Am Anfang war die Vorhersage

Oft treten Klimaphänomene scheinbar unerwartet auf und werden erst später erklärt. Dass Starkniederschläge mit steigender CO2-Konzentration zunehmen werden, haben Forscher hingegen schon vor Jahrzehnten mit Modellen vorhergesagt und erst jetzt flächendeckend nachgewiesen.

Vergrösserte Ansicht: Klimaforscher erkannten früh, dass sich Starkniederschläge intensivieren werden.
Klimaforscher erkannten früh, dass sich Starkniederschläge intensivieren werden. (Bild: Fotolia.com/trendobjects)

Erwärmungspause oder Ozonloch – die Klimawissenschaften stehen immer wieder in der Kritik, sie würden von Umweltphänomenen überrascht und könnten Beobachtetes erst im Nachhinein erklären. [1] Dass der Weg zur Erkenntnis in der Klimaphysik auch umgekehrt ablaufen kann, zeigen wir am Beispiel extremer Regenfälle, wo sich heute bestätigt, was Forscher schon vor 30 Jahren prognostizierten: Starkniederschläge werden immer häufiger. [2]

Frühe Theorie und erste Modelle

Das theoretische Fundament für diese Vorhersage reicht gar ins frühe 19. Jahrhundert zurück, als sich die «kleine Eiszeit» in Europa ihrem Ende zuneigte: Benoît Clapeyron und Rudolf Clausius erkannten, dass warme Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Als die beiden Wissenschaftler diesen Zusammenhang physikalisch beschrieben, ahnten sie wohl kaum, dass ihre Arbeit fast zwei Jahrhunderte später eine zentrale Rolle in der Literatur zum Klimawandel spielen würde.

Die ersten Modellvorhersagen zu Starkniederschlägen erfolgten in den 1980er Jahren, noch lange bevor eindeutige Beobachtungstrends vorlagen. Die Modelle dieser Zeit lösten die Atmosphäre vertikal in 4 bis 5 statt wie heute in 80 Schichten auf, und die Maschen betrugen 500 km statt 25 – die Alpen waren also flach, und die Küstenverläufe kaum erkennbar. Dennoch gelang es den beiden japanischen Wissenschatlern Noda und Tokioka damit vorherzusagen, dass bei steigender CO2-Konzentration in der Atmosphäre auch Starkniederschläge zunehmen werden, und zwar deutlich rascher als die jährlichen Niederschlagsmittel.

Durch Beobachtung bestätigt

Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Beobachtungsstudien, welche diese Prognose bestätigen: Weltweit [3] und auch in der Schweiz [4] haben Starkniederschläge tatsächlich zugenommen. Die Interpretation dieser Studien erfordert aber oft fortgeschrittene statistische Kenntnisse. Wir konnten nun zeigen, dass sich die intensivierten Starkniederschläge in Europa und Nordamerika einfach nachweisen und anhand einer simplen Grafik für Laien illustrieren lässt. [2] Es gilt: Je extremer das Ereignis, desto stärker die relative Zunahme.

Starkniederschläge, wie sie 1951 bis 1980 in Europa nur ungefähr alle drei Jahre auftraten, sind in den letzten 30 Jahren um rund 45 Prozent häufiger geworden.
Starkniederschläge, wie sie 1951 bis 1980 in Europa nur ungefähr alle drei Jahre auftraten, sind in den letzten 30 Jahren um rund 45 Prozent häufiger geworden. (Grafik: ETH Zürich / Erich Fischer)

Der beobachtete Trend entspricht erstaunlich genau der Theorie von Clausius und Clapeyron und ist konsistent mit hochaufgelösten globalen und regionalen Klimamodellen, auch wenn diese die Zunahme tendenziell unterschätzen.

Nichts Neues in der Klimaphysik?

Wenn heute unsere Rechner mindestens eine Million mal schneller sind, die Vorhersagen aber immer noch die gleichen wie vor 30 Jahren – haben wir nichts dazugelernt? Doch. Wir verstehen mittlerweile die Vorgänge sehr viel besser, die zu Starkniederschlägen führen, genauso wie viele andere Prozesse, die Atmosphäre, Wetter und Klima bestimmen. Zusammen mit der Evidenz aus Messungen und Modellen ist das der Grund dafür, weshalb Klimaforschende heute ihren Vorhersagen deutlich mehr vertrauen als vor 30 Jahren.

Natürlich bleiben noch Unsicherheiten in regionalen und lokalen Vorhersagen, und zahlreiche Fragen sind offen, etwa wie schnell Starkniederschläge lokal oder regional in Monsungebieten und den Tropen zunehmen. Auch werden konvektive Niederschläge, also solche, die typischerweise im Sommer bei aufsteigender warmer Luft (Konvektion) entstehen, bislang in fast allen Modellen anhand von statistischen Zusammenhängen geschätzt (parametrisiert). Heute haben wir erstmals die spannende Möglichkeit, Konvektion in Modellen aufzulösen und so Prognosen zu verfeinern (siehe Beitrag in ETH-News).

Ein typisches Muster

Dass ein komplexes Phänomen wie zunehmende Starkniederschläge zuerst durch Theorie und Modelle vorhergesagt und erst später beobachtet wird, mag Laien erstaunen. Es ist allerdings ein typisches Muster in den Klimawissenschaften. Weitere Beispiele sind der wärmende Effekt der Treibhausgase, der ebenfalls schon im 19. Jahrhundert beschrieben wurde, oder die massive Wärmeaufnahme der Ozeane. Zum Teil haben Modelle sogar mitgeholfen, Unstimmigkeiten in den Beobachtungszeitreihen festzustellen, etwa bei der globalen Mitteltemperatur.

Das heisst selbstverständlich nicht, dass jegliche Vorhersagen von Klimamodellen korrekt sind. Diese simulieren beispielsweise blockierte Hochdrucklagen zu selten oder leichte Niederschläge eben zu häufig. Deshalb setzen Klimawissenschaftler nie auf eine Simulation allein. Vielmehr basiert unser Vertrauen auf der Konsistenz von Theorie, statistischen Messdaten und einer Kaskade von Modellen unterschiedlicher Auflösung. Doch derart gewonnene Prognosen machen letztlich vor allem dann Sinn, wenn wir sie für Entscheidungen nutzen, statt einfach abzuwarten, bis sie eintreffen.

Weiterführende Informationen

[1] Erwärmungspause (Hiatus): Siehe Beitrag im Zukunftsblog und Artikel in ETH-News

[2] Perspective in Nature climate change: externe SeiteObserved heavy precipitation increase confirms theory and early models, E. M. Fischer& R. Knutti, Nature Climate Change 6, 986–991 (2016)

[3] Westra. S., Alexander, L. V. & Zwiers, F. W. (2013)Global increasing trends in annual maximum daily precipitation. J. Clim. 26, 3904–3918.

[4] Scherrer, S. C., Fischer, E. M., Posselt, R., Liniger, M. A., Croci-Maspoli, M., Knutti, R. (2016) Emerging trends in heavy precipitation and hot temperature extremes in Switzerland. Journal of Geophysical Research: Atmospheres 121: 2626–2637.

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