Auf gerader Schiene von Zürich nach Sofia
Ende Juli 2024 reiste die ETH-Klimaforscherin Sonia Seneviratne mit dem Zug von Zürich ins bulgarische Sofia, um an der 61. Plenarsitzung des Weltklimarats (IPCC) teilzunehmen. Dass sie für ihre Hinreise «auf dem Boden» bleiben konnte, hat sie auch dem Engagement ihrer administrativen Mitarbeiterin, Rahel Buri, zu verdanken, die massgeblich an der Organisation von Sonias Reise beteiligt war.
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Im Gespräch geben Sonia und Rahel Einblicke, wie es für sie war, diese lange Reise sowohl vorzubereiten als auch durchzuführen und zeigen auf, wie mehr Menschen zu entschleunigtem Reisen animiert werden könnten.
Sonia, erzähl uns von Deiner Entscheidung, mit dem Zug statt mit dem Flugzeug zur 61. Plenarsitzung des Weltklimarats (IPCC) zu reisen.
Für mich ist es wichtig, mit dem Zug zu fahren, wenn ich es kann. Es macht sehr viel in Bezug auf das CO2-Budget aus, das man mit seinen Reisen verbraucht. Wenn man nicht fliegen muss, kann man auf Reisen innerhalb Europas eine relativ grosse Menge an CO2-Emissionen vermeiden, dadurch dass man zum Beispiel den Zug nimmt. CO2 -Emissionen sind der Haupttreiber des menschenverursachten Klimawandels und das ist auch mein Hauptforschungsthema.
Rahel, wie hast Du die Reise organisiert? Gab es logistische oder andere Herausforderungen?
Ich dachte zuerst: «Meine Güte!», als Sonia mir von ihrer Idee berichtete, denn nach Sofia fährt man mit dem Zug natürlich nicht alle Tage. In einem ersten Schritt habe ich mich bei den nationalen Reiseunternehmen in der Schweiz und Österreich informiert und bis Budapest wäre auch alles einfach zu buchen gewesen, aber Bulgarien und Rumänien sind als Zugreisen noch nicht standardmässig buchbar. Nach weiterer Recherche stiess ich auf einen auf Individualreisen spezialisierten Reisepartner und über diesen konnte ich dann die Reiseroute buchen. Das Gute war dabei, einen Ansprechpartner zu haben, der viele Reisedetails gleich mitgedacht hat: Etwa die Sitzplatzreservation und die Möglichkeit, einen Liegeplatz für den Nachtzug zu buchen. Insgesamt erforderte diese Abstimmung zwischen mir, dem Reisepartner, Sonia und einer weiteren Arbeitskollegin vom Weltklimarat, mit der Sonia einen Teil der Strecke zusammen reiste, etwa 80 Abstimmungs-E-mails.
Sonia, kannst Du die Reise selbst beschreiben? Hast Du Dich sicher gefühlt und unterwegs interessante Erfahrungen gemacht, etwa im Zusammenhang mit den Nachhaltigkeitsaspekten der Reise?
Es war eine interessante und lange Reise – fast 48 Stunden. Ich habe schon Erfahrung mit langen Reisen, bin zum Beispiel vor mehr als 20 Jahren mit der Bahn von Moskau in die Mongolei gefahren – das hat 5 Tage gedauert. Im Zug zu reisen, finde ich dabei durchaus angenehm. Ein Grund dafür ist, dass man immer neue Bekanntschaften und Erfahrungen macht und die Reise anders wahrnimmt, als wenn man fliegen würde. Beim Fliegen gibt es eine Art «Abbruch» zwischen den Orten. Beim Bahnfahren dagegen geht man allmählich von Ort zu Ort und nimmt bewusster wahr, wie sich die Umgebung verändert, man spürt die räumliche Transition. Bis Budapest war die Reise zudem sehr simpel und überall gab es Verpflegung, aber auch danach ging es noch in einem recht komfortablen Nachtzug von Budapest nach Bukarest weiter, bei der man die Abteiltür abschliessen und schlafen konnte. Bis dahin hatte mich noch eine Kollegin vom Weltklimarat begleitet und die Strecke von Bukarest nach Sofia bin ich dann alleine gereist. Ich habe mich immer sicher gefühlt und auch gemerkt, dass ich nicht die Einzige bin. Es gab Mitreisende aus Portugal, die mit dem Zug nach Istanbul fuhren, ein Engländer wollte mit dem Zug bis nach Samarkand. Solche Begegnungen sind sympathisch und bleiben haften. Auch aus logistischer Sicht – vom Billett abholen an den Schaltern im Ausland bis zur Zugpünktlichkeit – hat alles recht gut funktioniert.
«smart moves» und nachhaltiges Reisen an der ETH Zürich
«smart moves» ist eine Kampagne, die von der Abteilung Campus Services und ETH Sustainability organisiert wird. Sie unterstützt das Ziel der ETH Zürich, ihre Treibhausgas-Emissionen bis 2030 auf Netto-Null zu senken. Mehr Informationen gibt es hier.
Mit dem Flugreisen-Projekt motiviert die ETH Zürich ihre Mitarbeitenden, ihre Treibhausgas-Emissionen aus dienstlichen Flugreisen zu reduzieren. Ausserdem bietet die ETH Zürich verschiedene Hilfsmittel wie einen «Flight Decision Tree» an, sodass Mitarbeitende bei Dienstreisen die richtige Wahl bezüglich Mobilität treffen können.
Professorin Sonia Seneviratne
Sonia ist Professorin für Landklima Dynamik und Leiterin des Instituts für Atmosphäre und Klima. Zudem ist sie seit Juli 2023 Vize-Vorsitzende der Arbeitsgruppe 1 des Weltklimarats, die sich mit physikalischen Grundlagen des globalen und regionalen Klimawandels befasst. In diesem Zusammenhang ist sie in dessen siebtem Zyklus mitverantwortlich für die Koordination von neuen Berichten. Es ist daher wichtig, dass sie bei den Zusammenkünften des Weltklimarats teilnehmen kann.
Rahel Buri
Rahel arbeitet seit 18 Jahren an der ETH Zürich, vor zwei Jahren hat sie in die Gruppe von
Sonia als administrative Mitarbeiterin gewechselt. Zudem ist sie für das Center for Climate Systems Modeling (C2SM) unterstützend tätig und führt das Institutssekretariat am Institut für Atmosphäre und Klima.
Sonia, findest Du den Aufwand, der mit Planung und Durchführung dieser Reise verbunden war, gerechtfertigt?
Natürlich ist das Vorbereiten einer solchen Reise und die Reise an sich zeitaufwendiger als eine Flugreise. Aber ich finde, man muss hier Positives und Negatives abwägen: Wenn man viel CO2 emittiert, hat das eben viele negative Konsequenzen und wenn man dies vermeidet, ist das so wirksam, dass es eben auch für mich eine Hauptmotivation für diese Reiseform ist. Hinzu kommt, dass ich im Zug gut arbeiten kann und in diesem Fall über eine weite Stecke der Reise mit meiner Kollegin vom Weltklimarat zusammen gereist bin und sich daraus auch Synergien für unsere Arbeit ergaben. Zudem ist noch ein lustiger Fakt, dass ich pünktlich bei der Sitzung war und manche, die mit dem Flugzeug nach Sofia gereist waren, nicht – sie hatten aufgrund von Flugstörungen Verspätung.
Zürich - Sofia: Vergleich CO2-Ausstoss Bahn und Flugzeug
Flug: 759 kg CO2
Zug: ca. 85-120kg CO2 (1700km * 50-70g CO2/km, approximiert auf Basis Quelle Umverkehr)
Quelle externe Seite Atmosfair
Rahel, wie siehst Du das, wie sehr hat Dich die Reise auf Trab gehalten?
Ich war teilweise sehr nervös, weil ich zum Beispiel bis Freitagmittag die Tickets für die Reise noch nicht erhalten hatte und Sonia am Montag fahren sollte. Als dann die Tickets nach dem Mittag eintrafen, war ich erleichtert und gleichzeitig auch wieder besorgt: Klappt das wirklich, auch mit dem Abholen der weiteren Billetts für die Fortsetzung der Reise? Passen die Anschlüsse noch bei Verspätung? Es lag ja auch in meiner Verantwortung, dass Sonia zu dieser wichtigen Sitzung rechtzeitig kommt. Wir hatten allerdings einen kleinen Zeitpuffer eingeplant.
Sonia, Du hast als einen Aspekt, der Dich zu dieser Art nachhaltigen Reisens motiviert, den geringeren CO2-Ausstoss genannt. Gibt es noch weitere Aspekte, die bisher nicht erwähnt wurden?
Ein Aspekt ist, dass es aus meiner Sicht Leute braucht, die diese Reisen ausprobieren, die Vorbild sind. Es geht darum, Zeichen zu setzen und die Machbarkeit aufzuzeigen, auch wenn das von Zürich nach Sofia vielleicht noch ein bisschen Pioniercharakter hat. Je mehr Menschen aber längere Reisen mit der Bahn planen, desto mehr steigen die Nachfrage, das Angebot und die Selbstverständlichkeit für solche Reisen. Ich habe deshalb auch über die Reise auf meinen Social Media-Profilen berichtet. In Europa gibt es viele Zugdistanzen, die eine komfortable Reise zulassen, bei denen man vielleicht maximal einen Tag im Zug verbringt, aber dort eben auch recht gut arbeiten und sich verpflegen kann. Am Ende ist der Zeitverlust im Vergleich zu einem Flug bei solchen Reisen gar nicht so gross.
Zum Schluss: Welche institutionelle Unterstützung könntet Ihr Euch vorstellen, damit solche nachhaltigen Reisen im Arbeitsalltag öfter zur Option werden?
Rahel: Toll wäre natürlich ein Ansprechpartner innerhalb der Organisation, eine Stelle, die man anfragen kann und die mit solchen Reisen Erfahrung hat und Tipps und Tricks teilen könnte – also eine Art kompetenter Organisationspartner, weil ich selbst natürlich diese Art von Reiseplanungskompetenzen in meinem Berufsalltag nicht häufig brauche.
Sonia: Ich denke, dass es toll wäre, wenn es eine solche institutionelle Unterstützung gäbe, wie sie Rahel beschreibt. Am Ende sollte nachhaltiges Reisen einfacher in den Arbeitsalltag integrierbar und einfacher buchbar sein. Dafür innerhalb der Institution Planungskompetenzen bereitzustellen wäre eine wunderbare Sache.
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