Die neuen Vizepräsidentinnen der ETH
Die ETH Zürich hat ihre Schulleitung von fünf auf sieben Bereiche erweitert. «life» stellt die beiden neuen Vizepräsidentinnen vor.
«Ihr bringt Kompetenzen in die Schulleitung, die wir noch nicht haben. Und diese 360-Grad-Diversität ist mir extrem wichtig», sagte ETH-Präsident Joël Mesot anlässlich der Medienkonferenz zur Erweiterung der Schulleitung. Seit dem 1. November verstärkt Julia Dannath die Schulleitung der ETH als neue Vizepräsidentin Leadership und Personalentwicklung, am 1. Januar beginnt Vanessa Wood ihr Amt als Vizepräsidentin Wissenstransfer und Wirtschaftsbeziehungen.
Doch wer sind die beiden neuen Mitglieder in der Leitung der ETH? Was treibt sie an und was zeichnet sie als Menschen und Führungskräfte aus?
«Vertrauen ist für jede Zusammenarbeit zentral»
«Gute Führungskräfte lassen sich daran messen, ob es ihnen gelingt, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen, damit ihre Mitarbeitenden wachsen können», sagt Julia Dannath. In ihrer neuen Funktion möchte sie zunächst mit möglichst vielen ETH-Angehörigen in den Dialog treten, um herauszufinden, wo und wie genau sich die Führungskultur an der ETH weiter verbessern lässt. Dabei freue sie sich auch auf die Herausforderungen in ihrem Bereich. «Wo Menschen zusammenarbeiten, entstehen naturgemäss von Zeit zu Zeit Konflikte. Um diese zu lösen, ist es entscheidend, alle Beteiligten frühzeitig miteinzubeziehen und die Intentionen hinter den verschiedenen Verhaltensweisen zu verstehen», sagt die 43-jährige Expertin in der Transformationsbegleitung.
Daneben hat sie den Auftrag, Wege zu finden, um die Vorteile der bestehenden Diversität an der ETH noch besser zu nutzen, sowie die Entwicklungsmöglichkeiten für alle Berufsgruppen auszubauen. Im Rahmen des rETHink-Projekts wird sie sich vor allem um die Themen «Begleitung und Unterstützung der Professorenschaft» sowie «Organisation der Zentralen Organe» kümmern.
Menschen nach ihren Stärken einsetzen
«Vertrauen ist für jede Zusammenarbeit zentral», ist Julia Dannath überzeugt, und das habe «nichts mit physischem Kontakt zu tun. Sie selbst hat als Führungskraft und zuletzt CEO einer Beratungsagentur Teams in Zürich, Hamburg und Köln miteinander koordiniert und über zwölf Jahre lang Organisationen auf der ganzen Welt im Bereich Personalentwicklung und Führungskultur unterstützt. Die virtuelle Zusammenarbeit war für die promovierte Psychologin deshalb schon lange vor der Corona-Pandemie Alltag.
«Julia kann sehr gut zuhören und sie versteht es extrem gut, Menschen nach ihren Stärken einzusetzen», sagt Maximilian Buyken, der zehn Jahre lang in ihrem Beraterteam tätig war und seit 1. Dezember ihren Schulleitungsstab leitet. Dass Dannath ihren Mitarbeitenden viele Freiheiten und Verantwortung überlässt, sie mit ihrem Enthusiasmus ansteckt und einen offenen Umgang mit Fehlern und neuen Ideen pflegt, schätzt er an ihrem Führungsstil besonders.
«Ich ziehe viel Energie aus der Arbeit»
Bevor Julia Dannath ihre Karriere in der Beratung begann, doktorierte sie in Tübingen zu «agilem Wissenserwerb» und arbeitete als wissenschaftliche Assistentin am Institut für Verhaltenspsychologie an der ETH Zürich. Aus familiären Gründen zog sie danach wieder nach Deutschland, doch die Begeisterung für die ETH blieb: «Diese Mischung aus Tradition und Innovation und die Leidenschaft, mit der hier alle arbeiten, faszinieren mich sehr».
Als Geschäftsführerin und dreifache Mutter ist sie schon seit vielen Jahren im Alltag sehr gefordert, Zeit für einen Ausgleich findet sie selten. «Ich ziehe aber viel Energie aus der Arbeit und aus dem Umgang mit den vielen grossartigen Menschen um mich herum», erklärt die Saarländerin. Dass in ihrem Leben so viel los ist, gefällt ihr sehr, denn Langeweile, Stillstand und Alleinsein widerstreben ihrer Natur. Wenn sie doch mal Zeit für sich hat, treibt sie Sport, hört politische Podcasts oder Krimi-Hörbücher und liest Biografien.
Selbstbewusst, autonom und empathisch
Neben ihrem Beruf ist Familie und die Beziehung zu ihrem Mann das Wichtigste für Julia Dannath. Ihre Eltern hätten sie zu einem sehr autonomen, selbstbewussten und empathischen Menschen erzogen und das versuche sie auch bei ihren drei Söhnen. Da ihr ältester Sohn sich gerade auf das Abitur vorbereitet, bleibt er mit seinen Brüdern während der Schulwochen zunächst in der Obhut der Grosseltern in Deutschland, während sie und ihr Mann den Lebensmittelpunkt nach Zürich verlagern, sobald die Einschränkungen durch die Corona-Situation gelockert werden.
Sowohl beruflich als auch privat legt die Vizepräsidentin viel Wert auf einen vertrauensvollen und ehrlichen Umgang. «Viel miteinander zu sprechen, eine intensive Feedbackkultur, zunächst immer davon auszugehen, dass das Gegenüber aus einer guten Intention heraus handelt und einander auch in schwierigen persönlichen Zeiten zu unterstützen – das schafft Vertrauen und Loyalität», ist sie überzeugt.
Vorbild und Mentorin
Vanessa Wood wuchs als Einzelkind in Sarasota in Florida auf. Die Wochenenden verbrachte sie oft in der Werkstatt ihres Grossvaters, wo sie mit ihm zusammen ihr eigenes kleines Segelboot und elektrische Autos für ihre Barbie-Puppen baute. Ihr Interesse an der Beschaffenheit der Dinge erkannte schnell auch ihr Physiklehrer, der sie ins Robotik-Team der Schule rekrutierte und ihr Einzelunterricht in Quantenmechanik gab. «Ich glaube, diese starke Förderung gab mir das Selbstvertrauen, mich in meiner Karriere trotz des sehr kompetitiven Umfelds den Naturwissenschaften zu widmen», sagt die 37-jährige Professorin.
Später studierte sie Physik sowie französische Literatur am Yale College und arbeitete nebenbei als Übersetzerin an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Nach ein paar Monaten wurde sie von einigen Juraprofessoren in deren Vorlesungen eingeladen und landete kurze Zeit später in einem Praktikum beim späteren Rechtsberater von Barack Obama.
Mit Rücksicht und Respekt ans Ziel
Vanessa Wood ist überzeugt, dass sie ihren Erfolg auch vielen Menschen zu verdanken hat, die sie auf ihrem Weg gefordert und gefördert haben – und das möchte sie auch selber weitergeben. «Vanessa hat ein unglaubliches Talent für Networking. Und sie hat eine sehr rücksichtsvolle und respektvolle Art, mit der sie immer an ihr Ziel kommt», ist Jens Poulsen überzeugt. Der 41-Jährige arbeitet seit vier Jahren als Koordinator in ihrem Institut und wird ab Januar Teil ihres Teams in der Schulleitung. Kennengelernt haben sich die beiden vor zehn Jahren beim ASVZ-Lauftraining.
Neben Cellospielen, Schwimmen und Rennvelofahren ist Laufen Woods grösstes Hobby, um abzuschalten. Am liebsten fährt sie dafür mit dem Zug in die Natur, schliesst ihren Laptop in ein Schliessfach am Bahnhof ein und rennt los. Seit sie im Juli Mutter geworden ist, bringt sie ihre kleine Tochter im Baby-Jogger auf die Wanderwege des Zürcher Oberlands, wo sie sich mit ihrem Mann niedergelassen hat und sich gerade auf ihre Einbürgerungsprüfung vorbereitet.
Erste Professorin am D-ITET
Mit der Wirtschaft kam Vanessa Wood zum ersten Mal in Berührung, als ihre Doktorarbeit in Elektrotechnik am MIT in ein Spin-off mündete, das mittlerweile von Samsung übernommen wurde. Kurz nach ihrem Doktorat wurde sie mit erst 27 Jahren als erste Assistenzprofessorin ans Departement Informationstechnologie und Elektrotechnik der ETH Zürich berufen. «Als ich zum Bewerbungsgespräch kam, war ich begeistert», erinnert sie sich. «Die Möglichkeiten, hier eine Forschungsgruppe aufzubauen, und die Nähe zu den grossen Forschungsanlagen am PSI sind weltweit einzigartig.»
Nach ihrem Mutterschaftsurlaub wird Vanessa Wood neben ihrer Funktion in der Schulleitung weiterhin in der Forschung tätig sein. Dass sie alles unter einen Hut bekommt, zweifelt in ihrer Forschungsgruppe niemand an. «Vanessa war die letzten zwei Jahre neben ihrer Aufgabe als Gruppenleiterin noch Departementsvorsteherin, und das mit vollem Einsatz», sagt Jens Poulsen. Dass sie vieles gleichzeitig so gut hinbekomme, habe sie ihrer Gelassenheit und ihrem Priorisierungstalent zu verdanken. Mikromanagement liege ihr fern.
Wissenstransfer und Talentförderung
In ihrer Funktion als Vizepräsidentin möchte Wood die Partnerschaften der ETH mit der Industrie weiter intensivieren und noch einfacher gestalten. «Ich will neue Wege finden für den Austausch zwischen der Wirtschaft und ETH-Angehörigen sowie flexible Modelle für ETH-Spin-offs fördern, und damit Innovation an der ETH und in Firmen gleichermassen stärken», sagt Wood.
Dass ihre eigenen Forschungsergebnisse nützlich für die Gesellschaft sind, war ihr schon immer sehr wichtig. So forscht sie selbst an Lithium-Ionen-Batterien, die viel kleiner und effizienter sind als bisherige. Ihre Forschungsresultate flossen bereits in drei Spin-offs ein, aus ihrer Forschungsgruppe sind zwei weitere Spin-offs entstanden. Daneben initiierte sie zahlreiche Kooperationen mit der Industrie wie etwa mit der BASF. Für ihr Engagement beim Wissenstransfer erhielt die Professorin bereits mehrere Auszeichnungen.
Zudem hat sie sich seit ihrem Eintritt an der ETH in verschiedenen Initiativen engagiert, um mehr Frauen für die Naturwissenschaften zu begeistern und sie auf ihrem Karriereweg zu unterstützen. Und so möchte die neue Vizepräsidentin ihre Position auch dafür nutzen, um ein unterstützendes und integratives Umfeld zu fördern und für möglichst viele junge Menschen das zu sein, was ihr Physiklehrer einst für sie war: Vorbild und Mentor.
Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe des ETH-Magazins «life».