In ihrer Analyse quantifizierten die Forschenden auch erstmals den Rekord-Sommer 2022 und dessen Folgen für europäische Wälder. Jetzt zeigt sich: Im bislang heissesten Sommer seit Messbeginn kam es in Europa auch zur ausgedehntesten Verbraunung, die 37 Prozent der gemässigten und mediterranen Waldregionen erfasste – «weit mehr als jedes andere Ereignis in den vergangenen zwei Jahrzehnten», sagt Mauro Hermann, Doktorand in Atmosphärendynamik bei ETH-Professor Heini Wernli und Erstautor der Studie.
Gesucht: Gemeinsame Vorgeschichte
Eigentlich verfolgte das ETH-WSL-Team jedoch ein anderes Ziel. «Wir wollten verstehen, wie das Wetter über mehrere Saisons die Wälder grossflächig beeinflusst», erklärt ETH-Professor Heini Wernli, der die Studie geleitet hat. Dass Trockenheit dabei eine zentrale Rolle spielt, liegt auf der Hand. «Allerdings ist der Zusammenhang zwischen Wald und Wetter weit komplexer, als es auf den ersten Blick erscheinen mag», verrät der Professor für Atmosphärendynamik.
«Nicht jede Trockenperiode – auch wenn sie intensiv und anhaltend ist – lässt Wälder sogleich verbraunen», ergänzt Hermann und verweist auf den sogenannten Legacy-Effekt (deutsch: «Erbe»), der seit wenigen Jahren in unseren Wäldern beobachtbar ist. Wie gut Bäume Hitze und Dürre überstehen, hängt demnach nicht nur von den aktuellen Wetterbedingungen ab, sondern auch von jenen in den Monaten oder Jahren davor.
Auch deshalb analysierten die Forschenden insbesondere auch die meteorologische Vorgeschichte der Verbraunungsereignisse. Das Ziel: Charakteristische Wetterverläufe finden, die vielen Ereignissen mit vorzeitiger Verbraunung vorangegangen sind.
Spezifische Vorläufer identifiziert
Tatsächlich fanden die Forschenden charakteristische Wettersignale lange vor den Ereignissen – eine Art Vorläufer der Verbraunung mit teils spezifischen Merkmalen für Zentraleuropa und den Mittelmeerraum. «Generell sehen wir, dass Perioden mit wenig Niederschlag über zwei bis drei Jahre vor den Ereignissen ungewöhnlich häufig auftreten», erklärt Hermann.
Vermehrte Trockenperioden mit einem deutlichen Niederschlagsdefizit über mindestens zwei vorangehende Jahre bilden denn auch den auffälligsten meteorologischen Vorläufer in beiden Zonen – im Mittelmeerraum reichen gehäufte Trockenperioden sogar bis drei Jahre zurück. Weitere Signale sind erhöhte Temperaturen während mindestens zwei Jahren in der gemässigten Zone. «Bei einer Waldverbraunung in Zentraleuropa beobachteten wir also in der Regel mindestens zwei ungewöhnlich trockene und heisse Sommer in Folge», hält Hermann fest.
Bürde der Vorjahre bestätigt
Beispiele aus den 21 untersuchten Jahren verdeutlichen dies: Der in weiten Teilen Europas sehr heisse und trockene Sommer 2003 hinterliess kaum grossflächige Spuren in der Farbe der Wälder. Seit 2018 sind grossräumige Trockenheit und Hitze aber wiederholt aufgetreten, so dass sich ausgedehnte Verbraunung sogar mehrfach ereignete.