«Wir hoffen sehr, dass wir die Prüfungen wie vorgesehen abhalten können»
Ulrich Weidmann, Leiter der ETH-internen Covid-Taskforce, ordnet zum Jahresbeginn die Situation an unserer Hochschule ein und sagt, was die Schulleitung beschäftigt.
«Die epidemiologische Lage bleibt angespannt», liess der Bundesrat in der ersten Januarwoche verlauten. Er schlägt den Kantonen vor, die von ihm Ende 2020 beschlossenen Massnahmen zu verlängern. Auch sollen sich die Kantone zu weiteren Verschärfungen äussern, darunter eine allgemeine Homeoffice-Pflicht, Ladenschliessungen und weitere Einschränkungen der Versammlungsfreiheit. Ulrich Weidmann, Leiter der ETH-Covid-19-Taskforce, sagt, wie unsere Hochschule mit der aktuellen Situation umgeht.
Herr Weidmann, der Bundesrat hatte noch im alten Jahr die Massnahmen verschärft. Restaurants wurden geschlossen, ebenso Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen. An der ETH gab es dazu keine breite Kommunikation. Weshalb?
Ulrich Weidmann: Wir haben seitens der ETH-Covid-Taskforce nicht gross kommuniziert, weil die Massnahmen des Bundes unseren bestehenden Masterplan nicht oder nur am Rande betrafen. Er konnte daher unverändert in Kraft bleiben. Unsere grösste Sorge galt – und gilt jetzt noch mehr – der Prüfungssession, die Ende Januar startet. Wir haben es bereits gemeldet: Einige dieser Prüfungen müssen zwingend in Präsenz stattfinden, damit die Leistungen der Studierenden fair beurteilt werden können und die Ausbildungsqualität keinen Schaden nimmt. Die Umstände bringen einige Unsicherheit mit sich. Vor diesem Hintergrund informierte Ende Jahr die Rektorin alle Betroffenen direkt per E-Mail. Und sie lud alle Studierenden zu einer Townhall ein, an der sie zusammen mit Mitarbeitenden des Rektorats Fragen rund um den Ablauf der Prüfungen und das nächste Semester beantwortete.
Und an diesen Plänen zur Durchführung der Prüfungen hat sich nichts geändert, auch wenn inzwischen eine neue, viel ansteckendere Variante des Coronavirus aufgetaucht ist?
Wir alle in der Schulleitung sind überzeugt, dass wir alle Prüfungen unter teilweise grossen Schutzvorkehrungen wie vorgesehen abhalten können. Gemäss intensiven Abklärungen sind unsere Vorkehrungen wirksam. Doch ist es nicht auszuschliessen, dass die Behörden in den nächsten Wochen Massnahmen erlassen, die Präsenzprüfungen grundsätzlich nicht mehr erlauben. Sollte es notwendig werden, bei der Prüfungssession Änderungen vorzunehmen, wird die Rektorin zeitnah informieren.
Gibt es für diesen Fall einen Plan B?
Ja, das Rektorat bereitet sich für diesen Fall vor, wobei die konkrete Ausgestaltung des Plans von der Ausprägung und dem Zeitpunkt der Inkraftsetzung der allfälligen Massnahmen abhängt. Der Bundesrat wird am 13. Januar seine Massnahmen kommunizieren, die Prüfungssession startet am 25. Januar. Wir müssen auch für den Fall gewappnet sein, dass härtere Massnahmen erst im Laufe der Prüfungssession in Kraft gesetzt werden. Oberstes Ziel der Rektorin und der ganzen Schulleitung ist es weiterhin, dass keine Studentin und kein Student wegen Corona ein Studienjahr verlieren muss, stets unter Wahrung von Fairness und ohne Abstriche in der Qualität der Leistungsbeurteilung. Und ein weiteres Ziel ist es, im Laufe des Frühlingssemesters wenn möglich wieder zu einem eingeschränkten Präsenzunterricht zurückzukehren. Trotz der Impfungen wird dies allerdings stark von der raschen Eindämmung des mutierten Virus abhängen.
Sie haben eingangs festgehalten, dass der Entscheid des Bundesrats von Ende Jahr den geltenden Masterplan der ETH kaum tangierte. Dennoch hatte er gewisse Auswirkungen auf das Leben der ETH-Angehörigen…
Selbstverständlich waren die ETH-Angehörigen von den zusätzlichen Massnahmen persönlich sehr betroffen, indem sie seither beispielsweise beim ASVZ keinen Sport mehr treiben oder andere Freizeitaktivitäten geniessen können, genau wie sämtliche Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz. Besonders an der ETH Zürich ist allerdings die hohe Anzahl von Personen ohne nahes persönliches Umfeld. Für sie ist es besonders belastend. Persönlich denke ich, dass diese Massnahmen die Ausbreitung des Virus wirksam eindämmen, gleichzeitig gefährden sie aber die mentale Gesundheit vieler ETH-Angehörigen.
Stichwort mentale Gesundheit: Es scheint, dass diesem Argument bei der Ausgestaltung der Massnahmen an der ETH in letzter Zeit grosses Gewicht beigemessen wird…
Das ist richtig. Im Frühling, während der ersten Welle, hatten wir an der ETH sehr schnell agiert und striktere Massnahmen umgesetzt als vom Bund vorgeschrieben. Wir durften aber erwarten, dass diese nur einige wenige Wochen in Kraft sein müssen und dass die freundliche Jahreszeit auch attraktive Entspannungsmöglichkeiten im Freien bietet. Als im Herbst die zweite Welle anrollte, mussten wir uns auf lange Monate mit kurzen und unwirtlichen Tagen einstellen, was viel tiefgreifendere Fragen zur mentalen Gesundheit aufwarf. Deshalb halten wir beispielsweise die Gebäude offen, bieten den Studierenden Arbeitsplätze an, und Mitarbeitende haben die Möglichkeit, tageweise an die ETH zu kommen, wenn ihnen zuhause die Decke auf den Kopf zu fallen droht. Zudem bietet unsere neue Vizepräsidentin Julia Dannath monatliche Townhalls zur mentalen Fitness an.
Und die Massnahmen an der ETH sind dazu geeignet, die Ausbreitung des Virus einzudämmen? Oder anderes gefragt: Wie sehen die Infektionszahlen aus?
Grundsätzlich vergleichsweise beruhigend, denn seit Beginn der Pandemie wurden uns erst rund 400 Ansteckungen von ETH-Angehörigen gemeldet – je zur Hälfte Studierende und Angestellte. Die ist ein Bruchteil des nationalen Durchschnitts. Zudem verzeichnen wir bis heute kein gehäuftes Auftreten in bestimmten Organisationen. Wir dürfen daraus schliessen, dass sich unsere Angehörigen auch in ihrer Freizeit sehr verantwortungsbewusst verhalten und dass unsere Massnahmen die Verbreitung innerhalb der ETH Zürich weitgehend verunmöglichen. Während wir noch im Oktober 40 bis 80 Fälle pro Woche zählten, werden uns seit Anfang November wöchentlich gut 20 Fälle gemeldet. Uns ist natürlich klar, dass wir mit einer erheblichen Dunkelziffer rechnen müssen. Wir können ja nur die Fälle verzeichnen, die uns gemeldet werden. Es ist denkbar, dass sich Personen bei positivem Testresultat nicht melden, weil sie sich bereits längere Zeit nicht mehr auf dem Campus aufhielten. Aber selbst unter Einbezug dessen ist die Häufigkeit immer noch klar unterdurchschnittlich. Weitergehende Massnahmen drängen sich an der ETH Zürich derzeit nicht auf.
Das sind die wichtigsten COVID-Regeln an der ETH:
- ETH-Angehörige sollen wenn immer möglich zuhause arbeiten und lernen. Ausnahmen gelten namentlich für die experimentelle Forschung und Spin-off-Firmen auf dem Campus.
- Die Gebäude bleiben grundsätzlich offen.
- Die Ausleihe in den Bibliotheken bleibt offen; geschlossen sind die Lesesäle für Zeitungs- und Zeitschriftenlektüre. Studierenden stehen in den Gebäuden aber die gewohnten Arbeitsplätze zur Verfügung.
- In den Verpflegungsbetrieben sind Personen ohne Bezug zur ETH Zürich nicht zugelassen. Pro Tisch dürfen in den Verpflegungsbetrieben höchstens 4 Personen sitzen. Dabei muss der Mindestabstand von 1,5m zu anderen Personen eingehalten werden.
- Die Maskentragpflicht gilt sowohl in den Innenräumen als auch auf dem Aussengelände an allen ETH-Standorten.
- Mitarbeitende müssen auch am Arbeitsplatz eine Maske tragen. Davon ausgenommen sind Mitarbeitende, die sich allein in einem Raum befinden.
Detaillierte Informationen finden Sie im aktuell gültigen Masterplan sowie auf den ETH-Webseiten zum Coronavirus