Mit Wagemut gegen die Pandemie
Während der ersten Pandemiewelle im Frühjahr gründeten die Brüder Gabriel (20) und Rafael Sonderegger (22), beide Maschinenbaustudenten an der ETH, das Masken-Startup «Sondia» in Schaffhausen. Sie produzieren zertifizierte Hygienemasken getreu nach der Devise: «Masken aus der Schweiz für die Schweiz». Ein Überraschungserfolg, der sie viel lehrte.
Angefangen hat alles im April, als die erste Pandemiewelle ihren Höhepunkt fand: Hygienemasken waren dank Corona plötzlich sehr gefragt. Alarmiert von den Engpässen in der Schweiz, nahmen sich die Brüder Gabriel und Rafael Sonderegger vor, die Sache in die eigene Hand zu nehmen. Zuerst hatten sie die Idee, Masken aus dem Ausland zu importieren. Doch als dann zahlreiche Länder ein Exportverbot verhängten, mussten sie umdenken: Sie beschlossen, eigene Masken mit dem Schweizer Gütesiegel zu produzieren und abzusetzen.
«Wir wollten etwas Neues ausprobieren und sind bewusst dieses Risiko eingegangen. Ein Bauchgefühl sagte uns, dass diese Pandemie nicht so eine kurze Sache sein würde»Rafael Sonderegger, Mitgründer von Sondia
Benannt haben sie das Startup nach dem Spitznamen «die Sondis», der den Brüdern von ihren Freunden gegeben wurde. Diesen Übernamen haben sie dann weitergesponnen: Der Schweizer Maskenproduktionsbetrieb «Sondia» war geboren. «Wir wollten etwas Neues ausprobieren und sind bewusst dieses Risiko eingegangen. Ein Bauchgefühl sagte uns, dass diese Pandemie nicht so eine kurze Sache sein würde», erklärt Rafael Sonderegger.
Vom Reich der Mitte bis nach Schaffhausen
So führte der Weg nach China, wo sie eine Maschine für die Maskenproduktion im Wert von 100'000 Schweizer Franken kauften. Neben der finanziellen Unterstützung der Familie nahmen sie einen Kredit bei der Bank auf. Die Abnahme erfolgte via Zoom, da der Flugverkehr zu diesem Zeitpunkt komplett eingestellt war. Die Anlage hatte die stolzen Ausmasse eines Waggoncontainers. Auf dem Landweg wurde die Maschine im Zug über Russland bis nach Schaffhausen befördert – ein wahres Abenteuer, wenn man die bürokratischen Hürden bedenkt, die sich ihnen in den Weg stellten.
Die Maschine war anfänglich häufig defekt und musste repariert werden. Dazu konnten die Studenten auf ihr Knowhow aus dem Maschinenbaustudium zurückgreifen. Zusätzlich mussten sie sich Wissen im Bereich der Mikro- und Nanotechnologie sowie Materialkunde aneignen, da sie zertifizierte Masken herstellen wollten. Wo es bei komplexen Sachverhalten harzte, half ihnen ihr Vater weiter, der ein erfahrener Ingenieur ist. Mit der Produktionsanlage besitzen die Brüder nun eine der wenigen Maschinen dieser Art auf Schweizer Terrain.
Zwischen Büchern, Formeln und Druckknöpfen
Das Familienbusiness teilen sich die beiden Brüder. Dabei stemmen sie den Grossteil der Arbeit selbst: von der Instandhaltung der Maschine über den Aufbau der Produktionslinie bis hin zur Kommunikation übernehmen sie alles in Eigenregie.
Dafür legte Gabriel Sonderegger sein Studium praktisch auf Eis, um ausschliesslich für die neu gegründete Firma da zu sein: «Ich wollte meine ganzen Ressourcen für eine reibungslose Maskenproduktion einsetzen. Alles oder nichts lautete die Devise». In seinem Zwischenjahr belegt er nun nur noch einzelne Wahlmodule.
Jungunternehmertum und Studium unter einen Hut zu bringen, ist eine Herausforderung. Das hat auch Rafael, der ältere der beiden Brüder, gemerkt. Obwohl er im Frühjahr seine Bachelorarbeit schreiben musste, stand er dennoch seinem Bruder Gabriel mit Rat und Tat zur Seite. «Dazu gehörte auch die eine oder andere Nachtschicht. Ab und zu haben wir auch unsere Kollegen eingespannt, wenn eine besonders wichtige Lieferung anstand», sagt Rafael.
Lokale Synergien nutzen
Weil sich die Sonderegger-Brüder kaum retten konnten vor Anfragen, benötigten sie zusätzliche Mitarbeitende für die Produktion. So kam die Idee auf, mit einem Industriepartner zusammenzuarbeiten. Die Wahl fiel auf «Altra», eine grosse Einrichtung für beeinträchtigte Menschen in Neuhausen. Aktuell beschäftigen sie fünf Personen, die täglich bis zu knapp 20’000 Masken herstellen.
So können sich Gabriel und Rafael voll auf den Ausbau der Produktionslinie, Büroarbeiten sowie die Kundenpflege kümmern. Neunzig Prozent ihrer Kundschaft kommt über Mund-zu-Mund-Propaganda auf sie zu. Denn das Maskengeschäft boomt: Acht Monate nach Produktionsstart ist die Produktionsanlage vollständig amortisiert. «Auch wenn ich es mir am Anfang einfacher vorgestellt habe, bereitet es mir viel Spass. Die Erfahrungen sind unersetzlich», meint Gabriel Sonderegger.
Von der kleinen Praxis zum Grossverteiler
Dass eine Schweizer Firma Masken aus der Schweiz für die Schweiz produziert, hat sich schnell herumgesprochen: Kleine und grössere Arztpraxen kommen auf sie zu, Grosshändler wie Jumbo mit Anfragen von bis zu 50'000 Masken folgen.
Die hohe Nachfrage nahmen die Brüder zum Anlass, ihre Produktpalette auszubauen. Dabei hören sie auf die Wünsche der Kunden. «Neu können wir unsere Masken mit Firmenlogos bedrucken», führt Rafael aus. Dafür bauten sie einen Inkjet-Druckkopf in die Maschine ein. So bietet Sondia seinen Kunden massgeschneiderte Masken – von der Farbe bis zum Masken- und Verpackungsmaterial kann alles nach eigenen Wünschen definiert und bestellt werden.
«Es ist definitiv ein grosses Abenteuer und eine Erfahrung fürs Leben»Sonderegger-Brüder, Gründer des Masken-Startups Sondia
Fortsetzung folgt
In Zeiten wie diesen ist ein Blick in die Zukunft schwierig. Mit den unberechenbaren Entwicklungen der Pandemie und der anlaufenden Impfaktion tun sich aber auch neue Chancen auf: In den letzten Wochen haben sich Anfragen von Firmen gehäuft, die neue Maskenmaterialien ausprobieren und ihre Anlage für Testzwecke mieten möchten. Und dann ist da immer noch das ETH-Studium, das die Brüder abschliessen wollen. Daher entscheiden sie jeweils ziemlich kurzfristig, wie sie mit dem Aufbau der Firma weiterfahren wollen.
Inzwischen entwickelt sich Sondia immer mehr von einer Produktionsfirma zu einer Logistikfirma – besonders, seit die Brüder die Produktpalette weiter differenziert haben. Dazu mussten sie ihre Ressourcen erheblich ausbauen, um überhaupt mit dem Versand der Hygienemasken nachzukommen.
Rafael Sondereggers Rat an alle künftigen Startup-Gründer: «Es lohnt sich, die Dinge mit einer positiven Einstellung anzugehen. Mit etwas Wagemut und einer Portion Glück kommt es schon gut.» Und Gabriel fügt hinzu: «Wichtig ist, auch einmal Dinge anzunehmen, die schief gehen – denn man kann nicht alles kontrollieren.» Die Brüder sind sich einig: «Es ist definitiv ein grosses Abenteuer und eine Erfahrung fürs Leben.»