Personalgespräche – notwendiges Übel oder verkannte Chance?
Im Herbst stehen sie wieder an: die jährlichen Personalgespräche. Lukas Vonesch, Direktor Personal der ETH Zürich, erläutert, ob dieses Führungsinstrument noch zeitgemäss ist, wie sinnvoll eine Beurteilung mit Noten ist und was ein gutes Gespräch ausmacht.
Jahresgespräche seien mühsam, nichtssagend und brächten Organisationen nicht weiter, klagen viele. Sind Personalgespräche überhaupt noch zeitgemäss?
Diese Kritik hört man oft – man sollte sie zum Anlass nehmen, Gespräche zu verbessern. Das Personalgespräch sollte ein persönliches Gespräch sein, das aufmerksam und wertschätzend geführt wird. Ist dies nicht der Fall, empfindet man es als überflüssig oder als Abspulen einer Routine. Ein gutes Gespräch aber ist immer zeitgemäss.
Sollte man nicht über das ganze Jahr hinweg von seinem oder seiner Vorgesetzten Feedback erhalten statt nur einmal gegen Ende des Jahres?
Ich glaube, es braucht beides: das zeitnahe, konkrete Feedback und das jährliche Personalgespräch. Denn dieses beinhaltet Elemente, die in den anderen Gesprächen oft fehlen. So wird etwa das Arbeitsverhalten über einen längeren Zeitraum reflektiert, man erhält als Vorgesetzter Feedback von seinen Mitarbeitenden, und man kann gemeinsam Entwicklungsmöglichkeiten besprechen.
Gibt es an der ETH Vorgaben, ob und wie Personalgespräche durchgeführt werden sollen?
Ja, in der Personalverordnung (PVO) der ETH wird verlangt, dass Vorgesetzte mindestens einmal pro Jahr ein Personalgespräch führen, das eine Standortbestimmung gibt, Förderungsmassnahmen beinhaltet und in dem die Leistung beurteilt wird. Vorgesehen ist auch, dass die Mitarbeitenden Gelegenheit haben, Rückmeldung zum Führungsverhalten zu geben. Dies gilt für alle, die einen Vertrag unter der PVO haben: also für alle administrativ-technischen Mitarbeitenden, aber auch für die allermeisten wissenschaftlichen Mitarbeitenden. Dazu zählen auch Doktorierende.
Was soll ich tun, wenn mein Vorgesetzter oder meine Vorgesetzte kein Gespräch ansetzt?
Dann sollte man darum bitten und wenn nötig auch darauf hinweisen, dass dies Teil der Führungsverantwortung ist. Wenn jemand gar nicht darauf eingeht, kann man sich an die Personalabteilung wenden.
Ist es sinnvoll, die Leistung der Mitarbeitenden mit Bewertungsbuchstaben zu beurteilen?
Wichtig ist das Gespräch und das persönliche, differenzierte Feedback. Als Führungsperson sollte man nicht primär eine beurteilende, sondern eine entwicklungsorientierte Haltung einnehmen und sich überlegen, wie man Stärken noch besser nutzen und gemeinsam weiterkommen kann. Ein Buchstabe allein ist keine Wertschätzung.
Aber am Ende dreht sich doch alles um den einen Buchstaben, der als «Abschlussnote» an die Personalabteilung geht …
Nein. Das Gespräch steht im Vordergrund. Dieser Buchstabe sollte nur eine gewisse Einordnung geben und gar nicht im Vordergrund stehen. Man kann sicher die Frage stellen, ob das Formular noch ganz zeitgemäss ist und man es nicht überdenken sollte – was wir auch tun.
Wie wirkt sich eine gute Beurteilung wie ein A+ auf den Lohn aus?
Der Zusammenhang zwischen dem Bewertungsbuchstaben und dem Lohn wird überschätzt. Für die allermeisten wissenschaftlichen Funktionen spielt das gar keine Rolle, denn das sind ja in der Regel fixe Ansätze. Nur bei administrativ-technischen Mitarbeitenden, die im Lohnsystem sind, gibt es eine gewisse Lohnsteuerung. Das heisst: Eine gute Beurteilung kann sich auf die Lohnentwicklung auswirken, aber es gibt mehrere Faktoren und enge Bandbreiten. Je nachdem, wo man mit seinem Lohn innerhalb des Lohnbands einer bestimmten Funktion steht, kann es sein, dass man auch mit einem A+ keine weitere Lohnentwicklung hat.
Gibt es ein gewisses Kontingent zum Beispiel an A+-Bewertungen, die eine Führungsperson innerhalb des Teams vergeben kann?
Es gibt Firmen, die dazu Vorgaben machen, besonders Organisationen mit leistungsabhängigen Lohnbestandteilen. An der ETH gibt es keine Regelung, wie viele A+ vergeben werden dürfen. Es gibt aber einzelne Bereiche, in denen die Verteilung diskutiert wird. Im Übrigen bedeutet der Buchstabe A, dass die hohen Erwartungen vollumfänglich erfüllt sind. Eine positive und starke Aussage, alles andere als knapp genügend.
Wie schafft man als Vorgesetzte/r den Spagat zwischen einem vertrauensvollen Gespräch und einer «schonungslosen» Beurteilung?
Da gibt es ein Prinzip: Hart im Thema, aber soft zur Person. Das heisst, kritische Punkte sachlich, konkret und mit Beispielen ansprechen. Wenn jemand einsieht, dass etwas nicht gut gelaufen ist, sollte man das auch akzeptieren und der Person zutrauen, sich zu verbessern. Grundsätzlich gilt, dass Kritik besser angenommen wird, wenn gleichzeitig auch Gutes gesehen wird.
«Ein Buchstabe allein ist keine Wertschätzung.»Lukas Vonesch, Direktor Personal
Mitarbeitende sollten aber auch bei Kritik spüren, dass Vorgesetzte hinter ihnen stehen, oder?
Das ist ein ganz wichtiger Punkt, die gegenseitigen Erwartungen zu klären. Die Führungsperson sollte fragen: Was brauchst du von mir, damit wir nicht mehr in eine solche Situation geraten und uns verbessern können? Im Gespräch entstehen so oft gute Ideen, was wiederum das Vertrauen und eine gemeinsame Verantwortung fördert.
Wie bereitet man sich als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter am besten auf ein Jahresgespräch vor?
Wichtig ist, dass man es überhaupt vorbereitet. Fragen, die man sich vorab stellen kann, sind beispielsweise: Was lief anders als geplant? Wo waren die grossen Herausforderungen?
Was ist mir gut gelungen, was würde ich das nächste Mal anders angehen? Wo könnte ich mich noch weiterentwickeln? Und last but not least: Was fand ich beim Vorgesetzten oder der Vorgesetzten gut, was weniger?
Und als Vorgesetzte/r?
Ich mache das manchmal bei einem kurzen Spaziergang und blicke auf das vergangene Jahr zurück. Dabei versuche ich, mich an einzelne Episoden zu erinnern, zu denen ich differenziertes Feedback geben kann. Daneben schaue ich aber auch nach vorne: Wie sehen die nächsten ein bis drei Jahre aus, welche Entwicklungsmöglichkeiten gibt es?
Wie müssen Personalgespräche ablaufen, damit beide Seiten profitieren?
Aus Vorgesetztensicht muss es gut vorbereitet und durchdacht sein. Das Gespräch sollte offen, wertschätzend und entwicklungsorientiert geführt werden. Wichtig ist, dass beide Seiten zu Wort kommen – idealerweise erhalten Mitarbeitende die Hälfte der Redezeit. Wichtig ist auch, den anderen bewusst wahrzunehmen und auch Fragen zu stellen: Es ist nicht nur ein Personalgespräch, sondern auch ein «Personalzuhören».
Wie ehrlich sollen die Mitarbeitenden ihre Vorgesetzten beurteilen?
Wir sollten Feedback so geben, wie wir es auch selber empfangen möchten. Am besten erwähnt man konkrete Beispiele, wo man sich etwa gut unterstützt gefühlt hat, oder Situationen, die man sich anders gewünscht hätte.
Haben Sie rückblickend auf Ihre berufliche Laufbahn schon Fehler gemacht bei Personalgesprächen?
Ich habe einen Fehler und eine wichtige Lernerfahrung gemacht. Der Fehler war, dass ich diese Gespräche vor meiner Zeit an der ETH einmal nicht geführt hatte, weil ich dachte, ich spräche unter dem Jahr genug mit meinen Mitarbeitenden. Heute sehe ich das Personalgespräch nicht mehr als Pflichtübung, die ich für die Mitarbeitenden machen muss, sondern als Chance, die auch mir als Vorgesetzter etwas bringt.
Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe des ETH-Magazins «life»