Jetziger Corona-Masterplan nur noch bis zum 5. September in Kraft
Die Entwicklung der Corona-Situation ist zurzeit schwierig einzuschätzen. Deshalb bleibt der aktuelle Masterplan noch bis Ende Prüfungssession in Kraft, sagt der Leiter des ETH-Krisenstabs, Ulrich Weidmann, im Interview. Er wird zurzeit im Hinblick auf das im September beginnende Herbstsemester überarbeitet und voraussichtlich zeitgleich mit den nächsten Schritten des Bundesrates in Kraft gesetzt.
Herr Weidmann, der Bundesrat hat letzte Woche bekanntgegeben, dass er neu das Funktionieren der Spitalstrukturen in den Vordergrund stellt. Der Schutz der nicht geimpften Bevölkerung hat für ihn keinen Vorrang mehr. Hat diese Strategieänderung einen Einfluss auf die Regelungen an der ETH Zürich?
Ulrich Weidmann: Angesichts der unsicheren epidemiologischen Lage hat der Bundesrat letzte Woche davon abgesehen, Lockerungen zu beschliessen. Und ich gestehe, dass ich darüber froh bin. Wie Sie wissen, ist zurzeit die Prüfungssession in vollem Gange. Es wäre sehr schwierig geworden, während dieser wichtigsten Phase im akademischen Jahr Änderungen durchzuführen. So bleibt der aktuelle Masterplan bis zum 5. September 2021 gültig. Per 6. September wird es einen neuen Masterplan geben.
Der Bundesrat hat an die Eigenverantwortung appelliert und eindringlich zum Impfen aufgerufen. Zudem hat er weitere Lockerungen in Aussicht gestellt. Wird die ETH folgen?
Die Eigenverantwortung hat an der ETH Zürich von jeher einen hohen Stellenwert und wird sowohl von Mitarbeitenden wie auch von Studierenden in hohem Masse wahrgenommen. Die Schulleitung hat die ETH-Angehörigen schon früh zum Impfen ermuntert und tut dies immer noch. Impfen ist nicht nur ein Akt des Schutzes der eigenen Gesundheit, sondern – fast noch wichtiger – zur Eindämmung der Pandemie generell. Damit erfüllt die Schulleitung ihre Fürsorgepflicht gegenüber ihren Angehörigen.
Ist das der Grund, weshalb sie teils über die Massnahmen der Behörden hinausgegangen ist?
Einer der Gründe. Wir haben uns stets auch an den Aussagen der wissenschaftlichen Covid-Taskforce orientiert. Was für uns zentral ist: Wir setzen alles daran, dass die ETH ihre Kernaufgaben wahrnehmen kann. Neben der Forschung ist das der Lehrbetrieb, für den alle Beteiligten einen enormen Einsatz geleistet haben. Die Einschränkungen, welche den Studierenden teils grosse Opfer abverlangt haben, waren bis jetzt unumgänglich und haben sicher dazu beigetragen, dass wir bisher recht glimpflich durch die Pandemiezeit gekommen sind.
Und was ist für den 6. September zu erwarten?
Eine Lagebeurteilung fällt im Moment widersprüchlich aus: Einerseits steigen die Fallzahlen wieder besorgniserregend an. Andererseits blieben die Hospitalisationen und schweren Verläufe bis vor wenigen Wochen relativ selten und der Impfschutz scheint wirklich sehr hoch zu sein. Doch wir müssen die Entscheide des Bundesrats abwarten, die für Anfang September angekündigt sind und die auch den jüngsten starken Anstieg der Hospitalisationen berücksichtigen werden. Momentan gilt zum Beispiel immer noch eine Homeoffice-Empfehlung des Bundes. Entfällt diese, werden wir die Mitarbeitenden dazu aufrufen, vermehrt wieder vor Ort zu arbeiten. Sich wieder an die Arbeit an der ETH zu gewöhnen, ist eine Herausforderung, die wir nicht unterschätzen dürfen. Das wird ein – hoffentlich nicht allzu langer - Prozess mit einigen Unklarheiten.
Woran denken Sie da konkret?
Wenn sich die Vorlesungssäle und Büros der ETH wieder mehr beleben, bekommt die Frage nach dem Umgang mit der Schutzmaske, beispielsweise in Sitzungen, eine neue Dimension. Zwar gehen wir davon aus, dass bei uns überdurchschnittlich viele Mitarbeitende und Studierende geimpft sind. Wir wissen es aber nicht. Kommt hinzu, dass die Impfung keinen 100-prozentigen Schutz vor einer Ansteckung bietet und dass auch Geimpfte das Virus auf andere Menschen übertragen können. Nicht vergessen dürfen wir, dass es Menschen gibt, die sich nicht impfen lassen können oder das nicht wollen. Wir sind alle gefordert, um im Dialog vernünftige Lösungen zu finden. Regelungen allein werden uns da nicht weiterhelfen.
Gibt es andere Themen, die Sie mit Blick auf Anfang September beschäftigen?
Zu einem grossen Thema werden die Veranstaltungen. Wir sind uns in der Taskforce bewusst, welche Bedeutung Events für die ETH-Angehörigen haben. Sie bieten Gelegenheit für den Gedankenaustausch, auf den manche Errungenschaft der ETH zurückgeht. Und sie sind wichtig für den sozialen Zusammenhalt an unserer Hochschule. Gleichzeitig ist gerade an Apéros die Infektionsgefahr besonders gross. Hier sind wir gefordert, einen gangbaren Weg zu finden. Denn was wir auf keinen Fall wollen: Den Präsenzunterricht im Herbstsemester gefährden. Trotzdem hoffen wir sehr, dass wir ab September flexibler werden können.
Sie haben die steigenden Fallzahlen angesprochen. Ein Grund dafür scheinen vermehrte Auslandreisen zu sein. Sind diesbezüglich Massnahmen an der ETH zu erwarten?
Die hohe Anzahl Infektionen von Personen, die aus dem Ausland zurückkehren, gibt zu Besorgnis Anlass. Ich empfehle allen ETH-Angehörigen, nach einem Auslandsaufenthalt während zehn Tagen zuhause zu arbeiten oder zu lernen, wenn immer das möglich ist. Wer an die ETH kommt und niemanden gefährden will, soll eine Maske tragen. Ganz wichtig ist aber, der Empfehlung des Bundesrats zu folgen, sich nach fünf Tagen testen zu lassen, auch wenn man geimpft ist. Die eindringliche Empfehlung für das Testen werden wir sicher im Masterplan festschreiben. Ob es darüber hinaus Massnahmen geben wird, hängt von der Entwicklung in den folgenden Wochen ab. Generell gilt, dass wir trotz Impfung alle vorsichtig bleiben müssen, auch im privaten Umfeld.