«rETHink kommt nun immer mehr im Alltag der ETH an»
Um rETHink ist es in den letzten Monaten etwas ruhig geworden. Doch der Eindruck trügt. In den sechs Workstreams entstehen immer mehr konkrete Lösungsvorschläge. Kleinere Projekte wurden bereits umgesetzt, für umfassendere Neuerungen steht die Stossrichtung fest, wie ETH-Präsident Joël Mesot im Interview ausführt.
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Herr Mesot, Sie haben nach Ihrem Amtsantritt als ETH-Präsident das Projekt rETHink gestartet mit dem Ziel, der Hochschule und ihren Angehörigen die Handlungs- und Gestaltungsfreiheit zu erhalten. Dabei ging es Ihnen unter anderem um Aspekte wie Eigenverantwortung, Führung, aber auch die Zugehörigkeit zur Institution. Nach einer breiten Wertediskussion und der Präsentation der Handlungsfelder ist es ruhig geworden um rETHink. Stockt das Projekt?
Joël Mesot: Es ist tatsächlich so, dass in der ETH-weiten Öffentlichkeit schon länger nichts mehr von rETHink zu lesen oder hören war. Das hängt paradoxerweise gerade damit zusammen, dass das Projekt Gestalt annimmt und nun ganz konkrete Lösungsvorschläge entwickelt werden. Bevor wir mit den neuen Ideen an die ganze ETH treten, möchten wir sie mit den betroffenen Personengruppen und in den Mitwirkungsgremien spiegeln.
Wenn wir die groben Linien betrachten: Was sind zurzeit die grossen Fragen, die angegangen werden, und welche Lösungsansätze zeichnen sich ab?
Mesot: Nehmen wir die Wertediskussion, die Sie angesprochen haben. Sie erinnern sich: Insbesondere die Exzellenz war als Wert nicht unbestritten. Die Diskussion um die Werte wurde in den letzten Monaten in verschiedenen Gremien und Arbeitsgruppen intensiv weitergeführt. Gerade die Mittelbauvereinigung AVETH hat hier einen grossartigen Beitrag geleistet. Nun liegt ein überarbeitetes Set an Werten vor. Dieses geht weit über den ursprünglichen Vorschlag hinaus. Die Werte sind neu in ein Gesamtmodell eingebunden, das auch die Vision und die Mission der ETH Zürich umfasst. Die Exzellenz ist darin nicht mehr als Wert aufgeführt. Damit haben wir die Stimmen jener ETH-Angehörigen berücksichtigt, die sich nicht als exzellent bezeichnen möchten, auch wenn sie exzellente Arbeit leisten. Das Streben nach Exzellenz wird neu in der Mission unserer Hochschule verankert. Gleichzeitig stellen wir einen Bezug zum Dienst an der Gesellschaft her, den unsere Institution dadurch erbringt.
Und wie sieht es bei den anderen Werten aus?
Offenheit, Verantwortung, Teamgeist und Vielfalt waren als Werte kaum umstritten, es kam nur da und dort die Frage auf, ob sie spezifisch genug seien. Auch wurden gewisse Werte wie Respekt vermisst. Die laufende Diskussion wurde zudem aus einer ganz anderen Ecke erweitert: Das Vizepräsidium für Personalentwicklung und Leadership setzte sich mit Sozial- und Leadership-Kompetenzen auseinander. Diese Fähigkeiten von Mitarbeitenden haben einen engen Bezug zu unseren Werten, prägen aber auch stark das soziale Verhalten im Alltag. Dazu zählen beispielsweise verantwortungsvoll zu handeln, Inklusion zu leben, aber auch Kolleginnen und Kollegen zu befähigen, ihr Potenzial auszuschöpfen. Sie merken schon, manche dieser Sozialkompetenzen sind sehr nahe an den Werten, mit denen wir uns beschäftigen. Entsprechend wurde die Idee geboren, auch die Kompetenzen und das Verhalten, das sich daraus ableitet, ins Gesamtmodell zu integrieren.
Können Sie uns heute bereits das Gesamtmodell vorstellen?
Ich bin von diesem Modell wirklich begeistert. Denn es basiert nicht einfach auf einem Schulbuch, dem wir Schritt für Schritt gefolgt sind. Vielmehr ist es aus rETHink heraus entstanden und zeigt exemplarisch, wie sich Diskussionen in verschiedenen Gremien und Workstreams gegenseitig befruchten und etwas Grösseres entstehen lassen. Zurzeit liegt ein Set von sechs Werten und von sechs Kompetenzen vor. Die Werte darf ich Ihnen heute bereits verraten: Wir wollen unsere Zusammenarbeit an der ETH auf Offenheit, Erfindungsgeist, Verantwortung, Befähigung, Inklusion und Respekt abstützen. Das Gesamtmodell wird aktuell in verschiedenen Gremien vorgestellt. Das kann noch zu Anpassungen bei einzelnen Begriffen führen. Und wie bereits erwähnt, wollen wir uns auch der Mission und der Vision annehmen. Ich denke, im kommenden Herbst werden wir das gesamte Modell vorstellen können.
Welche anderen Fortschritte macht das Projekt?
Eine der wichtigsten Fragestellungen in der Organisation einer Institution wie der ETH ist die Rollen- und Aufgabenverteilung zwischen den drei Ebenen der Professur, des Departements und der Schulleitung, beziehungsweise den Zentralen Organen. Und da zeichnet sich immer klarer ab, dass wir die Rolle der Departemente stärken und das Zusammenspiel der drei Ebenen klarer definieren müssen, um unser wichtigstes Ziel zu erreichen, der Hochschule und ihren Angehörigen die Handlungs- und Gestaltungsfreiheit zu erhalten.
Was soll sich auf der Ebene der Departemente denn nun konkret ändern?
Die Schulleitung hat aufgrund der Empfehlungen aus dem Workstream die Stossrichtung festgelegt. Erstens stellen wir uns vor, dass Departemente künftig generell von einem Gremium mit Kollektiventscheid statt von Einzelpersonen geleitet werden. Wir sind überzeugt, dass es sinnvoll ist, wenn in den Departementen strategische oder kritische Entscheide von einem Gremium statt von einer Einzelperson gefällt werden. Gleichzeitig können wir so auch Departementsvorsteher bzw. -vorsteherinnen von einzelnen Aufgaben entlasten. Zweitens sollen die Departemente für ihre operativen Aufgaben entsprechende Kompetenzen und Ressourcen erhalten. Damit verbunden stellt sich die Frage, wer in der Departementsleitung bzw. -administration künftig welche Aufgabe wahrnimmt. Diese Personen müssen dann auch mit den entsprechenden Kompetenzen und Ressourcen ausgestattet werden. Der letzte Punkt betrifft die Schnittstellen zur Schulleitung und den zentralen Organen. Hier wünschen wir uns eine gewisse Vereinheitlichung.
Bis wann ist hier mit ersten Massnahmen zu rechnen?
Der zuständige Workstream hat Vorschläge für Prinzipien und Minimalstandards erarbeitet, die zurzeit an der ETH in verschiedenen Gremien diskutiert werden. Dann werden wir eine formale Vernehmlassung durchführen, denn wir gehen davon aus, dass auch Regelwerke angepasst werden müssen. Dieser eher mittel- bis langfristige Horizont bedeutet aber nicht, dass sich nicht vorher etwas ändern wird. Denn wenn sich in den Diskussionen konkrete Lösungen abzeichnen, geht es an der ETH glücklicherweise jeweils sehr schnell, bis Anpassungen vorgenommen werden. Ich bin diesbezüglich sehr zuversichtlich.
Gibt es andere Handlungsfelder, in denen diese Art der Translation passiert?
Selbstverständlich. Diskussionen mit Teilnehmenden aus unterschiedlichen Organisationseinheiten sind ein wesentlicher Bestandteil von rETHink. Da werden auch immer wieder hervorragende Lösungen für organisatorische Fragestellungen präsentiert, die sich auch andernorts anwenden lassen. Das Problem ist oft, dass man diese Lösungen nicht kennt. Und je grösser unsere Hochschule wird, desto weniger erfährt man von solchen Ideen. Im Workstream, der sich mit der Professur beschäftigt, sind eine Reihe von Praxisbeispielen zusammengekommen, die in einer «Toolbox» der ganzen ETH zugänglich gemacht werden sollen. Darin sollen – Peer to peer – wertvolle Tipps zur Organisation einer Professur, zur Gestaltung von Arbeitsprozessen, zum Einsatz von Ressourcen und zu vielen weiteren Themen geteilt werden. Es sollen aber auch Good Practices aus anderen Workstreams Eingang finden. Hier zeigt sich ein anderes wesentliches Merkmal des Projekts: Wir haben immer gesagt, dass das Ziel von rETHink nicht darin bestehen kann, ein gewaltiges neues Regelwerk zu schaffen – im Gegenteil. Ich bin überzeugt, dass wir handlungsfähiger bleiben, wenn wir Prinzipien und den Austausch von Good Practices ins Zentrum stellen.
Hier wird einiges auf die ETH-Angehörigen zukommen, auch wenn manches noch etwas Geduld braucht. Gibt es auch Handlungsfelder, die weiter fortgeschritten sind?
Selbstverständlich. Es gibt verschiedene Themen, die in den rETHink-Workstreams fertig bearbeitet, an die Linie übergeben und im ETH-Alltag implementiert wurden. Naturgemäss handelt es sich dabei um eher kleinere Projekte, die in den Diskussionen unbestritten waren. So entstanden etwa sehr schnell neue Angebote bei den Führungskursen. Auch für den Prozess der Professurenplanung wurden bereits zahlreiche Handlungsempfehlungen in die Linie übergeben. Die Digitalisierungsstrategie für die Verwaltung ist ein Beispiel für ein grösseres Projekt, das bereits weit fortgeschritten ist. Ziel ist es, die Digitalisierungsbemühungen der gesamten ETH-Administration zu koordinieren und zu fördern, um das Wachstum der ETH zu bewältigen. Hierfür wurden sechs Handlungsfelder eruiert und 20 Empfehlungen erarbeitet. Diese wurden in Workshops mit Vertreterinnen und Vertretern der Zentralen Organe und Departemente gespiegelt. Inzwischen liegt eine Roadmap vor, die aufzeigt, welche Digitalisierungsprojekte in den kommenden drei Jahren in Angriff genommen werden sollen. Die Verantwortlichen des Workstreams werden in Kürze darüber berichten, was uns an der ETH konkret erwartet.
Damit sind wir wieder beim Thema Kommunikation, mit dem wir das Gespräch begonnen haben…
In den kommenden Wochen und Monaten wird rETHink an der ETH wieder mehr von sich hören lassen. Zum einen, weil nun immer mehr konkrete Resultate aus den Workstreams vorliegen, beziehungsweise in der Linie, also in einzelnen ETH-Einheiten, implementiert werden. Zum anderen ist es allen Beteiligten ein Anliegen, die Resultate, aber auch die zugrundeliegenden Überlegungen und Argumente der ganzen ETH zugänglich zu machen. Ich verspreche Ihnen, rETHink kommt nun immer mehr im Alltag der ETH an.
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