«Wir dürfen nicht stehen bleiben»
Jetzt ist bekannt, wer die zwei neuen Schulleitungs-Ressorts führen wird. Im Interview erklärt ETH-Präsident Joël Mesot, was die Veränderung für Professorinnen und Professoren, für Mitarbeitende und für die Schulleitung bedeutet.
Julia Dannath-Schuh wird zur Vizepräsidentin für Personalentwicklung und Leadership, Vanessa Wood zur Vizepräsidentin für Wissenstransfer und Wirtschaftsbeziehungen ernannt (lesen Sie die Medienmitteilung). Der ETH-Präsident Joël Mesot nimmt Stellung zu dieser Veränderung.
Der ETH-Rat hat zwei neue Vizepräsidentinnen gewählt. Welche Qualitäten der beiden haben Sie persönlich überzeugt?
Joël Mesot: Beide sind hervorragende Persönlichkeiten in ihren jeweiligen Fachbereichen. Julia Dannath-Schuh hat als promovierte Psychologin viele Organisationen dabei unterstützt, sich in der Führungs- und Unternehmenskultur zu entwickeln. Sie kennt unsere Hochschule aus ihrer Zeit als wissenschaftliche Assistentin an der ETH. Vanessa Wood kenne und schätze ich nicht nur als ausgezeichnete Wissenschaftlerin, sondern auch als überzeugende Führungspersönlichkeit, zuletzt als Vorsteherin des Departements für Informationstechnologie und Elektrotechnik.
Zwei neue Vizepräsidentinnen – das bringt auch Veränderungen für die Mitarbeitenden. Wer konkret ist davon betroffen?
Wir stellen mit dieser Erweiterung die ETH-Welt nicht auf den Kopf; viele Themen der zwei neuen Vizepräsidien existierten ja auch schon bisher. Am direktesten betroffen sind die Bereiche Wissenstransfer und Wirtschaftsbeziehungen und der Bereich HR. Sie haben in Zukunft je eine neue Vizepräsidentin als oberste Chefin.
Werden künftig auch die Professorinnen und Professoren mit der Vizepräsidentin für Personalentwicklung und Leadership zu tun haben?
Für die Berufung der Professorinnen und Professoren werde nach wie vor ich als ETH-Präsident zuständig sein. Auch werde ich deren Vorgesetzter bleiben. Wir müssen aber die Begleitung und Unterstützung der Professorinnen und Professoren sowohl als Mitarbeitende unserer Hochschule als auch als Führungspersönlichkeiten verbessern. Hier wird Julia Dannath-Schuh mit ihrem Bereich eine zentrale Rolle übernehmen. Sie wird auch gemeinsam mit mir den rETHink-Workstream «Begleitung der Professorinnen und Professoren» leiten, der nächstes Jahr seine Arbeit aufnehmen wird.
«Durch die Erweiterung sollen sich die einzelnen Schulleitungsmitglieder stärker auf ein Themengebiet fokussieren können.»Joël Mesot, ETH-Präsident
Julia Dannath-Schuh ist keine Professorin und kommt nicht aus dem universitären Umfeld. Ist das ein Nachteil?
Ein klares Nein dazu. Die ganze Schulleitung ist der Meinung, dass Führungskräfte mit grossen Erfahrungen aus der Praxis auch ohne professorale Vergangenheit die notwendigen Voraussetzungen für ein Vizepräsidium mitbringen. Mehr noch: Sie können eine fachliche Verstärkung und menschliche Bereicherung sein. Mit unserem Finanzchef Robert Perich haben wir ein gutes Beispiel dafür. Ich bin überzeugt, dass es die Besten aus beiden Welten braucht.
Mit den beiden neuen Vizepräsidentinnen wächst die Schulleitung von 5 auf 7 Mitglieder. Warum braucht es diese Aufstockung?
Das System war an der Belastungsgrenze: Wir sind eine grosse Hochschule geworden, hatten aber bis jetzt ein vergleichsweise kleines Führungsgremium. Es gab pro Schulleitungsbereich sehr viele und sehr unterschiedliche Zuständigkeiten. Zudem sind die Erwartungen, die Gesellschaft und Politik an die ETH stellen, in den vergangenen Jahren gestiegen. Durch die Erweiterung sollen sich die einzelnen Schulleitungsmitglieder stärker auf ein Themengebiet fokussieren können. Zudem haben wir mit Vanessa Wood und Julia Dannath-Schuh zwei ausgewiesene Expertinnen gewonnen. Sie bringen neue Kenntnisse in die Schulleitung, mit ihnen sind wir breiter aufgestellt.
Mehr Schulleitungsbereiche bedeutet mehr Schnittstellen und mehr Koordination. Und wohl auch mehr Bürokratie…
Die Zahl der Schnittstellen steigt nur beschränkt, denn alle Abteilungen, die jetzt in die neuen Schulleitungsbereiche verschoben werden, sind bereits fest etablierte Grössen an der ETH. Der Bereich von Vanessa Wood wird vor allem aus den Abteilungen ETH transfer und Industry Relations gebildet, derjenige von Julia Dannath-Schuh primär aus einer verstärkten HR-Abteilung. Dazu gibt es in beiden Bereichen kleine Stäbe, deren primäre Aufgabe es ist, sich mit den anderen Bereichen abzustimmen. Damit verhindern wir bürokratische Leerläufe.
Sie sagten, es brauche die neue Struktur, damit die ETH auch weiterhin zur Weltspitze gehört. Was tragen die neuen Vizepräsidien denn konkret dazu bei?
Dass wir uns heute zur Weltspitze zählen dürfen, zeigt, dass die ETH in der Vergangenheit Vieles richtiggemacht hat. Auch die bisherigen Vizepräsidentinnen und -präsidenten haben tolle Arbeit geleistet. Aber um weiter mit den Besten mithalten zu können, dürfen wir nicht stehen bleiben. Dafür braucht es jede Einzelne und jeden Einzelnen an der ETH. Ich bin überzeugt, wir können und müssen noch besser zusammenarbeiten. Unter anderem dafür ist Julia Dannath-Schuh eine ausgewiesene Fachfrau. Zudem erwartet die Wirtschaft und Gesellschaft Lösungen von uns. Wir wollen, dass noch mehr ETH-Forschung den Weg in die Gesellschaft findet – in Form von Spin-offs, Patenten und Kollaborationen mit der Industrie. Genau hier soll Vanessa Wood ihre Expertise einbringen. Indem wir die beiden Bereiche losgelöst haben, verteilen wir die Last insgesamt auf mehr Schultern, sodass sich alle Schulleitungsbereiche besser auf die strategischen Fragen konzentrieren können. Das ist der Kern der Reform.