Rückhalt für die tierexperimentelle Forschung und Stärkung der 3R-Prinzipen
Um die Entwicklung und Umsetzung neuer Methoden zu fördern, mit denen Tierversuche verfeinert, reduziert oder gar ersetzt werden können (sog. 3R), lancierte der Vizepräsident für Forschung einen 3R-Hub. Zudem stärkt er die Fachstelle «Tierschutz und 3R». Damit bekräftigt die ETH ihre Haltung, dass Tierversuche für viele fundamentale Forschungsfragen notwendig sind.
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Tierversuche gehören zu den gesellschaftlich umstrittensten Aspekten der Forschung. Entsprechend stark reguliert ist die tierexperimentelle Forschung. Jeder Tierversuch erfordert die Bewilligung des kantonalen Veterinäramts, und der Aufwand für die Haltung von Versuchstieren und die Durchführung von Tierversuchen nimmt seit vielen Jahren laufend zu
Gegen 50 Forschungsgruppen der ETH Zürich aus rund 15 Forschungsgebieten sind für die Beantwortung ihrer Forschungsfragen methodisch darauf angewiesen, Tiere einzusetzen oder zu beobachten. Sie untersuchen zum einen sehr grundlegende Zusammenhänge, die zum Beispiel das Hirn, das Immunsystem oder den Stoffwechsel betreffen. Zum anderen untersuchen sie angewandte Fragen wie zum Beispiel die Optimierung von Fischleitrechen bei Wasserkraftwerken. Diese Fragen, lassen sich nicht allein in isolierten Zellen oder Miniorganen beantworten, sondern sie müssen im ganzen Organismus untersucht werden. Dafür sind die Forschenden auf Tierversuche angewiesen.
Ein Ausstieg ist keine Option
Vor diesem Hintergrund hat die ETH-Schulleitung im Herbst 2023 ihre Haltung und verschiedene Strategieoptionen für den Umgang mit Tierversuchen diskutiert. Dabei bekräftigte sie, dass die tierexperimentelle Forschung ein integraler Bestandteil der ETH-Forschungsstrategie ist, und dass Tierversuche für viele Forschungsbereiche der ETH Zürich – namentlich die bio- und lebenswissenschaftlichen Bereiche – methodisch unverzichtbar sind.
«Sowohl bei sehr grundlegenden als auch bei angewandten Forschungsfragen lassen sich Tierversuche zurzeit nicht vollständig durch andere Methoden ersetzen. Der Verzicht auf Tierversuche oder ein Ausstieg aus der tierexperimentellen Forschung sind für die ETH-Schulleitung keine Option, denn sie hätten die Schliessung ganzer, hochinnovativer Forschungsbereiche zur Folge», sagt Christian Wolfrum, Vizepräsident für Forschung. «Die ETH-Forschenden, die Tierversuche durchführen, sind sich ihrer Verantwortung für einen respektvollen Umgang mit den Tieren und für das Tierwohl bewusst. Die Schulleitung steht zu ihrer Forschung und gibt ihnen den Rückhalt.»
Fokus auf schonende Tierversuche
«Wir nehmen die Anliegen und Bedenken aus Politik und Gesellschaft ernst», sagt er, «darum wollen wir offen darlegen, weshalb Tierversuche für bestimmte Forschungsfragen notwendig sind. Zugleich fördern wir noch stärker die Entwicklung und Umsetzung neuer Methoden, um Tierversuche zu verfeinern, zu reduzieren, und wenn möglich zu ersetzen. Dabei ist jedoch festzuhalten, dass wir in absehbarer Zeit keinen vollständigen Ersatz von Tierversuchen erwarten können.»
Die 3R-Prinzipien (engl. replace, reduce, refine) stehen für neue Methoden, um Tierversuche ganz oder teilweise zu ersetzen, um die Versuche mit weniger Tieren durchzuführen und um die Tiere in einem Versuch sowie in der Haltung so wenig wie möglich zu belasten. Die ETH-Forschenden wenden die 3R-Prinzipien bereits heute an. Entsprechend wächst die Anzahl der experimentell eingesetzten Tiere an der ETH Zürich seit 2015 nicht mehr: sie beträgt jährlich rund 30'000 Tiere (der Stab Forschung veröffentlicht die genauen Zahlen zu den Tierversuchen).
Um das 3R-Know-how unter Forschenden weiter zu verbreiten und sie zu unterstützen, hat der Vizepräsident für Forschung zwei Massnahmen beschlossen. Zum einen wurde im März der neue «3R-Hub» lanciert (vgl. Artikel «ETH Zürich lanciert 3R-Hub für Methoden zur Verbesserung von Tierversuchen»), zum anderen wurde die bisherige Gruppe «Tierschutz» per Jahresbeginn in den Fachbereich «Tierschutz und 3R» umbenannt und strukturell gestärkt.
Der 3R-Hub ist an das Labor für Molekulare Neurowissenschaften und Verhaltensforschung von Professor Johannes Bohacek angegliedert und wird von seinem Mitarbeiter Oliver Sturman geleitet. Der 3R-Hub setzt bei den unerlässlichen Tierversuchen an und versucht diese zu modernisieren, um das Tierleid zu minimieren und die Anzahl eingesetzter Tiere zu reduzieren. Während im 3R-Hub die Forschenden selbst neue 3R-Methoden entwickeln und verbreiten, unterstützt der Fachbereich mit seinen 3R-Kenntnissen, wenn es um gesetzliche Vorschriften und die aufwändigen Bewilligungsanträge für Tierversuche geht.
«Tierschutz und 3R»: Beratung und Kontrollen
Die 3R-Prinzipien spielen bei der Bewilligung von Tierversuchen eine wichtige Rolle. Dafür ist die Fachstelle «Tierschutz und 3R» zuständig: «Bei allen Anliegen, die mit Tierversuchen oder der Tierhaltung zu tun haben, unterstützen wir die ETH-Forschenden», sagt Samia Bachmann, die Leiterin der Fachstelle. Zu diesen Anliegen gehören etwa verbesserte Maushaltung, schonender Fischtransport oder Abklärungen, ob ein Projekt als Tierversuch bewilligt werden muss.
Die Fachstelle ist der Kontakt zu den Kantons- und Bundesbehörden und steht der Schulleitung zur Seite. Ihre Hauptaufgaben sind Beratung und interne Qualitätskontrolle. In der Beratung unterstützt sie die Forschenden durch Schulungen und bei den aufwändigen Anträgen zur Bewilligung von Tierversuchen. Die Tierschutzbeauftragten prüfen alle Anträge auf Vollständigkeit und geben Rückmeldung zu den 3R-Prinzipien. Zusätzlich beraten sie bei der ethischen Beurteilung, die den erwarteten Nutzen der Resultate der erwarteten Belastung der Tiere gegenüberstellt. Die Bewilligung der Anträge erteilen das kantonale Veterinäramt und deren Tierversuchskommission.
Seit fünf Jahren besteht die zweite Kernaufgabe der Fachstelle in der internen Qualitätskontrolle. Als internes Kontrollorgan prüfen die Tierschutzbeauftragten – unangemeldet – die Tierhaltungen und laufenden Tierversuche an der ETH Zürich. Sie kontrollieren sowohl die Dokumentation als auch das Verhalten und den Gesundheitszustand der Tiere. Falls sie Mängel feststellten, würden die Lösungen zusammen mit den Forschenden und Verantwortlichen der Tierhaltung erarbeitet.
Die Fachstelle setzt sich aus den drei Tierschutzbeauftragten Samia Bachmann, Jasmin Frey und Stefanie Hiltbrunner und der IT-Assistentin, Mayamy Scheuber, zusammen. Jasmin Frey und Stefanie Hiltbrunner sind promovierte Biologinnen. Sie beide haben ihre Stelle am 1. Januar 2024 angetreten. Samia Bachmann leitet das Team seit Januar 2024. Sie ist promovierte Tierärztin und seit 2019 als Tierschutzbeauftragte an der ETH Zürich tätig. Alle drei verfügen über viel Erfahrung mit Tierversuchen in der Forschung. Mayamy Scheuber unterstützt Forschende bei Fragen zum Berichtswesen und zum zugehörigen Online-System.
«Die ETH setzt auf ein duales System von Selbstverantwortung und Kontrollen. Die Forschenden sind sich sehr bewusst, dass das Wohlbefinden der Tiere die Datenqualität beeinflusst», sagt Samia Bachmann. Der Ansatz der ETH zielt darauf ab, die Infrastruktur für Tierhaltung und Tierforschung gezielt für 3R zu nutzen. Mit EPIC hat die ETH Zürich eine zentrale Plattform, die einen einheitlichen Standard der Tierhaltung gewährleistet. Einen Einblick in die Tierhaltung bietet das folgende Video.
Das Video ist ein Beispiel, dass die ETH noch transparenter über Tierversuche kommunizieren will. Die erhöhte Transparenz entspricht dem Ziel des Swiss Transparency Agreement on Animal Research (externe Seite STAAR), bei dem die ETH Zürich Mitglied ist.
Tagung und Podium über Tierversuche
Am 8. April 2024 wird ETH-Vizepräsident Christian Wolfrum öffentlich eine Podiumsdiskussion über Tierversuche moderieren. Sie ist Teil der Tagung «Tierversuche in der Forschung: Herausforderungen und Chancen. Die Güterabwägung und das «unerlässliche Mass» - Aus rechtlicher, biomedizinischer, regulatorischer und klinischer Sicht». Organisiert wird die Tagung von der ETH Zürich, dem Schweizer 3R-Kompetenzzentrum 3RCC und der ZHAW. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung notwendig.
8. April 2024, ETH-Hauptgebäude, Hörsaal E3
Weitere Informationen
- Tierversuche an der ETH Zürich
- ETH 3R Hub
- externe Seite Schweizerische 3R-Kompetenzzentrum (3RCC)
- externe Seite Swiss Transparency Agreement on Animal Research (STAAR)
- externe Seite Institut für Labortierkunde (LTK)
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