«Einsparungen durch Fokussierung auf das Kerngeschäft»
Für 2024 droht dem ETH-Bereich eine Kürzung des Bundesbeitrages von zwei Prozent. Was das für die ETH Zürich bedeutet und welche Massnahmen die Schulleitung trifft, erklärt ETH-Präsident Joël Mesot im Interview.
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Joël Mesot, der Bund muss sparen. Dem ETH-Bereich droht daher für 2024 eine Kürzung des Bundesbeitrages um zwei Prozent. Was bedeutet das für die ETH Zürich?
Es war absehbar, dass der Bund in der heutigen Wirtschaftslage nach mehreren heftigen Krisen und aufgrund der Schuldenbremse verpflichtet ist, die Ausgaben zu reduzieren. In Frage kommen dafür nur die so genannten «nicht gebundenen Ausgaben», die lediglich einen Drittel aller Bundesausgaben ausmachen. Zu diesen ungebundenen Ausgaben gehören auch die Gelder für den ETH-Bereich. Es versteht sich daher von selbst, dass auch die ETH Zürich ihre Verantwortung wahrnehmen und einen Beitrag zur Sanierung des Bundeshaushalts leisten muss. Doch damit sind wir finanziell gleich mehrfach vor grosse Herausforderungen gestellt.
Inwiefern?
Es sind vier Faktoren, die unsere Finanzplanung belasten. Erstens erhalten wir voraussichtlich zwei Prozent weniger Budget für 2024, damit fehlen uns rund 30 Millionen Franken. Es sei denn, das Parlament greift im Herbst bei der Freigabe des Budgets noch korrigierend ein. Zweitens wird den Institutionen des ETH-Bereichs im Unterschied zur Bundesverwaltung und den kantonalen Universitäten die Teuerung nicht ausgeglichen. Rechnen wir die Teuerung von zwei bis drei Prozent zur Budgetreduktion hinzu, dann müssen wir für 2024 real mit 5 Prozent weniger Mitteln und damit mit rund 70 Millionen Franken weniger als ursprünglich geplant auskommen. Diese Grössenordnung lässt sich nicht unbemerkt aus dem Budget «herausschwitzen». Dritter Punkt: Erschwerend kommt hinzu, dass unsere Grundfinanzierung nicht mit den seit Jahren stark wachsenden Studierendenzahlen Schritt hält. Schliesslich haben wir, viertens, mit den Folgen der Nicht-Assoziierung der Schweiz an Horizon Europe zu kämpfen.
«Die Sparvorgaben lassen sich nicht unbemerkt aus dem Budget herausschwitzen.»Joël Mesot
Aber Hand aufs Herz, bei einem Budget von rund 1.8 Milliarden sollte die ETH Zürich 70 Millionen Einsparungen doch hinbekommen?
Wenn es nur um eine Einsparung für 2024 ginge, dann wäre das wohl so. Aber 2024 wird auch die BFI-Botschaft für die Jahre 2025 bis 2028 bestimmt. Und die Zeichen deuten darauf hin, dass wir auch längerfristig mit weniger Mitteln auskommen müssen als wir ursprünglich geplant hatten. Da unsere Finanzplanung langfristig ist und ein grosser Teil unserer Mittel – zum Beispiel für neue Professuren – für viele Jahre gebunden sind, müssen wir frühzeitig reagieren. Sonst riskieren wir für mehrere Jahre ein operatives Defizit.
Sind diese Einsparungen des Bundes denn nicht mehr abzuwenden?
Entschieden ist noch nichts, doch der politische Prozess zum Budget 2024 und zur nächsten BFI-Botschaft läuft in diese Richtung. Es ist klar, dass wir vor den parlamentarischen Entscheiden dafür kämpfen werden, dass nicht einseitig auf den Schultern von Forschung und Bildung gespart wird. Gerade eben haben die Hochschulversammlungen von ETH Zürich und EPFL, das paritätisch zusammengesetzte Mitwirkungsorgan der beiden Hochschulen, einen Appell an den Bundesrat geschickt, in dem dieser aufgefordert wird, auf die Einsparungen zu verzichten. Solche Dinge helfen enorm. Wir müssen deutlicher aufzuzeigen, dass der Wohlstand der Schweiz im Wesentlichen auf ihrem hervorragenden Bildungs- und Forschungssystem gründet und dass der Erfolg dieses Systems mit kurzfristigen Sparmassnahmen aufs Spiel gesetzt wird. Jeder Franken, den die Schweiz in die ETH Zürich investiert, kommt mehr als sechsfach zurück. Wo sonst erhalten die Steuerzahler:innen eine solch schöne Rendite?
«Wir werden dafür kämpfen, dass nicht zu einseitig auf den Schultern von Bildung und Forschung gespart wird.»Joël Mesot
Die Budgetplanung der ETH Zürich fürs nächste Jahr läuft in diesen Tagen an. Was heisst das nun konkret für die Budgetverantwortlichen?
Wir müssen uns auf finanzielle Einschnitte vorbereiten. Daher hat die Schulleitung entschieden, die Budgets aller Schulleitungsressorts für 2024 gegenüber 2023 um fünf Prozent und damit um insgesamt 40 Millionen Franken zu reduzieren. Die einzelnen Ressorts können unterschiedliche Massnahmen zur Erreichung dieser Vorgabe treffen. Zudem sind auch die Departemente angehalten, ihre Grundaufträge für 2024 um zusätzliche 20 Millionen bzw. knapp drei Prozent zu reduzieren – zusätzlich zum schon früher beschlossenen und bereits eingeplanten Solidaritätsbeitrag von 15 Millionen Franken pro Jahr für die Departemente. Auch damals haben übrigens die Schulleitungsbereiche ebenfalls ihren Teil zu den Einsparungen beigetragen. Wir sind uns dabei vollends bewusst: Das ist anspruchsvoll und schmerzhaft. Gleichzeitig bin ich zuversichtlich, dass diese Einsparungen die ETH sogar wettbewerbsfähiger machen. Nehmen wir sie als Weckruf, noch effizienter zu werden und uns auf das Kerngeschäft zu fokussieren: Lehre, Forschung und Wissenstransfer sollen gestärkt aus diesem Prozess hervorgehen.
Ist diese Grössenordnung möglich ohne Einschnitte beim Personal?
Wir haben in der Schulleitung vor dem Entscheid unterschiedliche Szenarien und deren Auswirkungen analysiert. Dabei sind wir zum Schluss gekommen, dass wir eine Sparvorgabe in dieser Grössenordnung mit der Reduktion von externen Kosten, mit der Verschiebung von Projekten und Investitionen sowie mit einer zurückhaltenden Wiederbesetzung von frei werdenden Stellen erreichen können. Alle diese Massnahmen sollen sich an unseren strategischen Schwerpunkten und Zielen ausrichten. Es wird zu einzelnen Leistungsabbauten kommen, doch Kündigungen wird es wegen der Sparmassnahmen keine geben. Wir haben aber entschieden, dass sämtliche Stellenbesetzungen in den Zentralen Organen ab sofort vor der Ausschreibung vom jeweils verantwortlichen Schulleitungsmitglied zu prüfen sind.
Sind neben der Sparansage für das Budget 2024 noch weitere Massnahmen geplant?
Die Umsetzung dieser kurzfristigen Sparvorgaben für 2024 befreit uns nicht von allen finanziellen Sorgen. So gibt es unabhängig davon, wie die Rahmenbedingungen des Bundes für die Jahre 2025 bis 2028 aussehen, mehrere finanzielle Fragestellungen, die wir langfristig und grundsätzlich anschauen müssen. Dazu werden wir breit aufgestellte Arbeitsgruppen einsetzen mit Vertreter:innen aus der Departementsvorsteherkonferenz und den jeweiligen Schulleitungsbereichen. Das Ziel dieser Arbeiten ist es, unsere Effizienz unter anderem dank weiterer Digitalisierung so zu steigern, dass wir mehr Mittel für unsere Kernbereiche Lehre, Forschung und Technologietransfer frei bekommen.
«Lehre, Forschung und Wissenstransfer sollen gestärkt aus diesem Prozess hervorgehen.»Joël Mesot
Schon im letzten Jahr hiess es, man müsse sparen. Dieses Jahr wieder. Gleichzeitig wächst die Anzahl Studierender und die Aufgaben der ETH. Was machen Sie, damit der Druck auf die Mitarbeitenden nicht weiter zunimmt?
Wir sind uns in der Schulleitung bewusst, dass die ETH-Mitarbeitenden in den letzten Jahren einen hervorragenden Job gemacht haben und neue Herausforderungen wie das heftige Studierendenwachstum und die Pandemie mit vereinten Kräften gestemmt haben. Ihnen allen gilt mein grösster Dank. Umso mehr tut es mir leid, dass weitere finanzielle Herausforderungen auf uns zukommen, die wir nur teilweise voraussehen konnten. Wir haben aber in den letzten Jahren mit dem Projekt rETHink grosse Anstrengungen gemacht, um die Zusammenarbeit innerhalb der ETH zu verbessern und so auch die Mitarbeitenden zu entlasten. Auch die Digitalisierung wird uns helfen, mit gleichen Mitteln mehr zu erreichen. So konnten zum Beispiel die akademischen Dienste in Zusammenarbeit mit dem Institute for Operations Research im Departement Mathematik dank moderner Algorithmen die Raumbelegung bei den Prüfungen so optimieren, dass wir eine grosse Halle weniger anmieten müssen – da sparen wir Aufwand und Geld. Solche Beispiele müssen Schule machen an unserer Schule. Was mich ebenfalls zuversichtlich in die Zukunft schauen lässt: Die ETH Foundation ist sehr erfolgreich beim Einwerben von Donationen. Keine andere Hochschule in der Schweiz hat in diesem Bereich ein so grosses Potential. Und unsere Forschenden sind ebenfalls Weltklasse im Akquirieren von Drittmitteln und Grants. Das gibt uns Freiräume und erlaubt uns, Druck von den Schultern der Mitarbeitenden zu nehmen.
Townhall vom 11. Mai 20223
An der Townhall vom 11. Mai präsentierte die Schulleitung die Auswirkungen der Sparvorgaben und die Massnahmen der ETH Zürich. Zudem beantwortete sie in einer Fragerunde die Fragen aus dem Publikum. Haben Sie die Townhall verpasst, können Sie diese hier nachverfolgen:
- Zur Aufzeichnung der Townhall
- Download Präsentation herunterladen (PDF, 3.6 MB)
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