«Um Klarheit zu schaffen, braucht es nun die externen Abklärungen»

Heute ist in den Medien über einen ETH-Professor berichtet worden, dem unangemessenes Verhalten vorgeworfen wird. Aktuell läuft zu den Vorwürfen eine Abklärung durch eine externe Firma. Die ETH Zürich wird in der Berichterstattung für ihr Vorgehen in diesem Fall kritisiert. Wie stellt sich Julia Dannath, Vizepräsidentin für Personalentwicklung und Leadership, zu dieser Kritik?

Porträtfoto von Julia Dannath

Frau Dannath, mehrere Personen sind mit Vorwürfen gegen einen Professor an die Medien gegangen, da sie sich von der ETH nicht gut unterstützt gefühlt haben. Was sagen sie dazu?
Dass sie sich nicht genügend unterstützt fühlten, macht mich betroffen. Ich habe Mitte Juli 2024 mit drei betroffenen Personen gesprochen. Ihre Perspektive zu hören auf das, was sie erlebt und empfunden haben, hat mich mitgenommen und beschäftigt. Die Vorwürfe schildern ein Verhalten, das für die ETH Zürich inakzeptabel wäre. Es ist aber auch so, dass die Schilderungen ihre persönliche Wahrnehmung der Vorkommnisse darstellen. Der Professor bestreitet die Vorwürfe. Um Klarheit zu schaffen, braucht es die nun laufenden Abklärungen durch eine externe Firma.

Waren letztlich die Nachfragen der Medien der Auslöser für die nun angestossenen Abklärungen?
Nein, auch ohne medialen Druck hätten wir die Abklärungen eingeleitet. Der beschuldigte Professor befindet sich im Tenure-Verfahren und im Rahmen seiner Evaluation sind die eingegangenen Meldungen schon vorher zum Thema geworden.

Nach einem Gespräch mit der Ombudsstelle habe ich mich Mitte Juli 2024 unmittelbar mit Betroffenen ausgetauscht, die zum Gespräch bereit waren und habe ihre Schilderungen entgegengenommen. Das war für mich und den Präsidenten der Auslöser, zusätzlich zur regulären Tenure-Evaluation externe Abklärungen zu veranlassen.

Aber warum kommt es erst jetzt zu diesen Abklärungen, Vorwürfe stehen laut dem Zeitungsartikel schon seit Anfang 2022 im Raum?
Der Prozess seit Eingang erster Meldungen bis hin zu den angestossenen Abklärungen hat rückblickend zu lange gedauert – zum Teil wegen juristischer Hürden, zum Teil auch wegen unserer Prozesse. Das bedaure ich und da sehe ich auch Fehler bei der ETH Zürich. Diese müssen wir nun sorgfältig aufarbeiten, um unser Vorgehen bei Meldungen von mutmasslichem Fehlverhalten weiter zu verbessern. Es zeigt sich, dass wir als Institution noch nicht so weit sind wie wir sein wollen.

Ich möchte aber auch betonen, dass wir uns an geltendes Recht halten müssen. Das bedeutet, dass wir keine Vorverurteilung vornehmen und auch beschuldigte Personen anhören müssen. Unsere Anlaufstellen stehen dabei immer wieder vor der Herausforderung, dass maximale Vertraulichkeit gewährleistet werden muss und deshalb Beschuldigte nicht konfrontiert werden dürfen. Gleichzeitig werden Massnahmen von der Institution erwartet. Diesen widersprüchlichen Ansprüchen – Schutz der meldenden Person und das Recht der Beschuldigten, angehört zu werden – sind für uns eine dauernde Herausforderung.

Der Artikel erhebt den Vorwurf, dass die Meldung einer Betroffenen von einer Mitarbeiterin abgeblockt wurde mit den Worten sie solle den Vorfall nicht offiziell melden, weil sie «verlieren würde».
Was die Betroffene im Kontakt mit der Meldestelle 2022 offenbar erlebt hat, entspricht in keiner Art und Weise dem, wie wir Betroffene in unseren Meldestellen beraten möchten. Das habe ich ihr im persönlichen Gespräch auch so gesagt. Es ist klar, dass die ETH Zürich verpflichtet gewesen wäre, solche Meldungen zu verfolgen. Ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass die aktuellen Mitarbeitenden bei unseren verschiedenen Beratungsstellen so nicht handeln würden. Ich bitte daher alle ETH-Angehörigen , die an der ETH Zürich mutmassliches Fehlverhalten erleben, sich vertrauensvoll und möglichst zeitnah bei unseren Anlaufstellen zu melden. Alle an der ETH Zürich sollen ein Arbeitsumfeld vorfinden, in dem wir alle respektvoll miteinander umgehen.

In den letzten Jahren hat die ETH Zürich viele Veränderungen bei ihren Anlaufstellen vorgenommen. Warum kommt es trotzdem noch zu solchen Situationen, in denen sich Meldende nicht gut betreut fühlen?
In den letzten Jahren haben wir in der Tat einiges umgesetzt, um unsere Beratungsstruktur zu verbessern. Wir haben zum Beispiel die Meldestelle für sexuelle Belästigungen und Diskriminierung extern angesiedelt und bieten mit der internen Klärungsstelle Hilfeleistung bei Konflikten am Arbeitsplatz und bei Belästigungen. Und glauben Sie mir: Ich sehe, wie sich unsere internen wie auch die externe Stelle jeden Tag mit vollem Engagement für Mitarbeitende in schwierigen Situationen einsetzen. Aber der Umgang mit den vorliegenden Vorwürfen ist von Seiten der ETH alles andere als ideal gelaufen. Das betrifft alle Involvierten – mich eingeschlossen.

Man hat den Eindruck, dass die verschiedenen Anlaufstellen nicht miteinander sprechen.
Die ETH Zürich hat bewusst mehrere Anlaufstellen für unterschiedliche Anliegen. Den Betroffenen wird immer erklärt, wohin sie welches Anliegen tragen können und was damit geschieht. Ein Bericht bei der Ombudsstelle oder der Meldestelle bedeutet nicht, dass die Entscheidungsträger:innen der ETH Zürich gleich davon erfahren. Vertraulichkeit ist für die Beratungsarbeit enorm wichtig. Sie bringt aber Herausforderungen mit sich. Und ja, als Institution müssen wir einen besseren Weg finden, wie unsere Anlaufstellen damit umgehen, wenn sie vertraulich eine Häufung von Meldungen gegen eine Person erhalten.

Was hätten Sie rückblickend anders gemacht?
Das habe ich mich die letzten Wochen sehr häufig gefragt. Ich bin – ohne den laufenden Abklärungen vorzugreifen – für mich zum Schluss gekommen, dass wir juristisch wohl richtig gehandelt haben. Die juristische Sicht ist jedoch nur eine Seite. Es gibt auch eine menschliche Sicht auf die Situation. Rückblickend hätte ich nach einer Möglichkeit suchen sollen, um eine aktivere Rolle als Führungsperson wahrzunehmen, auch wenn es vielleicht juristische Vorbehalte gegeben hat. Das entspricht meinem eigenen Führungsanspruch. Ich möchte, dass wir als ETH Zürich zukünftig diese Perspektive bei der Behandlung von Meldungen stärker berücksichtigen.

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