«Dass nichts passiert, ist keine Option»

Der Workstream 4 des Projekts rETHink beschäftigt sich seit Anfang Jahr intensiv mit der Organisation der Departemente. Welches die wichtigsten Erkenntnisse aus der Analysephase sind und wie es weitergeht, erklären die beiden operativen Workstream-Co-Leiter Jan Vermant und Zeljko Medved.

Zoom-Konferenz der WS4 Mitglieder
Die WS4-Mitglieder in einer Zoom-Konferenz

Jan und Zeljko, habt ihr euch freiwillig für rETHink gemeldet, oder wurdet ihr angefragt?
Zeljko: Ich wurde angefragt. Ich habe mich dann auf die Anfrage hin freiwillig gemeldet. Also ja und ja.

Jan: Bei mir war es gleich. Ich wurde freundlich angefragt und wer kann da schon Nein sagen...  

(Beide lachen.)

Zeljko: Spass beiseite. Wir haben uns beide über die Anfrage sehr gefreut.

Gab es auch Bedenken?
Jan: Ich musste schon erst nachdenken. Als die Anfrage kam, war ich noch Departementsvorsteher. Zusammen mit dem Aufkommen von Corona war das eine sehr intensive Phase und ich freute mich bereits auf eine normalere Zeitnutzung. Mir war klar, dass die Mitarbeit bei rETHink ein weiteres seriöses Zeitzugeständnis bedeuten würde. Aber ich hörte den Ruf der Pflicht.

Zeljko: Ich war in den Ferien, als die Anfrage von Ueli Weidmann kam. Da geht man mit der Zeit grosszügiger um als sonst und ich habe rasch zugesagt. Ich war mir der Zeitimplikation aber schon bewusst und habe mit dem Vorsteher darüber gesprochen. Er hat meinen Entscheid unterstützt, wohl wissend, dass andere Aufgaben zu kurz kommen könnten.

Was ist eure Motivation, bei rETHink mitzumachen?
Jan: In meiner Funktion als Departementsvorsteher spürte ich den Druck, der mit diesem Amt einhergeht, sehr stark. Ich tauschte mich mit anderen darüber aus, wie man dieses Amt effizienter gestalten könnte. Zu dieser Zeit startete Joël Mesot die Initiative und Ueli kam auf mich zu. Die ETH ist so ein einzigartiger und wundervoller Ort. Sie noch stärker zu machen und das Gute zu bewahren, ist meine Hauptmotivation.

Zeljko: Ich arbeite seit gut zehn Jahren an der ETH, davor war ich in ähnlicher Funktion an einer anderen Universität und kann vergleichen. Mich hat schon immer beeindruckt, wie pragmatisch die ETH die Dinge angeht, wenn deren Wichtigkeit erst einmal verstanden wurde. Gleichzeitig war es für mich ein Schock, zu sehen, dass der Departementsvorsteher Formulare für irgendwelche Stuhlbestellungen persönlich unterschreiben muss. In diesem Spannungsfeld arbeiten wir teilweise heute noch. Mein Departement hat in den letzten Jahren ein paar Krisen durchlebt und wurde zeitweise kräftig durchgeschüttelt. Das hat uns definitiv stärker und besser gemacht und ich habe gemerkt: die Zeit ist reif für Veränderung, um das Gute noch besser zu machen. Dank der Initiative von Joël Mesot haben wir nun alle gemeinsam die Gelegenheit, genau das zu tun.

Das Kernteam besteht aus rund 20 Personen, alle aus unterschiedlichen Departementen und ETH-Einheiten. Wie erlebt ihr die Zusammenarbeit?
Jan: Wirklich toll. Ein paar der Leute kannte ich bereits, zum Beispiel aus der Forschungskommission. Es ist spannend, unterschiedliche Ansichten im Team vertreten zu haben. Was mich an der ETH immer wieder verblüfft, ist das Engagement der Leute, egal, wo sie arbeiten. Ich weiss nicht, wie wir das machen. Aber wir müssen das unbedingt beibehalten. Manchmal braucht es etwas Zeit, um die Perspektive des anderen zu verstehen, aber dieser Austausch ist so bereichernd. Ich war ehrlich besorgt über eine mögliche Polarisierung der Vertreter aus den Departementen und den zentralen Organisationen. Aber es hat sich gezeigt: Alle sorgen sich um dieselben Dinge und am Ende kamen wir gemeinsam zur gleichen Schlussfolgerung. Das war fantastisch. Mir ist bewusst, dass es bei der Lösungsfindung nicht immer so einfach sein wird.

Zeljko: Das Kernteam kommuniziert und arbeitet auf Augenhöhe und die Leute bringen ein gutes Verständnis der ETH mit. Immer aus der persönlichen Sicht, aber nie aus nur einer Perspektive.

Vergrösserte Ansicht: Tabelle mit den WS4 Mitgliedern
rETHink WS4 Departemente – Team

Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit der externen Projektleitung?
Jan: Extrem wichtig. Gaby (gemeint ist Gabrielle Schlittler von Vianova GmbH) hat so viel Energie und Erfahrung, sie macht einen phänomenalen Job. Sie hat bereits viele Organisationen und Unternehmen in Entwicklungsprojekten begleitet und schnell gemerkt: die ETH ist anders. Es ist eine wunderbare und professionelle Zusammenarbeit.

Zeljko: Der Einsatz von Gaby ist erfolgsentscheidend. Wir sind zwar in vielem stark, aber Changemanagement ist nicht unser Corebusiness. Gaby zeigt viel Sensibilität für unser spezielles Umfeld. Ohne sie wäre unsere Arbeit nicht möglich.

Das Herzblut, das ihr in rETHink reinsteckt, lässt sich nicht messen. Aber wie viel Zeit investiert ihr im Durchschnitt?
Jan: Puh. (Denkt nach.) Ich investiere derzeit ungefähr einen Tag pro Woche.
Zeljko: Das Gleiche gilt für mich.

Wie habt ihr euch organisiert, damit ausreichend Zeit für eure Hauptfunktion bleibt?
Jan: Ich habe das Amt des Departementsvorstehers im Februar an Pietro Gambardella übergeben. Seither unterstütze ich ihn noch als Stellvertreter. Ein paar meiner üblichen Aufgaben für das Departement haben Kolleg:innen übernommen, wofür ich sehr dankbar bin. Zudem habe ich einige Sachen vorläufig auf Eis gelegt.

Zeljko: Diese Frage ist für mich schon fast Gegenstand von rETHink. Ob bei mir oder bei den Professuren, es kommen immer wieder Sonderaufgaben dazu. Sei es rETHink oder zum Beispiel die Evaluation alle sieben Jahre. Das ist oft sehr anspruchsvoll, der Aufwand schwierig zu planen und es stellt sich schon die Frage, wie viel mehr die Leute noch schaffen. Aktuell laufen alle Sitzungen über Zoom, das ist zum Glück effizient und spart Zeit. Am Ende ist es eine Frage der Haltung und Motivation.

Die Analysephase ist breit abgestützt. Ihr habt zum einen Input aus der Schulleitung, aus dem eigenen Kernteam und aus dem Workstream 2 (Professuren) erhalten. Zum anderen habt ihr zusammen mit den Kernteammitgliedern rund 26 Gespräche geführt. Abgesehen von den konkreten Ergebnissen: Was ist euch aus den 60 Stunden Gesprächen geblieben?
Jan: Mir fallen dazu drei Punkte ein. Erstens die vielen Aufgaben, die unsere Departemente bewältigen müssen, und wie effizient sie diese mit einer wirklich schlanken Organisation ausführen. Das ist beeindruckend und ist auch Gaby als externer Expertin aufgefallen. Weiter haben wir gesehen, wie der Druck auf die Departemente immer grösser wird. Es fehlt die Zeit für neue Aufgaben und Selbstreflexion. Der dritte Punkt ist der enorme Einsatz und auch Stolz, der in allen Departementen spürbar ist. Diese Energie ist wunderbar. Und natürlich die Interviews mit unseren Studierenden und ihre Partizipation und Rolle vor allem in der Lehre. Sie verstehen erstaunlich gut, wie wir funktionieren, und bringen viel Verständnis auf. Ich hatte erwartet, dass diese Gespräche am kritischsten von allen sein würden. Am Ende erlebten wir mit ihnen am meisten Enthusiasmus und das Positive überwog.

Zeljko: Mich beeindruckte vor allem die Vielfalt. Wie jedes Departement sich als speziell versteht und es vermutlich auch in vielem ist. Wir sassen unterschiedlichsten Leuten mit einem unglaublich breiten Spektrum an Perspektiven gegenüber. Insbesondere beim Mittelbau zeigte sich der Wunsch, aus dieser Vielfalt noch mehr herauszuholen, auf Ebene Lehre, Forschung und Organisation gleichermassen.

Vergrösserte Ansicht: Schema zur Analysephase des WS4
rETHink WS4 Departemente – Vorgehen Analysephase

War es ein Nachteil, dass die Gespräche via Zoom geführt werden mussten?
Jan: Zoom war kein wesentlicher Nachteil. Die Gespräche waren sehr effizient. Für die schwierigeren Themen wäre die persönliche Begegnung besser gewesen, zum Beispiel wegen der Wahrnehmung von Körpersprache. Für den weiteren Prozess und für das Klären von Detailfragen würden wir uns sicher vermehrt persönliche Meetings wünschen.

Haben die Gespräche bei den Departementen eine konkrete Erwartungshaltung oder sogar Skepsis ausgelöst?
Jan: Ja, eine Kombination verschiedener Dinge. Sicherlich die Sorge, rETHink könnte Veränderung oder Änderungen nach sich ziehen. Gleichzeitig kamen in der vertieften Diskussion klare Aussagen, was verbessert werden müsste. Spannende Best-Practice-Beispiele zeigen ausserdem, was wir voneinander lernen könnten und wo offensichtliche Quick Wins liegen. Wir identifizierten in den Gesprächen auch eine Reihe kleinerer Probleme, die wir unmittelbar an die verschiedenen Stäbe zur Lösung weitergeleitet haben.

Zeljko: Ein Changeprozess bringt meist eine gewisse Skepsis mit sich. Das hat mit der Ungewissheit gegenüber den Konsequenzen für die eigene Situation zu tun. Wir sind auf die Departemente zugegangen und haben viele Fragen gestellt. Dass dadurch Erwartungen entstehen, ist legitim. Es liegt jetzt an uns, aufzuzeigen, was dank rETHink gewonnen, vielleicht aber auch verloren werden kann. Diese Diskussion dürfen wir nicht scheuen. Wir sind da, um zu verstehen, zu lernen und zu reflektieren und im Austausch mit den Betroffenen herauszufinden, wo angesetzt werden muss. Wäre in diesem ganzen Prozess keine Skepsis da, würden wir wohl etwas falsch machen.

Die Erkenntnisse aus der Analysephase zeigen ein Spannungsfeld auf: Die Departemente arbeiten mit hoher Effizienz, trotz grossem Wachstum und gestiegenen externen Erwartungen bei mehrheitlich gleichbleibender Organisation. Die Strukturen wurden aber nie weiterentwickelt, was die Departemente und das Personal zunehmend belastet und zu Einbussen im Bereich der Steuerung und Erneuerung führt. Hat euch dieses Ergebnis überrascht?
Zeljko: Die Erkenntnisse haben im Wesentlichen methodisch belegt, was die meisten von uns episodisch bereits erlebt haben. Persönlich habe ich keine Erfahrung mit Changeprojekten an der ETH, aber Zweifel bezüglich der Ergebnisumsetzung sind den Veränderungsprozessen inhärent. Wir alle und insbesondere die Schulleitung tragen eine grosse Verantwortung, dass am Ende auch etwas passiert.

Jan: Die Erwartungen der Gesellschaft haben sich in Bezug auf die Art und Weise, wie wir kontrolliert und zur Verantwortung gezogen werden, stark verändert. Das ist an der ETH derzeit der grösste Treiber für Veränderungen. Der Druck ist insbesondere auf Schulleitungsebene gross und sickert zu den Departementen durch.

Ende April habt ihr der Schulleitung die Ergebnisse aus der Analysephase präsentiert. Wie ist es gelaufen?
Jan: Gut. Insgesamt gab es für die Schulleitung keine grossen Überraschungen. Einzig: Wir griffen den Punkt auf, wie heute die Schulleitung mit den Departementen interagiert und dass es hier Änderungen braucht. Von diesem Ergebnis war insbesondere der Präsident überrascht, da er in der Vergangenheit bereits grosse Anstrengungen unternommen hat, um bei den Departementen präsenter zu sein und den Dialog zu fördern. Wir zeigten auf, dass es in einer Organisation unserer Grösse einfach noch mehr Zeit und Raum braucht für den Austausch zwischen den Departementen und mit der Schulleitung, um über wichtige Themen wie Strategie, departementsübergreifende Initiativen oder das Wachstum, aber auch darüber, was für eine Universität wir sein wollen, sprechen zu können. Insgesamt sind wir auf sehr viel Offenheit und Interesse gestossen.

Hat die Schulleitung an den Handlungsfeldern oder der Priorisierung Änderungen vorgenommen?
Zeljko: Die Schulleitung ist im Grundsatz unserem Antrag gefolgt und hat nur kleine Anpassungen vorgenommen. In ihrem schriftlichen Feedback hat sie sogar den kritischen Punkt, dieses Überraschungselement bezüglich des qualitativen Austausches mit den Departementen, in ein produktives Element umgewandelt und mit einer unmittelbaren Massnahme einen Quick Win daraus gemacht. Die Details sind noch in Arbeit, aber wir werden sicher bald mehr dazu erfahren.

Vergrösserte Ansicht: Schema Handlungsfelder WS4
rETHink WS 4 Departemente – Handlungsfelder

Hattet ihr Sorge, dass die Ergebnisse angezweifelt werden?
Zeljko: Die ganze Analysephase war stark bottom up organisiert, die Resultate kamen also aus erster Hand. Anzweifeln wäre da keine sinnvolle Reaktion gewesen. Aber natürlich stellte sich die Frage, wie die Ergebnisse interpretiert würden. Wir gingen schon mit einer gewissen Spannung an die Präsentation.

Jan: Dazu muss man sagen, dass die Vizepräsident:innen und Katharina Poiger als Projektleiterin stark in die Workstreams eingebunden sind. Wir spüren grosses Engagement.

Ihr habt zwölf Handlungsfelder definiert. Drei davon werden noch dieses Jahr aktiv angegangen. Wie ist diese Auswahl zustande gekommen?
Jan: Aus all unseren Diskussionen haben wir ein umfangreiches Dokument von über 100 Seiten destilliert. Bei der Analyse war entscheidend, wie häufig gewisse Themen und Aspekte Erwähnung fanden. Dinge, die von vielen Departementen erwähnt wurden, über einzelne Verantwortlichkeiten hinausgehen und dadurch einen grossen Einfluss auf die Gesamtorganisation haben, wurden als Themen identifiziert, die ein vertieftes Nachdenken über Verbesserungsmöglichkeiten erfordern. Andere Themen, die zum Beispiel nur einen Bereich betreffen, werden wir direkt an den zuständigen Stab weiterleiten oder mit einer tieferen Priorität versehen, so dass ein Change auf verschiedenen Ebenen möglich ist.

Zeljko: Das ist die Filterlogik des Projekts und hat mit unserem Mandat zu tun. Wir schauen die gesamte Institution an und konzentrieren uns dabei auf das Big Picture und auf Themen, die für sehr viele sehr drängend sind.

Die Analyse zeigt: In der Selbstwahrnehmung der Departemente wird ihre Identität stark durch die Lehre geprägt. Ist diese Identität derzeit bedroht?
Jan: Wenn man schaut, welche Prozesse gut laufen, dann versteht man, dass die Departemente jederzeit alles tun werden, um sicherzustellen, dass die Lehre gut läuft. Wir haben hier eher wenige Probleme entdeckt, dafür sehr viel Enthusiasmus erlebt. Die Forschung verläuft oft divergent und bewegt sich in Randzonen, aber die Lehre ist der Kern dessen, was die Disziplin ausmacht. Ich war nicht bei allen Gesprächen dabei, aber mein diesbezüglicher Eindruck hat sich durch die Analyseergebnisse bestätigt.

Zeljko: Ich glaube auch, dass die Lehre die grösste kohäsive Kraft hat.

Bei den Stärken sind die schlanken Departementsstrukturen aufgeführt. Liegt nicht genau hier die Gefahr, dass zu viele Aufgaben und zu viel Verantwortung auf nur wenige Personen verteilt sind?
Zeljko: Dieser Punkt war ein wesentlicher Teil unserer Gespräche mit den Departementen. Grundsätzlich sind schlanke Departementsstrukturen positiv konnotiert. Dabei zeigt sich jedoch immer mehr, dass diese Strukturen für eine Institution, die sich über die letzten 20 Jahre in gewissen Bereichen fast verdoppelt hat, nicht mehr zeitgemäss sind. In diesem Punkt sollten die Departemente vermehrt Selbstreflexion betreiben. Eine unserer zentralen Prioritäten wird sein, den Departementen Leitplanken zu geben. In den ETH-Regularien steht oft, das Departement tut dies oder jenes. Aber wer ist eigentlich «das Departement»? Wer ist zuständig? Wer macht was? Wie verteilen sich die Aufgaben über die drei institutionellen Ebenen (Schulleitung/ZO–Departemente–Professuren)? Und wie schlank dürfen oder können Strukturen überhaupt sein? Das ist ein grosses und wichtiges Handlungsfeld.

Jan: Stimmt. Diese Analyse muss gemacht werden. Das werden keine einfachen Entscheidungen, aber wir sollten offen sein gegenüber dieser Diskussion um Ressourcen. Derzeit gibt es ein paar wenige Schlüsselpersonen in den Departementen. Wenn die krank werden oder gehen, dann kann das sehr schnell problematisch werden.

Wie ist zu interpretieren, dass die Professurenplanung als strategisches Schlüsselelement sowohl bei den Stärken als auch bei den Handlungsfeldern auftaucht?
Jan: Die Departemente geben sich sehr viel Mühe mit der Professurenplanung. Bei der Interaktion und Abstimmung auf institutioneller Ebene scheint es aber noch Klärungsbedarf zu geben. Klar ist, dass die Art und Weise, wie die ETH und die Departemente ihre Planung und ihre Anstellungen vornehmen, ein Schlüsselelement für den Erfolg der gesamten Institution ist. Gegenseitiges Lernen und eine noch bessere Koordination bei den Einstellungen könnten die Institution als Ganzes stärken.

Zeljko: Hier sind wir wieder bei dem, was wir mit der Schulleitung besprochen haben. Es braucht mehr qualitativen Austausch zwischen den Departementen und der Schulleitung und mehr Koordination auf inhaltlicher Ebene. Es gibt in unserem Workstream übrigens mehrere Themen, die bei den Stärken auftauchen und gleichzeitig – gräbt man etwas in die Tiefe – Aspekte offenbaren, die man genauer anschauen muss. Unsere Stärken zeigen manchmal halt auch Schwächen.

Was kam in den Gesprächen bezüglich der aktuellen Führungsstruktur in den Departementen heraus?
Jan: Auf der einen Seite ist das Zweijahresmandat des Vorstehers ein Modell, das keine Kontinuität sichert. Dazu kommen die überladenen Rollen der Departementsleitung. Gleichzeitig fördert dieses System eine Culture of Engagement, was wiederum positiv ist. Personen, die Departementsaufgaben oder die Leitung eines Institutes übernehmen, fühlen sich später viel enger mit der Departementsleitung verbunden und denken und arbeiten verstärkt an Lösungen mit. Es braucht Lösungen, welche die Autonomie der Departemente respektieren, das kam bei den Gesprächen klar heraus. Alle erwähnten diesen Punkt. Die Departemente müssen insbesondere in der Forschung und deren Organisation weiterhin autonom bleiben, das ist entscheidend. Für gewisse Prozesse könnte es jedoch äusserst hilfreich sein, voneinander zu lernen. Eines ist klar: Wir müssen Kontinuität und Arbeitsvolumen in Einklang bringen. Und wir brauchen eine Departementsleitung, die wirklich die Kontrolle übernimmt und nicht von Einzelpersonen abhängig ist. Das ganze Thema beinhaltet eine konfliktbehaftete Komplexität und wir werden ihm viel Aufmerksamkeit widmen müssen auf der Suche nach kreativen Lösungen.

Zeljko: Das Grundsystem der Governance, also das Milizsystem, findet trotz der damit verbundenen Herausforderungen über alle Departemente hinweg starke Unterstützung. Es gibt Best-Practice-Beispiele, auf denen aufgebaut werden könnte. Zum Beispiel Departementsleitungen, die aus mehreren Personen bestehen und durch überlappende Amtszeiten Kontinuität sicherstellen. Wir können an der Delegation von Aufgaben und an der Kollegialität arbeiten. Aber das Grundprinzip, das ist stark verankert.

Zwischen den Departementen und den Supportfunktionen der zentralen Organe scheint es zum Teil Unstimmigkeiten zu geben. Woran liegt das?
Jan: Offenbar ist nicht ausreichend klar, was die Departemente von den zentralen Diensten brauchen und wollen, und umgekehrt. Die Probleme sind meist generisch und finden sich in mehreren Bereichen wieder. Es geht um Erwartungshaltungen, den Umgang mit begrenzten Ressourcen und unklare Schnittstellen. Wir haben in den Gesprächen sechs oder sieben unterschiedliche Vorgehensweisen entdeckt, wie der Informations- und Bedürfnisabgleich heute stattfindet. Das ist nicht gut. Wir brauchen mehr Klarheit und vielleicht auch Einheitlichkeit.

Ihr seid in die Phase zwei gestartet und arbeitet an den Grobkonzepten zur Entwicklung von Lösungsansätzen. Könnt ihr hierzu bereits mehr sagen?
Jan: Angesichts der Vielfalt der Departemente wird es nicht möglich sein, die eine Lösung für alle zu finden, darum wird es drei Lösungsansätze geben. Der erste umfasst die Grundsätze und Mindeststandards für alle Departemente. Der zweite ist eine Tool-Box mit Modellen, Lösungsoptionen, Werkzeugen und Best-Practice-Beispielen. Mir fallen dazu die Lehrspezialist:innen ein. Einige Departemente haben diese Stelle für sich übernommen, andere nicht. Wir zeigen also, was es bereits gibt und wie es am besten umgesetzt wird. Es liegt dann in der Verantwortung der Departemente, den für sie optimalen Mix an Massnahmen für ihre Weiterentwicklung auszuwählen und umzusetzen. Und dann gibt es die Quick Wins. Dabei handelt es sich beispielsweise um Prozesse, die vereinfacht oder effizienter gestaltet werden könnten. Mit diesen drei Ansätzen wollen wir die Departemente fit für die Zukunft machen. Kein einfaches Unterfangen, für das wir weiterhin in engem Austausch mit den Departementen bleiben. Zudem intensivieren wir unsere Zusammenarbeit mit anderen Workstreams, insbesondere mit der 2 (Professuren) und der 5 (Zentrale Organe). Wir sind eng miteinander verbunden, da sind Austausch und Diskussion unabdingbar.

Vergrösserte Ansicht: Schematische Darstellung der Lösungsebenen des WS4
rETHink WS4 Departemente – Lösungsansätze

Wann werden die ersten Lösungspakete umgesetzt?
Zeljko: Wir müssen unterscheiden zwischen Erarbeiten und Umsetzen. rETHink trifft keine Entscheide, diese werden im üblichen ETH-Entscheidungsprozess evaluiert und beschlossen. Der Zeitplan orientiert sich an den Klausuren der Schulleitung. Das Umsetzungstempo wird stark vom Entscheid abhängen, was auf welcher Ebene umgesetzt werden soll. Die ersten grösseren Outputs, an denen wir beteiligt sind, werden für April 2022 erwartet. Allfällige Zweifel, dass nichts passieren wird, können wir an dieser Stelle aus dem Weg räumen. Das ist keine Option.

Aus dem Schulleitungsprojekt ist ein ETH-Projekt geworden, an dem bisher etwa 600 Mitarbeitende beteiligt waren. Braucht es diese breite Unterstützung weiterhin?
Jan: Wir setzen auf kollektive Intelligenz und werden für das Erarbeiten von Lösungsvorschlägen weiterhin die Expertise anderer einholen und breit agieren. Das bedeutet, die Arbeit im Kernteam und in den Arbeitsgruppen wird sich noch intensivieren, wobei wir in der Zusammensetzung flexibel sein werden. Unsere Vorschläge müssen breit reflektiert und von den Leuten getragen werden. Ein partizipativer Prozess also und typisch Swiss Style!

 

Sandra Herkle ist Leiterin Kommunikation und Marketing des Informatikdepartements und Mitglied des Kernteams im Workstream 4: Departemente.

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