«Die Digitalisierung kann helfen, das Wachstum der Hochschule abzufedern.»
Das Wachstum der ETH stellt die zentralen Dienstleistungen und Prozesse vor Herausforderungen. Eine stärkere Nutzung digitaler Technologien soll Abhilfe schaffen. Im Rahmen von rETHink wurde dazu eine Digitalisierungsstrategie für die Verwaltung erarbeitet. Im Interview erklären Mitglieder der Arbeitsgruppe, was diese Strategie beinhaltet.
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Peter Müller, Sie leiteten die Arbeitsgruppe zur Erarbeitung einer Digitalisierungsstrategie und haben dazu die Verwaltung genau analysiert. Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie gut steht die Verwaltung der ETH beim Thema Digitalisierung heute da?
Peter Müller: Noten möchte ich keine vergeben, das war ja auch nicht unser Auftrag. Grundsätzlich steht die ETH bei der Digitalisierung gut da. In den vergangenen Jahren wurden die meisten zentralen Prozesse Schritt für Schritt digitalisiert. Die Pandemie hat das Ganze nochmals beschleunigt. Zudem sind ETH-Mitarbeitende offen gegenüber neuen Technologien. Dennoch gibt es etliche Verbesserungsmöglichkeiten, zum Beispiel bei der digitalen Unterstützung bereichsübergreifender Prozesse oder beim Einsatz neuer Technologien.
Ihre Arbeitsgruppe hatte im Rahmen von rETHink den Auftrag, eine Digitalisierungsstrategie für die Verwaltung der ETH Zürich zu erarbeiten. Mit welchem Ziel vor Augen?
Peter Müller: Oberstes Ziel war es, das Potenzial der Digitalisierung so zu nutzen, dass wir die heutige hohe Qualität der administrativen Dienstleistungen auch bei einem weiteren Wachstum der ETH aufrechterhalten können. Die Verwaltung spürt das Wachstum enorm. Die Digitalisierung kann uns helfen, effizienter zu werden und damit einen Teil des Wachstums abzufedern. Gleichzeitig hat die Strategie zum Ziel, das Innovationstempo der ETH zu erhöhen.
Paul Cross: Mit der Digitalisierungsstrategie wollen wir zudem intern Netzwerke schaffen und so das Digitalisierungs-Know-how besser teilen. Es ist entscheidend, dass Digitalisierungsprojekte bereichsübergreifend angepackt werden und nicht nur isoliert in einzelnen Abteilungen.
Kathrin Noack: Es stellen sich bei solchen Vorhaben immer wieder ähnliche Fragen. Es ergibt daher Sinn, Synergien zu schaffen und wiederkehrende Herausforderungen wie beispielsweise den Umgang mit Informationssicherheit und Datenschutz übergreifend zu klären.
Wie ist die Arbeitsgruppe bei der Erarbeitung dieser Strategie vorgegangen?
Peter Müller: Wir haben mit einer ausführlichen Bestandesaufnahme gestartet und Stärken und Schwächen erfasst. Zudem haben wir analysiert, welche Trends Auswirkungen auf die Verwaltung haben könnten. Danach haben wir sechs Handlungsfelder definiert (siehe Infobox), die aus unserer Sicht den grösstmöglichen Nutzen stiften, und pro Handlungsfeld zwei bis drei konkrete Massnahmen erarbeitet. Gleichzeitig haben wir aufgezeigt, wie die Governance-Strukturen aussehen sollen, also wie die ETH die Digitalisierung der Verwaltung steuert.
Was heisst wir? Wer war in der Arbeitsgruppe?
Kathrin Noack: Uns war wichtig, dass wir möglichst viele Perspektiven einfliessen liessen. So waren neben der Arbeitsgruppenleitung um Peter Müller, Paul Cross, Dieter Wüest, Andreas Wenger und mir auch Kolleginnen und Kollegen aus fast allen Bereichen der Verwaltung, natürlich auch von den Informatikdiensten, sowie ein Student und Vertreter aus den Departementen mit dabei.
Und was sind die wichtigsten Eckpunkte der Strategie?
Peter Müller: Über alle sechs Handlungsfelder ziehen sich drei grosse Linien. Erstens haben wir konkrete Digitalisierungsprojekte wie zum Beispiel die Einführung eines digitalen Sitzungs- und Dokumenten-Management-Tools vorgeschlagen. Zweitens haben wir gemeinsame Standards definiert, wie wir Digitalisierungsprojekte durchführen wollen. Dabei spielt vor allem eine hohe Einbindung der Endnutzerinnen und -nutzer eine zentrale Rolle. Und drittens geht es darum, das Know-how im Bereich der Digitalisierung bei den Mitarbeitenden aktuell zu halten und weiter zu erhöhen.
Paul Cross: Diese Fähigkeit aller ETH-Angestellten im Umgang mit digitalen Technologien – die sogenannte «Digital Literacy» – ist ein entscheidender Faktor. Die ETH soll sicherstellen, dass sich Mitarbeitende in diesem Bereich weiterbilden und weiterentwickeln können. Auch dies wird in der Strategie adressiert. Zudem führen wir als eine der ersten Massnahmen in allen Abteilungen eine Analyse durch, um zu erfahren, wie hoch der Digitalisierungsgrad jeweils ist und wo wir allenfalls mehr Unterstützung anbieten sollten.
Neben diesen Eckpunkten zeigt die Strategie auch, wie die Umsetzung organisiert werden soll. Zentral ist die Einführung eines «Digital Transformation Steering Committee». Welche Aufgaben übernimmt dieses Gremium?
Peter Müller: Wir haben uns gut überlegt, ob es tatsächlich nochmals ein neues Gremium innerhalb der ETH braucht. Wir sind zum Schluss gekommen: ja, bei diesem Thema unbedingt. Das Digital Transformation Committee hat im Wesentlichen drei Aufgaben. Es muss die Umsetzung dieser bis jetzt nur auf Papier existierenden Strategie überwachen und überprüfen, ob sie in der Realität auch wirklich funktioniert. Die zweite Aufgabe des Gremiums ist die ETH-weite Koordination, also das bereichsübergreifende Denken. Denn Digitalisierungsprojekte dürfen nicht an Abteilungsgrenzen enden. Und die dritte Aufgabe ist die Verstetigung und damit die Planung über den aktuellen Zeithorizont von drei Jahren hinaus. Digitalisierung ist nicht einfach ein Projekt, das wir irgendwann abschliessen können. Sie wird dauerhaft ein Thema sein. Daher braucht es ein Gremium, das sich immer wieder mit den sich ändernden Fragestellungen beschäftigt.
Und wer sitzt in diesem STC?
Kathrin Noack: Die Personen sind noch nicht bestimmt, dieser Prozess läuft im Moment unter der Federführung von Robert Perich. Klar ist aber, dass jeder Schulleitungsbereich eine Vertretung schickt oder wie im Falle von Julia Dannath, Ulrich Weidmann und Robert Perich selber Teil des STC sein wird. Zudem werden sicher auch die Informatikdienste sowie Vertreterinnen und Vertreter der Departemente im Gremium mitwirken.
Peter Müller: Wichtig ist, dass zu diesem Steering Committee auch ein Project Management Office (PMO) gehören wird, das personell ebenfalls noch zu besetzen ist und das für die operative Arbeit zuständig sein wird. Dieses PMO soll für alle ETH-Einheiten zu einer zentralen Anlaufstelle werden, um bei Digitalisierungsvorhaben zu unterstützen.
Was werden die ETH-Angehörigen von der Digitalisierungsstrategie spüren?
Peter Müller: Wir haben insgesamt 70 Einzelmassnahmen definiert – nicht alle werden direkt spürbar sein. Was aber hoffentlich alle spüren werden, ist die zentrale Unterstützung bei Digitalisierungsprojekten. Zudem wird das Thema Digitalisierung in unsere HR-Prozesse fliessen, damit sich jede und jeder in diesem Bereich weiterentwickeln kann. Natürlich wollen wir mit der Strategie auch anregen, dass alle Abteilungen ihre Prozesse nach Digitalisierungspotenzial durchleuchten. Und letztlich werden die Mitarbeitenden hoffentlich spüren, dass neue Technologien in der Verwaltung der ETH schneller zur Anwendung kommen.
Und wenn Sie frei wünschen würden: Was wäre für Sie persönlich das Erste, was Sie in der ETH-Verwaltung digitalisieren würden?
Peter Müller: Spontan kommen mir die kleinen Ineffizienzen in den Sinn, die es bei fast allen Applikationen gibt und über die man immer wieder stolpert. Sei es nur ein unnötiger Klick oder eine Ansicht, die mir fehlt. Für eine Person allein mag dieser Extra-Aufwand keine Rolle spielen. Wenn aber hunderte Mitarbeitende tagtäglich darüber stolpern, dann würde sich eine Optimierung lohnen. Wir sollten eine Kultur schaffen, bei der die Bedürfnisse der Endnutzerinnen und -nutzer noch stärker im Fokus stehen.
Kathrin Noack: Dieser Fokus bedeutet nicht, dass alle individuellen Wünsche erfüllt werden können. Ziel sollte sein, wo möglich Prozesse an sich zu überdenken und zu vereinfachen.
Paul Cross: Idealerweise werden künftig alle wichtigen Prozesse an der ETH digital unterstützt, und zwar möglichst durchgängig. Heute gibt es noch zu viele Brüche. Das heisst, sie sind eben nicht durchgängig, weil zum Beispiel unterschiedliche Abteilungen involviert sind. Genau darum ist eine zentrale Steuerung und der Austausch unter den Projektverantwortlichen so wichtig. Für mich persönlich ist es daher schon ein Erfolg, wenn wir mehr Transparenz schaffen und innerhalb der Verwaltung beim Thema Digitalisierung stärker voneinander lernen können.
Digitalisierungsstrategie der Verwaltung
Im Rahmen des rETHink-Workstreams 5 «Zentrale Organe» hatte die von Informatikprofessor Peter Müller geleitete Arbeitsgruppe den Auftrag, eine Digitalisierungsstrategie für die Verwaltung der ETH Zürich zu erarbeiten. Die Strategie wurde in Workshops mit Vertreterinnen und Vertretern aller Abteilungen und mehreren Departementen diskutiert und weiterentwickelt, bevor sie Mitte Mai von der Schulleitung verabschiedet wurde. Die Strategie fokussiert inhaltlich auf sechs Handlungsfelder:
- Systematische Datenanalyse
Die systematische Nutzung von Daten soll dazu helfen, die internen Prozesse effizienter und effektiver zu machen. - Sitzungs- und Records-Management
Mit einem zentralen Dokumenten-Managementsystem soll die grosse Menge an Informationen innerhalb der ETH-Verwaltung in Zukunft einfacher gespeichert, organisiert und an die Beteiligten verteilt werden. - Nutzung neuer Technologien
Neue Entwicklungen stellen die ETH in verschiedensten Bereichen (Sicherheit, Recht, Ethik etc.) vor neue Herausforderungen. Ziel ist es, das Potenzial und die Herausforderungen neuer Technologien zu bewerten und Empfehlungen für deren Einsatz (oder Nicht-Einsatz) innerhalb der ETH-Verwaltung zu geben. - Stakeholder- und Anforderungsmanagement
Es soll ein modernes Stakeholder- und Anforderungsmanagement für Digitalisierungsprojekte, das die Bedürfnisse der betroffenen Stakeholder in umsetzbare Anforderungen übersetzt, an der ETH etabliert werden. - Prozessabdeckung und -orientierung
Ein Ziel der Digitalisierung ist es, Prozesse zu identifizieren, die von einer besseren Unterstützung durch IT-Systeme profitieren könnten. Digitalisierung alleine reicht jedoch nicht aus, da die Prozesse selbst ebenfalls optimiert werden müssen. - Digital Literacy
Nahezu alle Aufgaben in der ETH-Verwaltung erfordern den Einsatz von IT-Systemen, was bei den Mitarbeitenden ein hohes Mass an digitaler Kompetenz – der so genannten Digital Literacy – voraussetzt.
Die komplette Strategie können Sie hier herunterladen:
- geschützte Seite Strategie für die Digitalisierung der Verwaltung
- geschützte Seite Roadmap für die Implementierung
Bei Fragen stehen Ihnen Dieter Wüest, Paul Cross oder Kathrin Noack zur Verfügung.
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