Die Führungs- und Vorgesetztenrolle von Professor:innen

Die Forschung und Lehre von Professor:innen unterliegt einer laufenden Beurteilung. Wie aber sieht es hinsichtlich Führung aus? Workstream 3 von rETHink hat sich dieser Frage angenommen und schlägt eine differenzierte Lösung vor, welche die Besonderheiten des wissenschaftlichen Umfelds und der ETH berücksichtigt.

Traditionell finden im Herbst Personalgespräche statt. Auch an der ETH werden die administrativ-technischen Mitarbeitenden jährlich von ihren Vorgesetzten beurteilt, erhalten Feedback zu ihrer Arbeit und sind aufgefordert, ihrerseits eine Rückmeldung zu den Vorgesetzten zu geben. Gemeinsam werden die neuen Ziele für das kommende Jahr festgelegt. Dieser Prozess gilt für Mitarbeitende aller Stufen. Für die Professorenschaft besteht hingegen ein anderer Evaluationsprozess.

Professor:innen werden laufend beurteilt

Die Arbeit von Professor:innen unterliegt einer kontinuierlichen Evaluation durch Peers. So bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen, der Eingabe von Forschungsgesuchen, der Anmeldung von Patenten, und auch bei der Verleihung von Auszeichnungen. Studierende beurteilen die Lehre in regelmässigen Befragungen zu den einzelnen Lehreinheiten. Und eine speziell entwickelte Datenbank, die Annual Academic Achievements (AAA), gibt einen umfassenden Überblick zu den einzelnen Aktivitäten der Professor:innen und ihren jährlichen Leistungen. Das erstreckt sich von wahrgenommenen Aufgaben in der akademischen Selbstverwaltung über andere zeiteinnehmende Aktivitäten wie Outreach oder Spin-off-Gründungen bis hin zu Nebenbeschäftigungen.

Doch die Erwartungen an das Reporting stiegen über die letzten Jahre.

Formales Reporting über Führungsrolle gefordert

So schreibt etwa die Professorenverordnung nicht nur eine regelmässige Leistungsbeurteilung der Professor:innen vor, sondern auch ein Reporting über deren Durchführung an den ETH-Rat. «Wichtig ist mir, dass eine formalere Leistungsbeurteilung nicht als lästige Pflichterfüllung verstanden wird», betont ETH-Präsident Joël Mesot. Es gehe nicht darum, dass Professor:innen einfach weitere Berichte schreiben müssten. «Die Reflexion darüber, was wir leisten und wie wir dies bewerkstelligen, soll uns dabei helfen, uns weiterzuentwickeln», so Mesot.

Vor diesem Hintergrund hat die Schulleitung beschlossen, die Frage der Evaluation von Professor:innen im Rahmen von rETHink anzugehen. Workstream 3 (WS3), der sich schwerpunktmässig mit der «Begleitung von Professor:innen» befasst, wurde beauftragt zu ermitteln, wo bei der Beurteilung und Unterstützung von Professor:innen Handlungsbedarf besteht und konkrete Umsetzungsvorschläge zu entwickeln. Die Analyse zeigte auf, dass zwar die Tätigkeit von Professor:innen im AAA-Prozess vielfältig abgebildet wird, aber hinsichtlich Führungsaufgaben bisher keine formalisiert-verbindliche Möglichkeit zu regelmässiger Evaluation bzw. systematischem Feedback existiert.

Eine passende Lösung für die ETH

Keine leichte Aufgabe, denn Führen in der Wissenschaft ist teilweise anders als in einem Unternehmen. Die grösste Herausforderung besteht darin, dass Doktorierende und Postdocs definitionsgemäss nur für eine bestimmte Zeit einer Forschungsgruppe angehören und an ihren eigenen Projekten arbeiten. «Solche Teams sind divers und haben eine recht hohe Fluktuation, es müssen also immer wieder neue Kolleg:innen integriert werden, die oft verschiedenartige kulturelle Hintergründe haben», erläutert Julia Dannath, Vizepräsidentin für Personalentwicklung und Leadership (VPPL). Die Besonderheit besteht darin, den Mitarbeitenden gute Orientierung und Anleitung zu bieten und gleichzeitig genügend Freiraum zur Entfaltung der eigenständigen wissenschaftlichen Karriere des Nachwuchses zu ermöglichen. «Den Balanceakt, gleichzeitig vorgesetzte Person und Mentor:in zu sein, kenne man in der Industrie zwar auch, doch die erwähnten Aspekte haben zur Folge, dass das Führen einer Forschungsgruppe an einer Hochschule zu einer besonderen Herausforderung mit grosser Verantwortung wird», resümiert Dannath.

Ein neuer Leadership-Feedback-Prozess nimmt Gestalt an

Der Lösungsvorschlag, den WS3 in enger Zusammenarbeit mit dem Vizepräsidium für Personalentwicklung und Leadership und im Austausch mit der Professorenschaft erarbeitet, heisst «Leadership Feedback Prozess» (LFP).

Die Idee ist, dass sich alle ordentlichen Professor:innen im Fünfjahresrhythmus in einem LFP-Reflexionsprozess kritisch mit ihrer Führungs- und Vorgesetztenrolle auseinandersetzen. Im Zentrum steht ein Reflexionsgespräch, zu dessen Vorbereitung die Professor:innen einen Selbstreflexionsbericht verfassen. Parallel dazu sollen sie zudem in kürzeren Zeitabständen Feedbacks aus ihrer Forschungsgruppe einholen und allenfalls mit Kolleg:innen sprechen. Neben dem Bericht und den Feedbacks sollen in den LFP-Reflexionsgesprächen auch Faktoren wie die Fluktuation, die Abbruchquote von Doktorierenden oder die Dauer der Doktorate im departementalen Vergleich thematisiert werden. Dabei sollen auch die Grösse und Struktur der Gruppe berücksichtigt werden.

Vertraulichkeit sicherstellen

Als Abschluss soll der Professor, die Professorin, zusammen mit dem LFP-Reflexionspartner, der LFP-Reflexionspartnerin eine gemeinsame, kurze Rückmeldung zuhanden der VPPL geben. Für das formale Reporting ist es notwendig, dass nachvollziehbar ist, ob und wann der LFP stattfand.

Zentral ist jedoch, dass die Inhalte der LFP Reflexionsgespräche und die vorbereitenden Berichte vertraulich bleiben – Dateneigner ist der Professor, die Professorin. Dies spiegelt wider, dass es beim LFP nicht darum geht, die Professorenschaft zu kontrollieren. «Wie in jedem Personalgespräch stehen die persönliche Reflektion und die Besprechung von individuellen Entwicklungszielen im Zentrum», betont Julia Dannath. Wichtig sei, den Professor:innen Wertschätzung für ihre Arbeit entgegenzubringen und deren unterschiedlichen Führungsstilen gerecht zu werden.

Weitere Arbeiten

Während der grundlegende Ablauf des LFP feststeht und im Rahmen einer «Roadshow» durch die Departemente grundsätzlich positiv aufgenommen wurde, liegt der Teufel wie so oft im Detail: So ist beispielsweise noch nicht definiert, welche Personen als «LFP-Partner» mit den Professor:innen die Reflexionsgespräche führen werden.

«Wir brauchen einen Pool von Personen, die sowohl Führungsexpertise mitbringen, als auch mit den ganz spezifischen Gegebenheiten und Herausforderungen in Forschungsgruppen der Hochschullandschaft vertraut sind», erklärt Julia Dannath. Nur so sei ein Reflexionsgespräch auf Augenhöhe möglich. Zurzeit wird ein Lösungsansatz diskutiert, in dem die Schulleitung emeritierte Professor:innen sowie Fachpersonen aus der Linie der VPPL als «LFP-Partner» benennt, um den Professor:innen einem Pool von Personen mit unterschiedlichen Hintergründen und Expertisen zur Auswahl anzubieten.

Bis Ende Jahr werden noch konkrete Vorlagen sowie detaillierte Prozessbeschreibungen erarbeitet und finalisiert. Im Jahr 2023 soll dann ein Pilot mit freiwillig teilnehmenden Professor:innen erste Erfahrungen und den letzten Feinschliff am LFP ermöglichen. Im Folgejahr soll der LFP für alle ordentlichen Professor:innen eingeführt werden.

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