverhalten von Mitarbeitenden in Firmen und Institutionen berichten.

ETH-Kultur und Werte

An der ETH Zürich befasst sich seit einem halben Jahr eine Gruppe von rund 20 Personen aus unterschiedlichen Einheiten intensiv mit Kultur und Werten: das Kernteam des rETHink-Workstreams 6. Dabei kann es sich auf die Vorarbeit der Strategiekommission abstützen, die in einem vorgelagerten rund zweijährigen Prozess für die Strategie 2021-2024 Werte definiert hat, die den künftigen Entscheidungen unserer Hochschule zugrunde liegen sollen. Mit dem Ziel, wegweisend in einer komplexen Welt zu sein, soll die ETH Zürich auf die Werte Verantwortung, Offenheit, Vielfalt, Teamgeist und Exzellenz bauen.

Kulturentwicklung im Dialog

Nun lassen sich Werte nicht einfach top-down verordnen. Kulturentwicklung findet im Dialog statt. Ein erster Schritt dazu wurde mit der Vernehmlassung des Strategie- und Entwicklungsplans 2021-2024 unternommen, in dem die Mission und die Werte als ETH Charta erscheinen. Einzelne Rückmeldungen hatten denn auch Anpassungen zur Folge, vor allem bei der Umschreibung der Werte. Denn die Begriffe müssen mit einer «Bedeutungswolke» umgeben werden, damit sie im Kontext der ETH verstanden und gelebt werden können. Die fünf Worte allein könnten auch für eine weltweit führende Versicherungsgesellschaft oder einen Schraubenproduzenten zutreffen. Entsprechend hat die Strategiekommission die Werte folgendermassen umschrieben.

Fünf Werte für die ETH

Verantwortung
Integrität, gegenseitiger Respekt sowie die Achtung von Mensch und Umwelt sind die Grundlagen unseres Handelns. Aufbauend auf einer Kultur von Critical Thinking und dem stetigen Streben nach nachhaltigen Lösungen, beschäftigen wir uns mit den grossen Herausforderungen unserer Zeit.

Offenheit
Wir sind offen für neue Ideen, Talente und Partnerschaften. Dabei legen wir Wert auf Transparenz nach innen und aussen. Mitwirkung ist ein wesentliches Merkmal der Entscheidungsfindung und wirkt identitätsstiftend. Studierende, Forschende und Mitarbeitende sind dabei gleichberechtigt.

Vielfalt
Unser Erfolg beruht auf dem grossen Spektrum an Talenten, die kreativ mutige Ideen entwickeln und diese umsetzen. Wir begreifen Diversität in allen Aspekten als Chance. Unsere globale Ausrichtung sowie der intensive Austausch mit der Gesellschaft und über Fachgrenzen hinweg tragen wesentlich zur Entwicklung neuer Forschungsfragen und der Lehre bei.

Teamgeist
Komplexe Fragestellungen lösen wir disziplinen- und funktionsübergreifend in komplementären Teams. Wir engagieren uns für die ETH und pflegen unsere Kultur des Miteinanders, der gegenseitigen Wertschätzung und des voneinander Lernens.

Exzellenz
Wir streben in all unseren Tätigkeiten nach Exzellenz. Unsere Angehörigen – Studierende, Forschende und Mitarbeitende – prägen durch die Qualität ihrer Beiträge unsere Hochschule und die Gesellschaft.

Diskussion lanciert

Das Kernteam des Workstreams 6, dem auch Mitglieder der Strategiekommission angehören, hat beschlossen, die ETH-weite Diskussion über die ETH-Kultur mit diesen fünf Werten zu starten. Sie stellen also den Ausgangspunkt dar und sind nicht als in Stein gemeisselt zu betrachten. So kann sich im Laufe der verschiedenen Reflexionsrunden die Bedeutungswolke des einen oder anderen Werts noch ändern, möglicherweise fällt ein Wert ganz weg oder aber ein neuer kommt hinzu.

Gestartet wurde die Diskussion im Kernteam selbst: Sind das die richtigen Werte? Kommen sie vor, wenn wir die ETH beschreiben? Leben wir sie bereits? Haben sie sich beispielsweise während des Lockdowns manifestiert? Und wo gibt es grosse Abweichungen zwischen der Umschreibung und der Art und Weise, wie die Werte an der ETH gelebt werden?

Um weitere Stimmen zu hören, haben einzelne Projektgruppenmitglieder diese Fragen in verschiedene Teams, Abteilungen und Organisation-übergreifende Gruppen getragen. In sieben sogenannten Dialogfenstern wurden zum einen die Werte diskutiert, zum anderen wurde die Frage gestellt, wie diese Diskussion mit der ganzen ETH geführt werden kann. Keine einfache Aufgabe angesichts der mehr als 500 Professuren und beinahe 30'000 Mitarbeitenden, Doktorierenden und Studierenden, die unsere Hochschule ausmachen.

Erste Stimmen zu den Werten

Während vier der fünf Werte weitgehend unbestritten waren, gab die Exzellenz am meisten zu reden und wurde auch kontrovers diskutiert: Ist das ein Wert, oder eher der Auftrag an die ETH? Verträgt sich Exzellenz mit Teamgeist und Verantwortung, oder ist sie das Resultat aus den anderen vier Werten? Mit Blick auf die Diversität wurde in mehreren Diskussionsrunden zudem kritisch angemerkt, dass die ETH männlich dominiert sei.

Begegnung auf Augenhöhe, Vertrauen oder Ermöglichung, Leistung(sbereitschaft), Neugier oder Innovationsgeist, Leidenschaft oder Begeisterung, allenfalls auch Demut oder Bescheidenheit als Gegenpol zur Exzellenz, wurden als weitere mögliche Werte vorgeschlagen.

In verschiedenen Diskussionsrunden wurde angeregt, die Werte angesichts der Vielfalt der ETH auf die einzelnen Einheiten herunter zu brechen, weil sie dort unterschiedlich gelebt würden. Für die weitere Diskussion wünschten sich die Teilnehmenden generell mehr konkrete Beispiele, von Rollenmodellen und «Good Practices» war die Rede. Aber auch von roten Linien, die einer Abweichung von den Werten Grenzen setzen. In diesem Zusammenhang wurde auch die Frage der Notwendigkeit von Sanktionen aufgeworfen.

Wie weiter diskutieren?

Unbestritten war in allen Diskussionen, dass ein breiter und vielfältiger Gedankenaustausch notwendig ist, der über die klassischen Mitwirkungsgremien hinausgeht. Daran sollen sich möglichst viele ETH-Angehörige beteiligen können, um einen Lernprozess zu ermöglichen, der die ganze Hochschule erfasst. Betont wurde, dass die Diskussionen über die Werte ehrlich und offen geführt werden sollen, verschiedentlich wurde ausdrücklich vor einer Pro-forma-Beteiligung gewarnt.

Gleichzeitig wünschen sich die Diskussionsteilnehmenden aber auch einen Rahmen für die Diskussion. In einem reinen Bottom-up-Ansatz sehen sie die Gefahr, dass man am Schluss auf keinen gemeinsamen Nenner kommt. Es werden auch Gespräche über die Grenzen einzelner Organisationseinheiten hinweg gewünscht, damit sich ETH-Angehörige aus möglichst unterschiedlicher Perspektive austauschen können. In einer Runde wurde kritisch angemerkt, dass die Studierenden bisher zu wenig einbezogen wurden. Und schliesslich wurde überall auf die Bedeutung der Kommunikation im ganzen Prozess hingewiesen, insbesondere auch mit Blick auf Partizipationsmöglichkeiten.

Nächste Schritte

Die Feststellungen und Anregungen aus den Dialogfenstern deckten sich weitgehend mit jenen aus dem Kernteam. Dieses erarbeitet zurzeit die Formate und die Inhalte für die weiteren Diskussionen, die in ersten Pilotgruppen bis Ende Jahr geführt werden sollen. Basierend auf diesen Erfahrungen soll die Diskussion im ersten Halbjahr 2021 dann auf die ganze ETH ausgedehnt werden.

Parallel dazu will sie bereits jetzt allen ETH-Angehörigen die Möglichkeit geben, die Werte individuell zu reflektieren. Dafür wird auf «Intern aktuell» ein Blog eingerichtet, der auf dem Studierendenportal gespiegelt wird. Um ein breiteres Bild der aktuellen Situation zu erhalten, plant das Kernteam zudem eine Umfrage, an der sich alle ETH-Angehörigen beteiligen können. Die Ausschreibung folgt im September.

rETHink

Mit dem von Präsident Joël Mesot initiierten Projekt rETHink sollen die Weichen für die institutionelle und organisatorische Weiterentwicklung der ETH Zürich gestellt werden. In sechs Teilprojekten wird die heutige Organisation der ETH Zürich reflektiert und an den Herausforderungen gespiegelt, mit denen sich die Hochschule heute und morgen konfrontiert sieht. Damit soll die ETH Zürich fit bleiben für die Zukunft. Ziel ist es, auch in zwanzig Jahren noch zu den renommiertesten Universitäten der Welt zu gehören.

Weitere Informationen:

Hintergrund

Workstream 6 «Kulturentwicklung»

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