Maskenpflicht in Vorlesungen
Das Schutzkonzept der ETH Zürich für das Herbstsemester 2020 sieht eine allgemeine Maskentragpflicht vor. Hermann Lehner, Leiter der Akademischen Dienste, spricht über die Hintergründe und darüber, wie die Massnahme konkret umgesetzt wird.
Herr Lehner, weshalb führt die ETH Zürich im Lehrbetrieb eine Maskentragpflicht ein?
Die ETH Zürich versteht sich als Präsenzuniversität. So hat unsere Rektorin Sarah Springman bereits Mitte Juni angekündigt, dass ETH-Studierende im Herbstsemester 2020 die Gelegenheit erhalten sollen, möglichst viele Veranstaltungen in Präsenz zu besuchen. Die Maskentragpflicht ermöglicht uns, Präsenzunterricht in ausreichendem Mass anzubieten und gleichzeitig verantwortungsvoll mit der Pandemiesituation umzugehen.
Bedeutet diese Tragpflicht, dass die Studierenden nun den ganzen Tag eine Schutzmaske tragen müssen?
Zumindest einen grossen Teil des Tages, ja. In den ETH-Gebäuden gilt schon seit dem 24. August eine Maskentragpflicht, und diese erstreckt sich nun auch auf sämtliche Unterrichtsräume. Wenn Studierende zwischen zwei Präsenzveranstaltungen aber an einem Arbeitsplatz sitzen, bei dem der Mindestabstand eingehalten werden kann, dürfen sie die Maske selbstverständlich abnehmen. Auch an Verpflegungsorten und im Aussenbereich des Campus muss gemäss der aktuellen Regelungen keine Maske getragen werden.
Stichwort Studierendenarbeitsplätze: Sind diese in ausreichender Zahl vorhanden?
Da sprechen Sie eine wichtige Frage an. Zum einen bauen wir das Angebot aus. Gemeinsam mit den Verantwortlichen des Bereichs Infrastruktur und den Departementen haben wir Flächen in den Gebäuden identifiziert, auf denen zusätzliche Arbeitsplätze eingerichtet werden können. Zum anderen rufen wir alle Studierenden auf, nur im Kontext einer Präsenzveranstaltung an die ETH zu kommen. Das heisst, die Arbeitsplätze sind jenen Studierenden vorbehalten, die zwischen zwei Präsenzveranstaltungen beispielsweise eine Online-Veranstaltung verfolgen. Alle anderen Studierenden sollen nach Möglichkeit nicht auf dem Campus arbeiten. So verringern wir generell den Druck auf die Infrastruktur, also auch auf die Mensen.
Es ist bekannt, dass Masken keinen absoluten Schutz bieten. Wie sieht die Situation für Studierende aus, die einer Risikogruppe angehören?
Wer einer Risikogruppe angehört, soll in erster Linie das Online-Angebot nutzen. Vorlesungen werden in der Regel aufgezeichnet, und für andere Veranstaltungen wie etwa Übungsgruppen gibt es wenn immer möglich eine Online-Variante. Dieses Angebot kann selbstverständlich auch von Studierenden genutzt werden, die aus anderen Gründen nicht an die ETH kommen können oder wollen. Ein hochwertiges und von vornherein geplantes Online-Angebot soll die hohe Qualität der Lehre auch in diesem Setting gewährleisten.
Was die Belegungsplanung der Räume nicht gerade vereinfacht…
Da haben Sie recht. Unsere Planung basiert darauf, Räume in der Regel zu maximal 50% zu belegen. Zur Planungssicherheit trägt bei, dass die Lehrveranstaltungen nur von den dafür eingeschriebenen Studierenden besucht werden darf. Diese Vorgabe ergibt sich aus den Anforderungen des Contact Tracings. Zudem haben wir bei der Raumzuteilung Erfahrungswerte der realen Besuchszahlen aus der Vergangenheit einbezogen. Wir können aber nicht ganz ausschliessen, dass es zu einzelnen Fällen kommt, bei denen Studierende in einem Raum keinen Platz mehr finden, weil die maximale Belegungszahl bereits erreicht ist. Hier können wir nur um Verständnis für die Ausnahmesituation bitten und an die Flexibilität der Studierenden appellieren. Auch hier wird das hochstehende Online-Angebot einen grossen Nutzen bieten.
Sie sprechen bei der 50%-Belegung vom Regelfall. Welche Ausnahmen gibt es?
Spezielle Regelungen haben wir für Studierende, die im Herbst ihr Bachelorstudium aufnehmen, also ins Basisjahr starten, das darüber entscheidet, ob sie die Möglichkeit erhalten, ihr Studium fortzuführen. Die Erfahrung zeigt, dass gerade in diesem ersten Jahr kollegiale Netzwerke wesentlich zum Studienerfolg beitragen. Den Erstsemestrigen wollen wir deshalb möglichst viel Gelegenheit für einen echten Austausch und eine Interaktion untereinander bieten. Angesichts der Raumknappheit haben wir organisatorische Vorkehrungen getroffen, die es uns erlauben, in den Räumen mehr als 50% der Kapazität zu nutzen.
Wie sehen diese Vorkehrungen aus?
Alle Erstsemestrigen werden in „Bubbles“, also feste Untergruppen eingeteilt, in denen sie sämtliche Übungen und Praktika belegen. Diese Bubbles werden nicht gemischt, das heisst, dass die Studierenden die Veranstaltungen nicht frei wählen oder die Gruppe wechseln dürfen. Diese Bubbles sind ein wichtiges zusätzliches Instrument, um grossflächigen Infektionsherden an der ETH entgegenzuwirken. Selbstverständlich gibt es aber auch für Erstsemestrige ein Online-Angebot. Dieses richtet sich hauptsächlich an Studierende aus Risikogruppen, steht aber wie bereits erläutert grundsätzlich allen offen.
Lassen Sie uns zum Schluss noch die Perspektive wechseln: Gilt die Maskentragpflicht auch für die Dozierenden?
Generell ja. In Hörsälen und speziell bezeichneten grossen Seminarräumen dürfen Lehrpersonen aber anstelle der Maske andere Schutzmassnahmen nutzen, wie etwa Face Shields. Gerade in grossen Veranstaltungen, in denen Dozierende ein Mikrofon benutzen, führt dies zu einer besseren Verständlichkeit. Eine Voraussetzung für ein Weglassen der Maske ist, dass die Dozierenden genügend Abstand zu den Studierenden halten können.
Das Tragen einer Schutzmaske stellt eine Einschränkung des Komforts dar. Rechnen Sie auch mit kritischen Stimmen zum Schutzkonzept?
Die Maskentragpflicht führt bestimmt zu einigen Diskussionen. Sie bringt aber zum Ausdruck, dass die Gesundheit der ETH-Angehörigen oberste Priorität geniesst. Unser Ziel ist es, alles daran zu setzen, einen grossen Infektionsherd, also einen Superspreader Event, zu vermeiden. Generell sind die Massnahmen für das Herbstsemester breit abgestützt. Sie wurden vom Rektorat und der Abteilung Sicherheit, Umwelt und Gesundheit gemeinsam mit den Personen erarbeitet, die in den Departementen für die Lehre verantwortlich sind; und auch der Studierendenverband VSETH und der Verband des Mittelbaus AVETH haben sich eingebracht. Allen Beteiligten war es ein grosses Anliegen, ein Regelwerk zu schaffen, das nachhaltig ist, das es also unserer Hochschule erlauben soll, den Präsenzunterricht über das ganze Semester hinweg sicherzustellen. Nun hoffen wir, dass uns da die Entwicklung der Pandemie keinen Strich durch die Rechnung macht.